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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Anden, liefern einleuchtende Beweise für die Richtigkeit dieses
Satzes.

Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts waren die
Berge, in denen die Thäler von Aragua liegen, mit Wald
bewachsen. Große Bäume aus der Familie der Mimosen,
Ceiba- und Feigenbäume beschatteten die Ufer des Sees und
verbreiteten Kühlung. Die damals nur sehr dünn bevölkerte
Ebene war voll Strauchwerk, bedeckt mit umgestürzten Baum-
stämmen und Schmarotzergewächsen, mit dichtem Rasenfilz
überzogen, und gab somit die strahlende Wärme nicht so leicht
von sich als der beackerte und eben deshalb gegen die Sonnen-
glut nicht geschützte Boden. Mit der Ausrodung der Bäume,
mit der Ausdehnung des Zucker-, Indigo- und Baumwollen-
baues nahmen die Quellen und alle natürlichen Zuflüsse des
Sees von Jahr zu Jahr ab. Man macht sich nur schwer
einen Begriff davon, welch ungeheure Wassermassen durch die
Verdunstung in der heißen Zone aufgesogen werden, und
vollends in einem Thale, das von steil abfallenden Bergen
umgeben ist, wo gegen Abend der Seewind und die nieder-
gehenden Luftströmungen auftreten, und dessen Boden ganz
flach, wie vom Wasser geebnet ist. Wir haben schon oben
erwähnt, daß die Wärme, welche das ganze Jahr in Cura,
Guacara, Nueva Valencia und an den Ufern des Sees herrscht,
der stärksten Sommerhitze in Neapel und Sizilien gleichkommt.
Die mittlere Temperatur der Luft in den Thälern von Aragua
ist ungefähr 25,5°; die hygrometrischen Beobachtungen er-
gaben mir für den Monat Februar im Durchschnitte aus Tag
und Nacht 71,4° am Haarhygrometer. Da die Worte: große
Trockenheit oder große Feuchtigkeit keine Bedeutung an sich
haben, und da eine Luft, die man in den Niederungen unter
den Tropen sehr trocken nennt, in Europa für feucht gälte,
so kann man über diese klimatischen Verhältnisse nur urteilen,
wenn man verschiedene Orte in derselben Zone vergleicht.
Nun ist in Cumana, wo es oft ein ganzes Jahr lang nicht
regnet, und wo ich zu verschiedenen Stunden bei Tage und
bei Nacht sehr viele hygrometrische Beobachtungen gemacht,
die mittlere Feuchtigkeit der Luft gleich 86°, entsprechend der
mittleren Temperatur von 27,7°. Rechnet man die Regen-
monate ein, das heißt schätzt man den Unterschied zwischen
der mittleren Feuchtigkeit der trockenen Monate und der des
ganzen Jahres, wie man denselben in anderen Teilen des
tropischen Amerikas beobachtet, so ergibt sich für die Thäler

Anden, liefern einleuchtende Beweiſe für die Richtigkeit dieſes
Satzes.

Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts waren die
Berge, in denen die Thäler von Aragua liegen, mit Wald
bewachſen. Große Bäume aus der Familie der Mimoſen,
Ceiba- und Feigenbäume beſchatteten die Ufer des Sees und
verbreiteten Kühlung. Die damals nur ſehr dünn bevölkerte
Ebene war voll Strauchwerk, bedeckt mit umgeſtürzten Baum-
ſtämmen und Schmarotzergewächſen, mit dichtem Raſenfilz
überzogen, und gab ſomit die ſtrahlende Wärme nicht ſo leicht
von ſich als der beackerte und eben deshalb gegen die Sonnen-
glut nicht geſchützte Boden. Mit der Ausrodung der Bäume,
mit der Ausdehnung des Zucker-, Indigo- und Baumwollen-
baues nahmen die Quellen und alle natürlichen Zuflüſſe des
Sees von Jahr zu Jahr ab. Man macht ſich nur ſchwer
einen Begriff davon, welch ungeheure Waſſermaſſen durch die
Verdunſtung in der heißen Zone aufgeſogen werden, und
vollends in einem Thale, das von ſteil abfallenden Bergen
umgeben iſt, wo gegen Abend der Seewind und die nieder-
gehenden Luftſtrömungen auftreten, und deſſen Boden ganz
flach, wie vom Waſſer geebnet iſt. Wir haben ſchon oben
erwähnt, daß die Wärme, welche das ganze Jahr in Cura,
Guacara, Nueva Valencia und an den Ufern des Sees herrſcht,
der ſtärkſten Sommerhitze in Neapel und Sizilien gleichkommt.
Die mittlere Temperatur der Luft in den Thälern von Aragua
iſt ungefähr 25,5°; die hygrometriſchen Beobachtungen er-
gaben mir für den Monat Februar im Durchſchnitte aus Tag
und Nacht 71,4° am Haarhygrometer. Da die Worte: große
Trockenheit oder große Feuchtigkeit keine Bedeutung an ſich
haben, und da eine Luft, die man in den Niederungen unter
den Tropen ſehr trocken nennt, in Europa für feucht gälte,
ſo kann man über dieſe klimatiſchen Verhältniſſe nur urteilen,
wenn man verſchiedene Orte in derſelben Zone vergleicht.
Nun iſt in Cumana, wo es oft ein ganzes Jahr lang nicht
regnet, und wo ich zu verſchiedenen Stunden bei Tage und
bei Nacht ſehr viele hygrometriſche Beobachtungen gemacht,
die mittlere Feuchtigkeit der Luft gleich 86°, entſprechend der
mittleren Temperatur von 27,7°. Rechnet man die Regen-
monate ein, das heißt ſchätzt man den Unterſchied zwiſchen
der mittleren Feuchtigkeit der trockenen Monate und der des
ganzen Jahres, wie man denſelben in anderen Teilen des
tropiſchen Amerikas beobachtet, ſo ergibt ſich für die Thäler

