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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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gegen Westen erscheint. Ich bezweifle, daß in den von mir
beobachteten Fällen diese beiderlei Lichtscheine sich gemengt
haben. Der Wechsel in der Lichtstärke erfolgte in bedeutenden
Höhen, das Licht war weiß, nicht farbig, ruhig, nicht zitternd.
Zudem sind Nordlichter unter den Tropen so selten sichtbar,
daß ich in fünf Jahren, so oft ich auch im Freien lag und
das Himmelsgewölbe anhaltend und sehr aufmerksam betrachtete,
nie eine Spur davon bemerken konnte.

Ueberblicke ich, was ich in Bezug auf die Zu- und Ab-
nahme des Zodiakallichtes in meinen Notizen verzeichnet habe,
so möchte ich glauben, daß diese Veränderungen doch nicht alle
scheinbar sind, noch von gewissen Vorgängen in der Atmosphäre
abhängen. Zuweilen, in ganz heiteren Nächten, suchte ich das
Zodiakallicht vergebens, während es tags zuvor sich im größten
Glanze gezeigt hatte.1 Soll man annehmen, daß Emanationen,
die das weiße Licht reflektieren, und die mit dem Schweif der
Kometen Aehnlichkeit zu haben scheinen, zu gewissen Zeiten
schwächer sind? Die Untersuchungen über den Zodiakalschein
bekommen noch mehr Interesse, seit die Mathematiker uns
bewiesen haben, daß uns die wahre Ursache der Erscheinung
unbekannt ist. Der berühmte Verfasser der mecanique celeste
hat dargethan, daß die Sonnenatmosphäre nicht einmal bis
zur Merkursbahn reichen kann, und daß sie in keinem Fall
in der Linsenform erscheinen könnte, die das Zodiakallicht
nach der Beobachtung haben muß. Es lassen sich zudem
über das Wesen dieses Lichtes dieselben Zweifel erheben, wie
über das der Kometenschweife. Ist es wirklich reflektiertes,
oder ist es direktes Licht? Hoffentlich werden reisende Natur-
forscher, welche unter die Tropen kommen, sich mit Polari-
sationsapparaten versehen, um diesen wichtigen Punkt zu
erledigen.

Am 11. Februar mit Sonnenaufgang brachen wir von
der Pflanzung Manterola auf. Der Weg führt an den lachen-
den Ufern des Tuy hin, der Morgen war kühl und feucht
und die Luft durchwürzt vom köstlichen Geruch des Pancra-
tium undulatum
und anderer großer Liliengewächse. Man
kommt durch das hübsche Dorf Mamon oder Consejo, das
in der Provinz wegen eines wunderthätigen Muttergottes-
bildes berühmt ist. Kurz vor Mamon machten wir auf einem
Hofe der Familie Monteras Halt. Eine über 100 Jahre alte

1 Mairan ist dieselbe Erscheinung in Europa aufgefallen.

gegen Weſten erſcheint. Ich bezweifle, daß in den von mir
beobachteten Fällen dieſe beiderlei Lichtſcheine ſich gemengt
haben. Der Wechſel in der Lichtſtärke erfolgte in bedeutenden
Höhen, das Licht war weiß, nicht farbig, ruhig, nicht zitternd.
Zudem ſind Nordlichter unter den Tropen ſo ſelten ſichtbar,
daß ich in fünf Jahren, ſo oft ich auch im Freien lag und
das Himmelsgewölbe anhaltend und ſehr aufmerkſam betrachtete,
nie eine Spur davon bemerken konnte.

Ueberblicke ich, was ich in Bezug auf die Zu- und Ab-
nahme des Zodiakallichtes in meinen Notizen verzeichnet habe,
ſo möchte ich glauben, daß dieſe Veränderungen doch nicht alle
ſcheinbar ſind, noch von gewiſſen Vorgängen in der Atmoſphäre
abhängen. Zuweilen, in ganz heiteren Nächten, ſuchte ich das
Zodiakallicht vergebens, während es tags zuvor ſich im größten
Glanze gezeigt hatte.1 Soll man annehmen, daß Emanationen,
die das weiße Licht reflektieren, und die mit dem Schweif der
Kometen Aehnlichkeit zu haben ſcheinen, zu gewiſſen Zeiten
ſchwächer ſind? Die Unterſuchungen über den Zodiakalſchein
bekommen noch mehr Intereſſe, ſeit die Mathematiker uns
bewieſen haben, daß uns die wahre Urſache der Erſcheinung
unbekannt iſt. Der berühmte Verfaſſer der mécanique céleste
hat dargethan, daß die Sonnenatmoſphäre nicht einmal bis
zur Merkursbahn reichen kann, und daß ſie in keinem Fall
in der Linſenform erſcheinen könnte, die das Zodiakallicht
nach der Beobachtung haben muß. Es laſſen ſich zudem
über das Weſen dieſes Lichtes dieſelben Zweifel erheben, wie
über das der Kometenſchweife. Iſt es wirklich reflektiertes,
oder iſt es direktes Licht? Hoffentlich werden reiſende Natur-
forſcher, welche unter die Tropen kommen, ſich mit Polari-
ſationsapparaten verſehen, um dieſen wichtigen Punkt zu
erledigen.

