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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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runder Hügel, wie ein grün bewachsener Tumulus aussieht.
Es ist aber weder ein Hügel, noch ein Klumpen dicht bei-
sammenstehender Bäume, sondern ein einziger Baum, der be-
rühmte Zamang del Guayre, bekannt im ganzen Lande wegen
der ungeheuren Ausbreitung seiner Aeste, die eine halbkugelige
Krone von 187 m im Umfang bilden. Der Zamang ist eine
schöne Mimosenart, deren gewundene Zweige sich gabelig
teilen. Sein feines, zartes Laub hob sich angenehm vom
blauen Himmel ab. Wir blieben lange unter diesem vegeta-
bilischen Gewölbe. Der Stamm ist nur 20 m hoch und hat
3 m Durchmesser, seine Schönheit besteht aber eigentlich in
der Form der Krone. Die Aeste breiten sich aus wie ein
gewaltiger Sonnenschirm und neigen sich überall dem Boden
zu, von dem sie ringsum 4 bis 5 m abstehen. Der Umriß
der Krone ist so regelmäßig, daß ich verschiedene Durchmesser,
die ich nahm, 62 und 60 m lang fand. Die eine Seite des
Baumes war infolge der Trockenheit ganz entblättert; an
einer anderen Stelle standen noch Blätter und Blüten neben-
einander. Tillandsien, Lorantheen, die Pitahaya und andere
Schmarotzergewächse bedecken die Zweige und durchbohren die
Rinde derselben. Die Bewohner dieser Thäler, besonders die
Indianer, halten den Baum in hohen Ehren, den schon die
ersten Eroberer so ziemlich so gefunden haben mögen, wie er
jetzt vor uns steht. Seit man ihn genau beobachtet, ist er
weder dicker geworden, noch hat sich seine Gestalt sonst ver-
ändert. Dieser Zamang muß zum wenigsten so alt sein wie
der Drachenbaum bei Orotava. Der Anblick alter Bäume
hat etwas Großartiges, Imponierendes; die Beschädigung
dieser Naturdenkmäler wird daher auch in Ländern, denen es
an Kunstdenkmälern fehlt, streng bestraft. Wir hörten mit
Vergnügen, der gegenwärtige Eigentümer der Zamang habe
einen Pächter, der es gewagt, einen Zweig davon zu schnei-
den, gerichtlich verfolgt. Die Sache kam zur Verhandlung
und der Pächter wurde vom Gericht zur Strafe gezogen. Bei
Turmero und bei der Hacienda de Cura gibt es Zamang,
die einen dickeren Stamm haben als der am Guayre, aber
ihre halbkugelige Krone ist nicht so groß.

Je näher man gegen Cura und Guacara am nördlichen
Ufer des Sees kommt, desto besser angebaut und volkreicher
werden die Ebenen. Man zählt in den Thälern von Aragua
auf einem 58 km langen und 9 km breiten Landstrich über
52000 Einwohner. Dies gibt auf den Quadratkilometer an

runder Hügel, wie ein grün bewachſener Tumulus ausſieht.
Es iſt aber weder ein Hügel, noch ein Klumpen dicht bei-
ſammenſtehender Bäume, ſondern ein einziger Baum, der be-
rühmte Zamang del Guayre, bekannt im ganzen Lande wegen
der ungeheuren Ausbreitung ſeiner Aeſte, die eine halbkugelige
Krone von 187 m im Umfang bilden. Der Zamang iſt eine
ſchöne Mimoſenart, deren gewundene Zweige ſich gabelig
teilen. Sein feines, zartes Laub hob ſich angenehm vom
blauen Himmel ab. Wir blieben lange unter dieſem vegeta-
biliſchen Gewölbe. Der Stamm iſt nur 20 m hoch und hat
3 m Durchmeſſer, ſeine Schönheit beſteht aber eigentlich in
der Form der Krone. Die Aeſte breiten ſich aus wie ein
gewaltiger Sonnenſchirm und neigen ſich überall dem Boden
zu, von dem ſie ringsum 4 bis 5 m abſtehen. Der Umriß
der Krone iſt ſo regelmäßig, daß ich verſchiedene Durchmeſſer,
die ich nahm, 62 und 60 m lang fand. Die eine Seite des
Baumes war infolge der Trockenheit ganz entblättert; an
einer anderen Stelle ſtanden noch Blätter und Blüten neben-
einander. Tillandſien, Lorantheen, die Pitahaya und andere
Schmarotzergewächſe bedecken die Zweige und durchbohren die
Rinde derſelben. Die Bewohner dieſer Thäler, beſonders die
Indianer, halten den Baum in hohen Ehren, den ſchon die
erſten Eroberer ſo ziemlich ſo gefunden haben mögen, wie er
jetzt vor uns ſteht. Seit man ihn genau beobachtet, iſt er
weder dicker geworden, noch hat ſich ſeine Geſtalt ſonſt ver-
ändert. Dieſer Zamang muß zum wenigſten ſo alt ſein wie
der Drachenbaum bei Orotava. Der Anblick alter Bäume
hat etwas Großartiges, Imponierendes; die Beſchädigung
dieſer Naturdenkmäler wird daher auch in Ländern, denen es
an Kunſtdenkmälern fehlt, ſtreng beſtraft. Wir hörten mit
Vergnügen, der gegenwärtige Eigentümer der Zamang habe
einen Pächter, der es gewagt, einen Zweig davon zu ſchnei-
den, gerichtlich verfolgt. Die Sache kam zur Verhandlung
und der Pächter wurde vom Gericht zur Strafe gezogen. Bei
Turmero und bei der Hacienda de Cura gibt es Zamang,
die einen dickeren Stamm haben als der am Guayre, aber
ihre halbkugelige Krone iſt nicht ſo groß.

