Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.treffen so auffallender Verhältnisse mußte mich auf diese Der See von Valencia, von den Indianern Tacarigua 1 Carnes tollendas; Bombax hibiscifolius.
treffen ſo auffallender Verhältniſſe mußte mich auf dieſe Der See von Valencia, von den Indianern Tacarigua 1 Carnes tollendas; Bombax hibiscifolius.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="201"/> treffen ſo auffallender Verhältniſſe mußte mich auf dieſe<lb/> Thäler aufmerkſam machen, in denen die wilden Reize der<lb/> Natur und der liebliche Eindruck fleißigen Anbaues und der<lb/> Künſte einer erwachenden Kultur ſich vereinigen.</p><lb/> <p>Der See von Valencia, von den Indianern Tacarigua<lb/> genannt, iſt größer als der Neuenburger See in der Schweiz;<lb/> im Umriß aber hat er Aehnlichkeit mit dem Genfer See, der<lb/> auch faſt gleich hoch über dem Meere liegt. Da in den<lb/> Thälern von Aragua der Boden nach Süd und Weſt fällt,<lb/> ſo liegt der Teil des Beckens, der unter Waſſer geblieben iſt,<lb/> zunächſt der ſüdlichen Bergkette von Guigue, Yusma und dem<lb/> Guacimo, die den hohen Savannen von Ocumare zuſtreicht.<lb/> Die einander gegenüberliegenden Ufer des Sees ſtechen auf-<lb/> fallend voneinander ab. Das ſüdliche iſt wüſte, kahl, faſt<lb/> gar nicht bewohnt, eine hohe Gebirgswand gibt ihm ein<lb/> finſteres, einförmiges Anſehen; das nördliche dagegen iſt eine<lb/> liebliche Landſchaft mit reichen Zucker-, Kaffee- und Baum-<lb/> wollenpflanzungen. Mit Ceſtrum, Azedarac und anderen<lb/> immerblühenden Sträuchern eingefaßte Wege laufen über die<lb/> Ebene und verbinden die zerſtreuten Höfe. Jedes Haus iſt<lb/> von Bäumen umgeben. Der Ceiba mit großen gelben <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Carnes tollendas; Bombax hibiscifolius.</hi></note> und<lb/> die Erithryna mit purpurfarbigen Blüten, deren Aeſte ſich<lb/> verflechten, geben der Landſchaft einen eigentümlichen Cha-<lb/> rakter. Die Mannigfaltigkeit und der Glanz der vegetabili-<lb/> ſchen Farben ſticht wirkungsvoll vom eintönigen Blau des<lb/> wolkenloſen Himmels ab. In der trockenen Jahreszeit, wenn<lb/> ein wallender Dunſt über dem glühenden Boden ſchwebt,<lb/> wird das Grün und die Fruchtbarkeit durch künſtliche Be-<lb/> wäſſerung unterhalten. Hin und wieder kommt der Granit<lb/> im angebauten Land zu Tage; ungeheure Felsmaſſen ſteigen<lb/> mitten im Thale ſteil empor. An ihren nackten, zerklüfteten<lb/> Wänden wachſen einige Saftpflanzen und bilden Dammerde<lb/> für kommende Jahrhunderte. Häufig iſt oben auf dieſen ein-<lb/> zeln ſtehenden Hügeln ein Feigenbaum oder eine Cluſia mit<lb/> fleiſchigen Blättern aus den Felsritzen emporgewachſen und<lb/> beherrſcht die Landſchaft. Mit ihren dürren, abgeſtorbenen<lb/> Aeſten ſehen ſie aus wie Signalſtangen auf einer ſteilen Küſte.<lb/> An der Geſtaltung dieſer Höhen errät man, was ſie früher<lb/> waren; als noch das ganze Thal unter Waſſer ſtand und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0209]
treffen ſo auffallender Verhältniſſe mußte mich auf dieſe
Thäler aufmerkſam machen, in denen die wilden Reize der
Natur und der liebliche Eindruck fleißigen Anbaues und der
Künſte einer erwachenden Kultur ſich vereinigen.
Der See von Valencia, von den Indianern Tacarigua
genannt, iſt größer als der Neuenburger See in der Schweiz;
im Umriß aber hat er Aehnlichkeit mit dem Genfer See, der
auch faſt gleich hoch über dem Meere liegt. Da in den
Thälern von Aragua der Boden nach Süd und Weſt fällt,
ſo liegt der Teil des Beckens, der unter Waſſer geblieben iſt,
zunächſt der ſüdlichen Bergkette von Guigue, Yusma und dem
Guacimo, die den hohen Savannen von Ocumare zuſtreicht.
Die einander gegenüberliegenden Ufer des Sees ſtechen auf-
fallend voneinander ab. Das ſüdliche iſt wüſte, kahl, faſt
gar nicht bewohnt, eine hohe Gebirgswand gibt ihm ein
finſteres, einförmiges Anſehen; das nördliche dagegen iſt eine
liebliche Landſchaft mit reichen Zucker-, Kaffee- und Baum-
wollenpflanzungen. Mit Ceſtrum, Azedarac und anderen
immerblühenden Sträuchern eingefaßte Wege laufen über die
Ebene und verbinden die zerſtreuten Höfe. Jedes Haus iſt
von Bäumen umgeben. Der Ceiba mit großen gelben 1 und
die Erithryna mit purpurfarbigen Blüten, deren Aeſte ſich
verflechten, geben der Landſchaft einen eigentümlichen Cha-
rakter. Die Mannigfaltigkeit und der Glanz der vegetabili-
ſchen Farben ſticht wirkungsvoll vom eintönigen Blau des
wolkenloſen Himmels ab. In der trockenen Jahreszeit, wenn
ein wallender Dunſt über dem glühenden Boden ſchwebt,
wird das Grün und die Fruchtbarkeit durch künſtliche Be-
wäſſerung unterhalten. Hin und wieder kommt der Granit
im angebauten Land zu Tage; ungeheure Felsmaſſen ſteigen
mitten im Thale ſteil empor. An ihren nackten, zerklüfteten
Wänden wachſen einige Saftpflanzen und bilden Dammerde
für kommende Jahrhunderte. Häufig iſt oben auf dieſen ein-
zeln ſtehenden Hügeln ein Feigenbaum oder eine Cluſia mit
fleiſchigen Blättern aus den Felsritzen emporgewachſen und
beherrſcht die Landſchaft. Mit ihren dürren, abgeſtorbenen
Aeſten ſehen ſie aus wie Signalſtangen auf einer ſteilen Küſte.
An der Geſtaltung dieſer Höhen errät man, was ſie früher
waren; als noch das ganze Thal unter Waſſer ſtand und die
1 Carnes tollendas; Bombax hibiscifolius.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |