brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen sich nackt auf dieses Gitter, das, wie mir schien, nichts weniger als fest und nicht ohne Gefahr zu besteigen ist. Der Rio de Aguas calientes läuft nach Nordost und wird in der Nähe der Küste zu einem ziemlich ansehnlichen Flusse, in dem große Krokodile leben, und der durch sein Austreten den Uferstrich ungesund machen hilft.
Wir gingen immer rechts am warmen Wasser nach Porto Cabello hinunter. Der Weg ist ungemein malerisch. Das Wasser stürzt über die Felsbänke nieder, und es ist als hätte man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor sich; aber welch ein Kontrast, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen- wuchses betrifft! Zwischen blühenden Gesträuchen aus Big- nonien und Melastomen erheben sich majestätisch die weißen Stämme der Cecropia. Sie gehen erst aus, wenn man nur noch in 195 m Meereshöhe ist. Bis hierher reicht auch eine kleine stachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den Rändern wie gekräuselt erscheinen. Sie ist in diesem Gebirge sehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht gesehen haben, wissen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka- riben oder Jacquins Cocos aculeata ist.
Je näher wir der Küste kamen, desto drückender wurde die Hitze. Ein rötlicher Dunst umzog den Horizont; die Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch nicht. Wir ruhten in den einzeln stehenden Höfen aus, die unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers (Casa del Islengo) bekannt sind. Der Rio de Aguas ca- lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten gerne seine Zähne und seine Mundhöhle untersucht, aber es lag schon mehrere Wochen in der Sonne und stank so furcht- bar, daß wir dieses Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde steigen mußten. Ist man im Niveau des Meeres angelangt, so wendet sich der Weg ostwärts und läuft über einen dürren 7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man sieht hin und wieder eine Fackeldistel, ein Sesuvium, ein paar Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küste wachsen Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay- guazo und den Rio Estevan, die, da sie sehr oft austreten, große Lachen stehenden Wassers bilden. Auf dieser weiten Ebene erheben sich wie Klippen kleine Felsen aus Mäandriten,
brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen ſich nackt auf dieſes Gitter, das, wie mir ſchien, nichts weniger als feſt und nicht ohne Gefahr zu beſteigen iſt. Der Rio de Aguas calientes läuft nach Nordoſt und wird in der Nähe der Küſte zu einem ziemlich anſehnlichen Fluſſe, in dem große Krokodile leben, und der durch ſein Austreten den Uferſtrich ungeſund machen hilft.
Wir gingen immer rechts am warmen Waſſer nach Porto Cabello hinunter. Der Weg iſt ungemein maleriſch. Das Waſſer ſtürzt über die Felsbänke nieder, und es iſt als hätte man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor ſich; aber welch ein Kontraſt, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen- wuchſes betrifft! Zwiſchen blühenden Geſträuchen aus Big- nonien und Melaſtomen erheben ſich majeſtätiſch die weißen Stämme der Cecropia. Sie gehen erſt aus, wenn man nur noch in 195 m Meereshöhe iſt. Bis hierher reicht auch eine kleine ſtachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den Rändern wie gekräuſelt erſcheinen. Sie iſt in dieſem Gebirge ſehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht geſehen haben, wiſſen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka- riben oder Jacquins Cocos aculeata iſt.
Je näher wir der Küſte kamen, deſto drückender wurde die Hitze. Ein rötlicher Dunſt umzog den Horizont; die Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch nicht. Wir ruhten in den einzeln ſtehenden Höfen aus, die unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers (Casa del Islengo) bekannt ſind. Der Rio de Aguas ca- lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten gerne ſeine Zähne und ſeine Mundhöhle unterſucht, aber es lag ſchon mehrere Wochen in der Sonne und ſtank ſo furcht- bar, daß wir dieſes Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde ſteigen mußten. Iſt man im Niveau des Meeres angelangt, ſo wendet ſich der Weg oſtwärts und läuft über einen dürren 7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man ſieht hin und wieder eine Fackeldiſtel, ein Seſuvium, ein paar Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küſte wachſen Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay- guazo und den Rio Eſtevan, die, da ſie ſehr oft austreten, große Lachen ſtehenden Waſſers bilden. Auf dieſer weiten Ebene erheben ſich wie Klippen kleine Felſen aus Mäandriten,
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brauchen, errichten über der Quelle eine Art Gitterwerk aus
Baumzweigen und ganz dünnem Rohr. Sie legen ſich nackt
auf dieſes Gitter, das, wie mir ſchien, nichts weniger als feſt
und nicht ohne Gefahr zu beſteigen iſt. Der Rio de Aguas
calientes läuft nach Nordoſt und wird in der Nähe der Küſte
zu einem ziemlich anſehnlichen Fluſſe, in dem große Krokodile
leben, und der durch ſein Austreten den Uferſtrich ungeſund
machen hilft.
Wir gingen immer rechts am warmen Waſſer nach Porto
Cabello hinunter. Der Weg iſt ungemein maleriſch. Das
Waſſer ſtürzt über die Felsbänke nieder, und es iſt als hätte
man die Fälle der Reuß vom Gotthard herab vor ſich; aber
welch ein Kontraſt, was die Kraft und Ueppigkeit des Pflanzen-
wuchſes betrifft! Zwiſchen blühenden Geſträuchen aus Big-
nonien und Melaſtomen erheben ſich majeſtätiſch die weißen
Stämme der Cecropia. Sie gehen erſt aus, wenn man nur
noch in 195 m Meereshöhe iſt. Bis hierher reicht auch eine
kleine ſtachelige Palme, deren zarte, gefiederte Blätter an den
Rändern wie gekräuſelt erſcheinen. Sie iſt in dieſem Gebirge
ſehr häufig; da wir aber weder Blüte noch Frucht geſehen
haben, wiſſen wir nicht, ob es die Piritupalme der Ka-
riben oder Jacquins Cocos aculeata iſt.
Je näher wir der Küſte kamen, deſto drückender wurde
die Hitze. Ein rötlicher Dunſt umzog den Horizont; die
Sonne war am Untergehen, aber der Seewind wehte noch
nicht. Wir ruhten in den einzeln ſtehenden Höfen aus, die
unter dem Namen Cambury und Haus des Kanariers
(Casa del Islengo) bekannt ſind. Der Rio de Aguas ca-
lientes, an dem wir hinzogen, wurde immer tiefer. Am Ufer
lag ein totes Krokodil; es war über 3 m lang. Wir hätten
gerne ſeine Zähne und ſeine Mundhöhle unterſucht, aber es
lag ſchon mehrere Wochen in der Sonne und ſtank ſo furcht-
bar, daß wir dieſes Vorhaben aufgeben und wieder zu Pferde
ſteigen mußten. Iſt man im Niveau des Meeres angelangt,
ſo wendet ſich der Weg oſtwärts und läuft über einen dürren
7 km breiten Strand, ähnlich dem bei Cumana. Man ſieht
hin und wieder eine Fackeldiſtel, ein Seſuvium, ein paar
Stämme Coccoloba uvifera, und längs der Küſte wachſen
Avicennien und Wurzelträger. Wir wateten durch den Guay-
guazo und den Rio Eſtevan, die, da ſie ſehr oft austreten,
große Lachen ſtehenden Waſſers bilden. Auf dieſer weiten
Ebene erheben ſich wie Klippen kleine Felſen aus Mäandriten,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/242>, abgerufen am 17.07.2024.
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