Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus
Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen sich nackt
auf dieses Gitter, das, wie mir schien, nichts weniger als fest
und nicht ohne Gefahr zu besteigen ist. Der Rio de Aguas
calientes läuft nach Nordost und wird in der Nähe der Küste
zu einem ziemlich ansehnlichen Flusse, in dem große Krokodile
leben, und der durch sein Austreten den Uferstrich ungesund
machen hilft.

Wir gingen immer rechts am warmen Wasser nach Porto
Cabello hinunter. Der Weg ist ungemein malerisch. Das
Wasser stürzt über die Felsbänke nieder, und es ist als hätte
man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor sich; aber
welch ein Kontrast, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen-
wuchses betrifft! Zwischen blühenden Gesträuchen aus Big-
nonien und Melastomen erheben sich majestätisch die weißen
Stämme der Cecropia. Sie gehen erst aus, wenn man nur
noch in 195 m Meereshöhe ist. Bis hierher reicht auch eine
kleine stachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den
Rändern wie gekräuselt erscheinen. Sie ist in diesem Gebirge
sehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht gesehen
haben, wissen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka-
riben oder Jacquins Cocos aculeata ist.

Je näher wir der Küste kamen, desto drückender wurde
die Hitze. Ein rötlicher Dunst umzog den Horizont; die
Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch
nicht. Wir ruhten in den einzeln stehenden Höfen aus, die
unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers
(Casa del Islengo) bekannt sind. Der Rio de Aguas ca-
lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer
lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten
gerne seine Zähne und seine Mundhöhle untersucht, aber es
lag schon mehrere Wochen in der Sonne und stank so furcht-
bar, daß wir dieses Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde
steigen mußten. Ist man im Niveau des Meeres angelangt,
so wendet sich der Weg ostwärts und läuft über einen dürren
7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man sieht
hin und wieder eine Fackeldistel, ein Sesuvium, ein paar
Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küste wachsen
Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay-
guazo und den Rio Estevan, die, da sie sehr oft austreten,
große Lachen stehenden Wassers bilden. Auf dieser weiten
Ebene erheben sich wie Klippen kleine Felsen aus Mäandriten,

brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus
Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen ſich nackt
auf dieſes Gitter, das, wie mir ſchien, nichts weniger als feſt
und nicht ohne Gefahr zu beſteigen iſt. Der Rio de Aguas
calientes läuft nach Nordoſt und wird in der Nähe der Küſte
zu einem ziemlich anſehnlichen Fluſſe, in dem große Krokodile
leben, und der durch ſein Austreten den Uferſtrich ungeſund
machen hilft.

Wir gingen immer rechts am warmen Waſſer nach Porto
Cabello hinunter. Der Weg iſt ungemein maleriſch. Das
Waſſer ſtürzt über die Felsbänke nieder, und es iſt als hätte
man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor ſich; aber
welch ein Kontraſt, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen-
wuchſes betrifft! Zwiſchen blühenden Geſträuchen aus Big-
nonien und Melaſtomen erheben ſich majeſtätiſch die weißen
Stämme der Cecropia. Sie gehen erſt aus, wenn man nur
noch in 195 m Meereshöhe iſt. Bis hierher reicht auch eine
kleine ſtachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den
Rändern wie gekräuſelt erſcheinen. Sie iſt in dieſem Gebirge
ſehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht geſehen
haben, wiſſen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka-
riben oder Jacquins Cocos aculeata iſt.