Am 11. Februar mit Sonnenaufgang brachen wir von
der Pflanzung Manterola auf. Der Weg führt an den lachen-
den Ufern des Tuy hin, der Morgen war kühl und feucht
und die Luft durchwürzt vom köſtlichen Geruch des Pancra-
tium undulatum
und anderer großer Liliengewächſe. Man
kommt durch das hübſche Dorf Mamon oder Conſejo, das
in der Provinz wegen eines wunderthätigen Muttergottes-
bildes berühmt iſt. Kurz vor Mamon machten wir auf einem
Hofe der Familie Monteras Halt. Eine über 100 Jahre alte

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[185/0193] gegen Weſten erſcheint. Ich bezweifle, daß in den von mir beobachteten Fällen dieſe beiderlei Lichtſcheine ſich gemengt haben. Der Wechſel in der Lichtſtärke erfolgte in bedeutenden Höhen, das Licht war weiß, nicht farbig, ruhig, nicht zitternd. Zudem ſind Nordlichter unter den Tropen ſo ſelten ſichtbar, daß ich in fünf Jahren, ſo oft ich auch im Freien lag und das Himmelsgewölbe anhaltend und ſehr aufmerkſam betrachtete, nie eine Spur davon bemerken konnte. Ueberblicke ich, was ich in Bezug auf die Zu- und Ab- nahme des Zodiakallichtes in meinen Notizen verzeichnet habe, ſo möchte ich glauben, daß dieſe Veränderungen doch nicht alle ſcheinbar ſind, noch von gewiſſen Vorgängen in der Atmoſphäre abhängen. Zuweilen, in ganz heiteren Nächten, ſuchte ich das Zodiakallicht vergebens, während es tags zuvor ſich im größten Glanze gezeigt hatte. 1 Soll man annehmen, daß Emanationen, die das weiße Licht reflektieren, und die mit dem Schweif der Kometen Aehnlichkeit zu haben ſcheinen, zu gewiſſen Zeiten ſchwächer ſind? Die Unterſuchungen über den Zodiakalſchein bekommen noch mehr Intereſſe, ſeit die Mathematiker uns bewieſen haben, daß uns die wahre Urſache der Erſcheinung unbekannt iſt. Der berühmte Verfaſſer der mécanique céleste hat dargethan, daß die Sonnenatmoſphäre nicht einmal bis zur Merkursbahn reichen kann, und daß ſie in keinem Fall in der Linſenform erſcheinen könnte, die das Zodiakallicht nach der Beobachtung haben muß. Es laſſen ſich zudem über das Weſen dieſes Lichtes dieſelben Zweifel erheben, wie über das der Kometenſchweife. Iſt es wirklich reflektiertes, oder iſt es direktes Licht? Hoffentlich werden reiſende Natur- forſcher, welche unter die Tropen kommen, ſich mit Polari- ſationsapparaten verſehen, um dieſen wichtigen Punkt zu erledigen. Am 11. Februar mit Sonnenaufgang brachen wir von der Pflanzung Manterola auf. Der Weg führt an den lachen- den Ufern des Tuy hin, der Morgen war kühl und feucht und die Luft durchwürzt vom köſtlichen Geruch des Pancra- tium undulatum und anderer großer Liliengewächſe. Man kommt durch das hübſche Dorf Mamon oder Conſejo, das in der Provinz wegen eines wunderthätigen Muttergottes- bildes berühmt iſt. Kurz vor Mamon machten wir auf einem Hofe der Familie Monteras Halt. Eine über 100 Jahre alte 1 Mairan iſt dieſelbe Erſcheinung in Europa aufgefallen.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/193>, abgerufen am 24.11.2024.