Jahren 1578 und 1580. Diese Horde von Menschenfressern zog am Guarico herauf und über die Llanos herüber. Sie wurde vom tapferen Garci-Gonzalez, einem der Kapitäne, deren Namen noch jetzt in diesen Provinzen in hohen Ehren steht, glücklich zurückgeschlagen. Mit Befriedigung denkt man daran, daß die Nachkommen derselben Kariben jetzt als fried- liche Ackerbauer in den Missionen leben, und daß kein wilder Volksstamm in Guyana es mehr wagt, über die Ebenen zwischen der Waldregion und dem angebauten Lande herüber- zukommen.
Die Küstenkordillere ist von mehreren Schluchten durch- schnitten, die durchgängig von Südost nach Nordwest streichen. Dies wiederholt sich von der Quebrada de Tocume zwischen Petarez und Caracas bis Porto Cabello. Es ist als wäre allerorten der Stoß von Südost gekommen, und die Erschei- nung ist um so auffallender, da die Gneis- und Glimmer- schieferschichten in der Küstenkordillere meist von Südwest nach Nordost streichen. Die meisten dieser Schluchten schneiden in den Südabhang der Berge ein, gehen aber nicht ganz durch; nur im Meridian von Nueva Valencia befindet sich eine Oeff- nung (Abra), durch die man zur Küste hinuntergelangt und durch die jeden Abend ein sehr erfrischender Seewind in die Thäler von Aragua heraufkommt. Der Wind stellt sich regel- mäßig zwei bis drei Stunden nach Sonnenuntergang ein.
Durch diese Abra, über den Hof Barbula und durch einen östlichen Zweig der Schlucht baut man eine neue Straße von Valencia nach Porto Cabello. Sie wird so kurz, daß man nur vier Stunden in den Hafen braucht und man in einem Tage vom Hafen in die Thäler von Aragua und wieder zurück kann. Um diesen Weg kennen zu lernen, gingen wir am 26. Februar abends nach dem Hofe Barbula in Gesellschaft der Eigentümer, der liebenswürdigen Familie Arambary.
Am 27. morgens besuchten wir die heißen Quellen bei der Trinchera, 13 km von Valencia. Die Schlucht ist sehr breit und es geht vom Ufer des Sees bis zur Küste fast be- ständig abwärts. Trinchera heißt der Ort nach den kleinen Erdwerken, welche französische Flibustiere angelegt, als sie im Jahre 1677 die Stadt Valencia plünderten. Die heißen Quellen, und dies ist geologisch nicht uninteressant, entspringen nicht südlich von den Bergen, wie die von Mariara, Onoto und am Brigantin, sie kommen vielmehr in der Bergkette
Jahren 1578 und 1580. Dieſe Horde von Menſchenfreſſern zog am Guarico herauf und über die Llanos herüber. Sie wurde vom tapferen Garci-Gonzalez, einem der Kapitäne, deren Namen noch jetzt in dieſen Provinzen in hohen Ehren ſteht, glücklich zurückgeſchlagen. Mit Befriedigung denkt man daran, daß die Nachkommen derſelben Kariben jetzt als fried- liche Ackerbauer in den Miſſionen leben, und daß kein wilder Volksſtamm in Guyana es mehr wagt, über die Ebenen zwiſchen der Waldregion und dem angebauten Lande herüber- zukommen.
Die Küſtenkordillere iſt von mehreren Schluchten durch- ſchnitten, die durchgängig von Südoſt nach Nordweſt ſtreichen. Dies wiederholt ſich von der Quebrada de Tocume zwiſchen Petarez und Caracas bis Porto Cabello. Es iſt als wäre allerorten der Stoß von Südoſt gekommen, und die Erſchei- nung iſt um ſo auffallender, da die Gneis- und Glimmer- ſchieferſchichten in der Küſtenkordillere meiſt von Südweſt nach Nordoſt ſtreichen. Die meiſten dieſer Schluchten ſchneiden in den Südabhang der Berge ein, gehen aber nicht ganz durch; nur im Meridian von Nueva Valencia befindet ſich eine Oeff- nung (Abra), durch die man zur Küſte hinuntergelangt und durch die jeden Abend ein ſehr erfriſchender Seewind in die Thäler von Aragua heraufkommt. Der Wind ſtellt ſich regel- mäßig zwei bis drei Stunden nach Sonnenuntergang ein.
