Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

von Mariara nicht vor. Man findet Frösche darin, die, von
Schlangen verfolgt, hineingesprungen sind und den Tod ge-
funden haben.

Südlich von der Schlucht, in der Ebene, die sich zum
Seeufer erstreckt, kommt eine andere schwefelwasserstoffhaltige,
nicht so warme und weniger Gas enthaltende Quelle zu Tage.
Die Spalte, aus der das Wasser läuft, liegt 12 m höher als
die eben beschriebenen Trichter. Der Thermometer stieg in
der Spalte nur auf 42°. Das Wasser sammelt sich in einem
mit großen Bäumen umgebenen, fast kreisrunden, 5 bis 6 m
weiten und 1 m tiefen Becken. In dieses Bad werfen sich
die unglücklichen Sklaven, wenn sie gegen Sonnenuntergang,
mit Staub bedeckt, ihr Tagewerk auf den benachbarten Indigo-
und Zuckerfeldern vollbracht haben. Obgleich das Wasser des
Banno gewöhnlich 10 bis 14° wärmer ist als die Luft, nennen
es die Schwarzen doch erfrischend, weil in der heißen Zone
alles so heißt, was die Kräfte herstellt, die Nervenaufregung
beschwichtigt oder überhaupt ein Gefühl von Wohlbehagen gibt.
Wir selbst erprobten die heilsame Wirkung dieses Bades. Wir
ließen unsere Hängematten an die Bäume, die das Wasser-
becken beschatten, binden und verweilten einen ganzen Tag an
diesem herrlichen Platze, wo es sehr viele Pflanzen gibt. In
der Nähe des Banno de Mariara fanden wir den Volador oder
Gyrocarpus. Die Flügelfrüchte dieses großen Baumes fliegen
wie Federbälle, wenn sie sich vom Fruchtstiele trennen. Wenn
wir die Aeste des Volador schüttelten, wimmelte es in der
Luft von diesen Früchten und ihr gleichzeitiges Niederfallen
gewährte den merkwürdigsten Anblick. Die zwei häutigen,
gestreiften Flügel sind so gebogen, daß die Luft beim Nieder-
fallen unter einem Winkel von 45° gegen sie drückt. Glück-
licherweise waren die Früchte, die wir auflasen, reif. Wir
schickten welche nach Europa und sie keimten in den Gärten zu
Berlin, Paris und Malmaison. Die vielen Voladorpflanzen,
die man jetzt in den Gewächshäusern sieht, kommen alle von
dem einzigen Baume der Art, der bei Mariara steht. Die
geographische Verteilung der verschiedenen Arten von Gyro-
carpus, den Brown zu den Laurineen rechnet, ist eine sehr
auffallende. Jacquin sah eine Art bei Cartagena das Indias;
eine andere Art, die auf den Bergen an der Küste von Koro-
mandel wächst, hat Roxburgh beschrieben; eine dritte und
vierte kommen in der südlichen Halbkugel auf den Küsten von
Neuholland vor.


von Mariara nicht vor. Man findet Fröſche darin, die, von
Schlangen verfolgt, hineingeſprungen ſind und den Tod ge-
funden haben.

Südlich von der Schlucht, in der Ebene, die ſich zum
Seeufer erſtreckt, kommt eine andere ſchwefelwaſſerſtoffhaltige,
nicht ſo warme und weniger Gas enthaltende Quelle zu Tage.
Die Spalte, aus der das Waſſer läuft, liegt 12 m höher als
die eben beſchriebenen Trichter. Der Thermometer ſtieg in
der Spalte nur auf 42°. Das Waſſer ſammelt ſich in einem
mit großen Bäumen umgebenen, faſt kreisrunden, 5 bis 6 m
weiten und 1 m tiefen Becken. In dieſes Bad werfen ſich
die unglücklichen Sklaven, wenn ſie gegen Sonnenuntergang,
mit Staub bedeckt, ihr Tagewerk auf den benachbarten Indigo-
und Zuckerfeldern vollbracht haben. Obgleich das Waſſer des
Baño gewöhnlich 10 bis 14° wärmer iſt als die Luft, nennen
es die Schwarzen doch erfriſchend, weil in der heißen Zone
alles ſo heißt, was die Kräfte herſtellt, die Nervenaufregung
beſchwichtigt oder überhaupt ein Gefühl von Wohlbehagen gibt.