Je näher wir der Küſte kamen, deſto drückender wurde
die Hitze. Ein rötlicher Dunſt umzog den Horizont; die
Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch
nicht. Wir ruhten in den einzeln ſtehenden Höfen aus, die
unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers
(Casa del Islengo) bekannt ſind. Der Rio de Aguas ca-
lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer
lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten
gerne ſeine Zähne und ſeine Mundhöhle unterſucht, aber es
lag ſchon mehrere Wochen in der Sonne und ſtank ſo furcht-
bar, daß wir dieſes Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde
ſteigen mußten. Iſt man im Niveau des Meeres angelangt,
ſo wendet ſich der Weg oſtwärts und läuft über einen dürren
7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man ſieht
hin und wieder eine Fackeldiſtel, ein Seſuvium, ein paar
Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küſte wachſen
Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay-
guazo und den Rio Eſtevan, die, da ſie ſehr oft austreten,
große Lachen ſtehenden Waſſers bilden. Auf dieſer weiten
Ebene erheben ſich wie Klippen kleine Felſen aus Mäandriten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0242" n="234"/>
brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus<lb/>
Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen &#x017F;ich nackt<lb/>
auf die&#x017F;es Gitter, das, wie mir &#x017F;chien, nichts weniger als fe&#x017F;t<lb/>
und nicht ohne Gefahr zu be&#x017F;teigen i&#x017F;t. Der Rio de Aguas<lb/>
calientes läuft nach Nordo&#x017F;t und wird in der Nähe der Kü&#x017F;te<lb/>
zu einem ziemlich an&#x017F;ehnlichen Flu&#x017F;&#x017F;e, in dem große Krokodile<lb/>
leben, und der durch &#x017F;ein Austreten den Ufer&#x017F;trich unge&#x017F;und<lb/>
machen hilft.</p><lb/>
          <p>Wir gingen immer rechts am warmen Wa&#x017F;&#x017F;er nach Porto<lb/>
Cabello hinunter. Der Weg i&#x017F;t ungemein maleri&#x017F;ch. Das<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;türzt über die Felsbänke nieder, und es i&#x017F;t als hätte<lb/>
man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor &#x017F;ich; aber<lb/>
welch ein Kontra&#x017F;t, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen-<lb/>
wuch&#x017F;es betrifft! Zwi&#x017F;chen blühenden Ge&#x017F;träuchen aus Big-<lb/>
nonien und Mela&#x017F;tomen erheben &#x017F;ich maje&#x017F;täti&#x017F;ch die weißen<lb/>
Stämme der Cecropia. Sie gehen er&#x017F;t aus, wenn man nur<lb/>
noch in 195 <hi rendition="#aq">m</hi> Meereshöhe i&#x017F;t. Bis hierher reicht auch eine<lb/>
kleine &#x017F;tachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den<lb/>
Rändern wie gekräu&#x017F;elt er&#x017F;cheinen. Sie i&#x017F;t in die&#x017F;em Gebirge<lb/>
&#x017F;ehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht ge&#x017F;ehen<lb/>
haben, wi&#x017F;&#x017F;en wir nicht, ob es die <hi rendition="#g">Piritupalme</hi> der Ka-<lb/>
riben oder Jacquins <hi rendition="#aq">Cocos aculeata</hi> i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Je näher wir der Kü&#x017F;te kamen, de&#x017F;to drückender wurde<lb/>
die Hitze. Ein rötlicher Dun&#x017F;t umzog den Horizont; die<lb/>
Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch<lb/>
nicht. Wir ruhten in den einzeln &#x017F;tehenden Höfen aus, die<lb/>
unter dem Namen <hi rendition="#g">Cambury</hi> und <hi rendition="#g">Haus des Kanariers</hi><lb/><hi rendition="#aq">(Casa del Islengo)</hi> bekannt &#x017F;ind. Der Rio de Aguas ca-<lb/>
lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer<lb/>
lag ein totes Krokodil; es war über 3 <hi rendition="#aq">m</hi> lang. Wir hätten<lb/>
gerne &#x017F;eine Zähne und &#x017F;eine Mundhöhle unter&#x017F;ucht, aber es<lb/>
lag &#x017F;chon mehrere Wochen in der Sonne und &#x017F;tank &#x017F;o furcht-<lb/>
bar, daß wir die&#x017F;es Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde<lb/>
&#x017F;teigen mußten. I&#x017F;t man im Niveau des Meeres angelangt,<lb/>
&#x017F;o wendet &#x017F;ich der Weg o&#x017F;twärts und läuft über einen dürren<lb/>
7 <hi rendition="#aq">km</hi> breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man &#x017F;ieht<lb/>
hin und wieder eine Fackeldi&#x017F;tel, ein Se&#x017F;uvium, ein paar<lb/>
Stämme <hi rendition="#aq">Coccoloba uvifera,</hi> und längs der Kü&#x017F;te wach&#x017F;en<lb/>
Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay-<lb/>
guazo und den Rio E&#x017F;tevan, die, da &#x017F;ie &#x017F;ehr oft austreten,<lb/>
große Lachen &#x017F;tehenden Wa&#x017F;&#x017F;ers bilden. Auf die&#x017F;er weiten<lb/>
Ebene erheben &#x017F;ich wie Klippen kleine Fel&#x017F;en aus Mäandriten,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0242] brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen ſich nackt auf dieſes Gitter, das, wie mir ſchien, nichts weniger als feſt und nicht ohne Gefahr zu beſteigen iſt. Der Rio de Aguas calientes läuft nach Nordoſt und wird in der Nähe der Küſte zu einem ziemlich anſehnlichen Fluſſe, in dem große Krokodile leben, und der durch ſein Austreten den Uferſtrich ungeſund machen hilft. Wir gingen immer rechts am warmen Waſſer nach Porto Cabello hinunter. Der Weg iſt ungemein maleriſch. Das Waſſer ſtürzt über die Felsbänke nieder, und es iſt als hätte man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor ſich; aber welch ein Kontraſt, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen- wuchſes betrifft! Zwiſchen blühenden Geſträuchen aus Big- nonien und Melaſtomen erheben ſich majeſtätiſch die weißen Stämme der Cecropia. Sie gehen erſt aus, wenn man nur noch in 195 m Meereshöhe iſt. Bis hierher reicht auch eine kleine ſtachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den Rändern wie gekräuſelt erſcheinen. Sie iſt in dieſem Gebirge ſehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht geſehen haben, wiſſen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka- riben oder Jacquins Cocos aculeata iſt. Je näher wir der Küſte kamen, deſto drückender wurde die Hitze. Ein rötlicher Dunſt umzog den Horizont; die Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch nicht. Wir ruhten in den einzeln ſtehenden Höfen aus, die unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers (Casa del Islengo) bekannt ſind. Der Rio de Aguas ca- lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten gerne ſeine Zähne und ſeine Mundhöhle unterſucht, aber es lag ſchon mehrere Wochen in der Sonne und ſtank ſo furcht- bar, daß wir dieſes Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde ſteigen mußten. Iſt man im Niveau des Meeres angelangt, ſo wendet ſich der Weg oſtwärts und läuft über einen dürren 7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man ſieht hin und wieder eine Fackeldiſtel, ein Seſuvium, ein paar Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küſte wachſen Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay- guazo und den Rio Eſtevan, die, da ſie ſehr oft austreten, große Lachen ſtehenden Waſſers bilden. Auf dieſer weiten Ebene erheben ſich wie Klippen kleine Felſen aus Mäandriten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/242
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/242>, abgerufen am 22.11.2024.