Je näher man gegen Cura und Guacara am nördlichen
Ufer des Sees kommt, deſto beſſer angebaut und volkreicher
werden die Ebenen. Man zählt in den Thälern von Aragua
auf einem 58 km langen und 9 km breiten Landſtrich über
52000 Einwohner. Dies gibt auf den Quadratkilometer an

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[194/0202] runder Hügel, wie ein grün bewachſener Tumulus ausſieht. Es iſt aber weder ein Hügel, noch ein Klumpen dicht bei- ſammenſtehender Bäume, ſondern ein einziger Baum, der be- rühmte Zamang del Guayre, bekannt im ganzen Lande wegen der ungeheuren Ausbreitung ſeiner Aeſte, die eine halbkugelige Krone von 187 m im Umfang bilden. Der Zamang iſt eine ſchöne Mimoſenart, deren gewundene Zweige ſich gabelig teilen. Sein feines, zartes Laub hob ſich angenehm vom blauen Himmel ab. Wir blieben lange unter dieſem vegeta- biliſchen Gewölbe. Der Stamm iſt nur 20 m hoch und hat 3 m Durchmeſſer, ſeine Schönheit beſteht aber eigentlich in der Form der Krone. Die Aeſte breiten ſich aus wie ein gewaltiger Sonnenſchirm und neigen ſich überall dem Boden zu, von dem ſie ringsum 4 bis 5 m abſtehen. Der Umriß der Krone iſt ſo regelmäßig, daß ich verſchiedene Durchmeſſer, die ich nahm, 62 und 60 m lang fand. Die eine Seite des Baumes war infolge der Trockenheit ganz entblättert; an einer anderen Stelle ſtanden noch Blätter und Blüten neben- einander. Tillandſien, Lorantheen, die Pitahaya und andere Schmarotzergewächſe bedecken die Zweige und durchbohren die Rinde derſelben. Die Bewohner dieſer Thäler, beſonders die Indianer, halten den Baum in hohen Ehren, den ſchon die erſten Eroberer ſo ziemlich ſo gefunden haben mögen, wie er jetzt vor uns ſteht. Seit man ihn genau beobachtet, iſt er weder dicker geworden, noch hat ſich ſeine Geſtalt ſonſt ver- ändert. Dieſer Zamang muß zum wenigſten ſo alt ſein wie der Drachenbaum bei Orotava. Der Anblick alter Bäume hat etwas Großartiges, Imponierendes; die Beſchädigung dieſer Naturdenkmäler wird daher auch in Ländern, denen es an Kunſtdenkmälern fehlt, ſtreng beſtraft. Wir hörten mit Vergnügen, der gegenwärtige Eigentümer der Zamang habe einen Pächter, der es gewagt, einen Zweig davon zu ſchnei- den, gerichtlich verfolgt. Die Sache kam zur Verhandlung und der Pächter wurde vom Gericht zur Strafe gezogen. Bei Turmero und bei der Hacienda de Cura gibt es Zamang, die einen dickeren Stamm haben als der am Guayre, aber ihre halbkugelige Krone iſt nicht ſo groß. Je näher man gegen Cura und Guacara am nördlichen Ufer des Sees kommt, deſto beſſer angebaut und volkreicher werden die Ebenen. Man zählt in den Thälern von Aragua auf einem 58 km langen und 9 km breiten Landſtrich über 52000 Einwohner. Dies gibt auf den Quadratkilometer an

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/202>, abgerufen am 25.11.2024.