Wir ſelbſt erprobten die heilſame Wirkung dieſes Bades. Wir
ließen unſere Hängematten an die Bäume, die das Waſſer-
becken beſchatten, binden und verweilten einen ganzen Tag an
dieſem herrlichen Platze, wo es ſehr viele Pflanzen gibt. In
der Nähe des Baño de Mariara fanden wir den Volador oder
Gyrocarpus. Die Flügelfrüchte dieſes großen Baumes fliegen
wie Federbälle, wenn ſie ſich vom Fruchtſtiele trennen. Wenn
wir die Aeſte des Volador ſchüttelten, wimmelte es in der
Luft von dieſen Früchten und ihr gleichzeitiges Niederfallen
gewährte den merkwürdigſten Anblick. Die zwei häutigen,
geſtreiften Flügel ſind ſo gebogen, daß die Luft beim Nieder-
fallen unter einem Winkel von 45° gegen ſie drückt. Glück-
licherweiſe waren die Früchte, die wir auflaſen, reif. Wir
ſchickten welche nach Europa und ſie keimten in den Gärten zu
Berlin, Paris und Malmaiſon. Die vielen Voladorpflanzen,
die man jetzt in den Gewächshäuſern ſieht, kommen alle von
dem einzigen Baume der Art, der bei Mariara ſteht. Die
geographiſche Verteilung der verſchiedenen Arten von Gyro-
carpus, den Brown zu den Laurineen rechnet, iſt eine ſehr
auffallende. Jacquin ſah eine Art bei Cartagena das Indias;
eine andere Art, die auf den Bergen an der Küſte von Koro-
mandel wächſt, hat Roxburgh beſchrieben; eine dritte und
vierte kommen in der ſüdlichen Halbkugel auf den Küſten von
Neuholland vor.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="221"/>
von Mariara nicht vor. Man findet Frö&#x017F;che darin, die, von<lb/>
Schlangen verfolgt, hineinge&#x017F;prungen &#x017F;ind und den Tod ge-<lb/>
funden haben.</p><lb/>
          <p>Südlich von der Schlucht, in der Ebene, die &#x017F;ich zum<lb/>
Seeufer er&#x017F;treckt, kommt eine andere &#x017F;chwefelwa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffhaltige,<lb/>
nicht &#x017F;o warme und weniger Gas enthaltende Quelle zu Tage.<lb/>
Die Spalte, aus der das Wa&#x017F;&#x017F;er läuft, liegt 12 <hi rendition="#aq">m</hi> höher als<lb/>
die eben be&#x017F;chriebenen Trichter. Der Thermometer &#x017F;tieg in<lb/>
der Spalte nur auf 42°. Das Wa&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ammelt &#x017F;ich in einem<lb/>
mit großen Bäumen umgebenen, fa&#x017F;t kreisrunden, 5 bis 6 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/>
weiten und 1 <hi rendition="#aq">m</hi> tiefen Becken. In die&#x017F;es Bad werfen &#x017F;ich<lb/>
die unglücklichen Sklaven, wenn &#x017F;ie gegen Sonnenuntergang,<lb/>
mit Staub bedeckt, ihr Tagewerk auf den benachbarten Indigo-<lb/>
und Zuckerfeldern vollbracht haben. Obgleich das Wa&#x017F;&#x017F;er des<lb/><hi rendition="#g">Baño</hi> gewöhnlich 10 bis 14° wärmer i&#x017F;t als die Luft, nennen<lb/>
es die Schwarzen doch erfri&#x017F;chend, weil in der heißen Zone<lb/>
alles &#x017F;o heißt, was die Kräfte her&#x017F;tellt, die Nervenaufregung<lb/>
be&#x017F;chwichtigt oder überhaupt ein Gefühl von Wohlbehagen gibt.<lb/>
Wir &#x017F;elb&#x017F;t erprobten die heil&#x017F;ame Wirkung die&#x017F;es Bades. Wir<lb/>
ließen un&#x017F;ere Hängematten an die Bäume, die das Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
becken be&#x017F;chatten, binden und verweilten einen ganzen Tag an<lb/>
die&#x017F;em herrlichen Platze, wo es &#x017F;ehr viele Pflanzen gibt. In<lb/>
der Nähe des Baño de Mariara fanden wir den Volador oder<lb/>
Gyrocarpus. Die Flügelfrüchte die&#x017F;es großen Baumes fliegen<lb/>
wie Federbälle, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich vom Frucht&#x017F;tiele trennen. Wenn<lb/>
wir die Ae&#x017F;te des Volador &#x017F;chüttelten, wimmelte es in der<lb/>
Luft von die&#x017F;en Früchten und ihr gleichzeitiges Niederfallen<lb/>