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[208/0216] Anden, liefern einleuchtende Beweiſe für die Richtigkeit dieſes Satzes. Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts waren die Berge, in denen die Thäler von Aragua liegen, mit Wald bewachſen. Große Bäume aus der Familie der Mimoſen, Ceiba- und Feigenbäume beſchatteten die Ufer des Sees und verbreiteten Kühlung. Die damals nur ſehr dünn bevölkerte Ebene war voll Strauchwerk, bedeckt mit umgeſtürzten Baum- ſtämmen und Schmarotzergewächſen, mit dichtem Raſenfilz überzogen, und gab ſomit die ſtrahlende Wärme nicht ſo leicht von ſich als der beackerte und eben deshalb gegen die Sonnen- glut nicht geſchützte Boden. Mit der Ausrodung der Bäume, mit der Ausdehnung des Zucker-, Indigo- und Baumwollen- baues nahmen die Quellen und alle natürlichen Zuflüſſe des Sees von Jahr zu Jahr ab. Man macht ſich nur ſchwer einen Begriff davon, welch ungeheure Waſſermaſſen durch die Verdunſtung in der heißen Zone aufgeſogen werden, und vollends in einem Thale, das von ſteil abfallenden Bergen umgeben iſt, wo gegen Abend der Seewind und die nieder- gehenden Luftſtrömungen auftreten, und deſſen Boden ganz flach, wie vom Waſſer geebnet iſt. Wir haben ſchon oben erwähnt, daß die Wärme, welche das ganze Jahr in Cura, Guacara, Nueva Valencia und an den Ufern des Sees herrſcht, der ſtärkſten Sommerhitze in Neapel und Sizilien gleichkommt. Die mittlere Temperatur der Luft in den Thälern von Aragua iſt ungefähr 25,5°; die hygrometriſchen Beobachtungen er- gaben mir für den Monat Februar im Durchſchnitte aus Tag und Nacht 71,4° am Haarhygrometer. Da die Worte: große Trockenheit oder große Feuchtigkeit keine Bedeutung an ſich haben, und da eine Luft, die man in den Niederungen unter den Tropen ſehr trocken nennt, in Europa für feucht gälte, ſo kann man über dieſe klimatiſchen Verhältniſſe nur urteilen, wenn man verſchiedene Orte in derſelben Zone vergleicht. Nun iſt in Cumana, wo es oft ein ganzes Jahr lang nicht regnet, und wo ich zu verſchiedenen Stunden bei Tage und bei Nacht ſehr viele hygrometriſche Beobachtungen gemacht, die mittlere Feuchtigkeit der Luft gleich 86°, entſprechend der mittleren Temperatur von 27,7°. Rechnet man die Regen- monate ein, das heißt ſchätzt man den Unterſchied zwiſchen der mittleren Feuchtigkeit der trockenen Monate und der des ganzen Jahres, wie man denſelben in anderen Teilen des tropiſchen Amerikas beobachtet, ſo ergibt ſich für die Thäler

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/216>, abgerufen am 24.11.2024.