Durch dieſe Abra, über den Hof Barbula und durch einen öſtlichen Zweig der Schlucht baut man eine neue Straße von Valencia nach Porto Cabello. Sie wird ſo kurz, daß man nur vier Stunden in den Hafen braucht und man in einem Tage vom Hafen in die Thäler von Aragua und wieder zurück kann. Um dieſen Weg kennen zu lernen, gingen wir am 26. Februar abends nach dem Hofe Barbula in Geſellſchaft der Eigentümer, der liebenswürdigen Familie Arambary.
Am 27. morgens beſuchten wir die heißen Quellen bei der Trinchera, 13 km von Valencia. Die Schlucht iſt ſehr breit und es geht vom Ufer des Sees bis zur Küſte faſt be- ſtändig abwärts. Trinchera heißt der Ort nach den kleinen Erdwerken, welche franzöſiſche Flibuſtiere angelegt, als ſie im Jahre 1677 die Stadt Valencia plünderten. Die heißen Quellen, und dies iſt geologiſch nicht unintereſſant, entſpringen nicht ſüdlich von den Bergen, wie die von Mariara, Onoto und am Brigantin, ſie kommen vielmehr in der Bergkette
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Jahren 1578 und 1580. Dieſe Horde von Menſchenfreſſern
zog am Guarico herauf und über die Llanos herüber. Sie
wurde vom tapferen Garci-Gonzalez, einem der Kapitäne,
deren Namen noch jetzt in dieſen Provinzen in hohen Ehren
ſteht, glücklich zurückgeſchlagen. Mit Befriedigung denkt man
daran, daß die Nachkommen derſelben Kariben jetzt als fried-
liche Ackerbauer in den Miſſionen leben, und daß kein wilder
Volksſtamm in Guyana es mehr wagt, über die Ebenen
zwiſchen der Waldregion und dem angebauten Lande herüber-
zukommen.
Die Küſtenkordillere iſt von mehreren Schluchten durch-
ſchnitten, die durchgängig von Südoſt nach Nordweſt ſtreichen.
Dies wiederholt ſich von der Quebrada de Tocume zwiſchen
Petarez und Caracas bis Porto Cabello. Es iſt als wäre
allerorten der Stoß von Südoſt gekommen, und die Erſchei-
nung iſt um ſo auffallender, da die Gneis- und Glimmer-
ſchieferſchichten in der Küſtenkordillere meiſt von Südweſt nach
Nordoſt ſtreichen. Die meiſten dieſer Schluchten ſchneiden in
den Südabhang der Berge ein, gehen aber nicht ganz durch;
nur im Meridian von Nueva Valencia befindet ſich eine Oeff-
nung (Abra), durch die man zur Küſte hinuntergelangt und
durch die jeden Abend ein ſehr erfriſchender Seewind in die
Thäler von Aragua heraufkommt. Der Wind ſtellt ſich regel-
mäßig zwei bis drei Stunden nach Sonnenuntergang ein.
Durch dieſe Abra, über den Hof Barbula und durch
einen öſtlichen Zweig der Schlucht baut man eine neue Straße
von Valencia nach Porto Cabello. Sie wird ſo kurz, daß
man nur vier Stunden in den Hafen braucht und man in
einem Tage vom Hafen in die Thäler von Aragua und
wieder zurück kann. Um dieſen Weg kennen zu lernen, gingen
wir am 26. Februar abends nach dem Hofe Barbula in
Geſellſchaft der Eigentümer, der liebenswürdigen Familie
Arambary.
Am 27. morgens beſuchten wir die heißen Quellen bei
der Trinchera, 13 km von Valencia. Die Schlucht iſt ſehr
breit und es geht vom Ufer des Sees bis zur Küſte faſt be-
ſtändig abwärts. Trinchera heißt der Ort nach den kleinen
Erdwerken, welche franzöſiſche Flibuſtiere angelegt, als ſie im
Jahre 1677 die Stadt Valencia plünderten. Die heißen
Quellen, und dies iſt geologiſch nicht unintereſſant, entſpringen
nicht ſüdlich von den Bergen, wie die von Mariara, Onoto
und am Brigantin, ſie kommen vielmehr in der Bergkette
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/240>, abgerufen am 17.07.2024.
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