gewährte den merkwürdig&#x017F;ten Anblick. Die zwei häutigen,<lb/>
ge&#x017F;treiften Flügel &#x017F;ind &#x017F;o gebogen, daß die Luft beim Nieder-<lb/>
fallen unter einem Winkel von 45° gegen &#x017F;ie drückt. Glück-<lb/>
licherwei&#x017F;e waren die Früchte, die wir aufla&#x017F;en, reif. Wir<lb/>
&#x017F;chickten welche nach Europa und &#x017F;ie keimten in den Gärten zu<lb/>
Berlin, Paris und Malmai&#x017F;on. Die vielen Voladorpflanzen,<lb/>
die man jetzt in den Gewächshäu&#x017F;ern &#x017F;ieht, kommen alle von<lb/>
dem einzigen Baume der Art, der bei Mariara &#x017F;teht. Die<lb/>
geographi&#x017F;che Verteilung der ver&#x017F;chiedenen Arten von Gyro-<lb/>
carpus, den Brown zu den Laurineen rechnet, i&#x017F;t eine &#x017F;ehr<lb/>
auffallende. Jacquin &#x017F;ah eine Art bei Cartagena das Indias;<lb/>
eine andere Art, die auf den Bergen an der Kü&#x017F;te von Koro-<lb/>
mandel wäch&#x017F;t, hat Roxburgh be&#x017F;chrieben; eine dritte und<lb/>
vierte kommen in der &#x017F;üdlichen Halbkugel auf den Kü&#x017F;ten von<lb/>
Neuholland vor.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0229] von Mariara nicht vor. Man findet Fröſche darin, die, von Schlangen verfolgt, hineingeſprungen ſind und den Tod ge- funden haben. Südlich von der Schlucht, in der Ebene, die ſich zum Seeufer erſtreckt, kommt eine andere ſchwefelwaſſerſtoffhaltige, nicht ſo warme und weniger Gas enthaltende Quelle zu Tage. Die Spalte, aus der das Waſſer läuft, liegt 12 m höher als die eben beſchriebenen Trichter. Der Thermometer ſtieg in der Spalte nur auf 42°. Das Waſſer ſammelt ſich in einem mit großen Bäumen umgebenen, faſt kreisrunden, 5 bis 6 m weiten und 1 m tiefen Becken. In dieſes Bad werfen ſich die unglücklichen Sklaven, wenn ſie gegen Sonnenuntergang, mit Staub bedeckt, ihr Tagewerk auf den benachbarten Indigo- und Zuckerfeldern vollbracht haben. Obgleich das Waſſer des Baño gewöhnlich 10 bis 14° wärmer iſt als die Luft, nennen es die Schwarzen doch erfriſchend, weil in der heißen Zone alles ſo heißt, was die Kräfte herſtellt, die Nervenaufregung beſchwichtigt oder überhaupt ein Gefühl von Wohlbehagen gibt. Wir ſelbſt erprobten die heilſame Wirkung dieſes Bades. Wir ließen unſere Hängematten an die Bäume, die das Waſſer- becken beſchatten, binden und verweilten einen ganzen Tag an dieſem herrlichen Platze, wo es ſehr viele Pflanzen gibt. In der Nähe des Baño de Mariara fanden wir den Volador oder Gyrocarpus. Die Flügelfrüchte dieſes großen Baumes fliegen wie Federbälle, wenn ſie ſich vom Fruchtſtiele trennen. Wenn wir die Aeſte des Volador ſchüttelten, wimmelte es in der Luft von dieſen Früchten und ihr gleichzeitiges Niederfallen gewährte den merkwürdigſten Anblick. Die zwei häutigen, geſtreiften Flügel ſind ſo gebogen, daß die Luft beim Nieder- fallen unter einem Winkel von 45° gegen ſie drückt. Glück- licherweiſe waren die Früchte, die wir auflaſen, reif. Wir ſchickten welche nach Europa und ſie keimten in den Gärten zu Berlin, Paris und Malmaiſon. Die vielen Voladorpflanzen, die man jetzt in den Gewächshäuſern ſieht, kommen alle von dem einzigen Baume der Art, der bei Mariara ſteht. Die geographiſche Verteilung der verſchiedenen Arten von Gyro- carpus, den Brown zu den Laurineen rechnet, iſt eine ſehr auffallende. Jacquin ſah eine Art bei Cartagena das Indias; eine andere Art, die auf den Bergen an der Küſte von Koro- mandel wächſt, hat Roxburgh beſchrieben; eine dritte und vierte kommen in der ſüdlichen Halbkugel auf den Küſten von Neuholland vor.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/229
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/229>, abgerufen am 23.11.2024.