Nachbarn. Sie wohnt entlang dem hohen Gebirge des Cocollar und Guacharo an den Ufern des Guarapiche, des Rio Colo- rado, des Areo und des Canno de Caripe. Nach der genauen statistischen Aufnahme des Paters Präfekten zählte man im Jahre 1792 in den Missionen der aragonesischen Kapuziner in Cumana neunzehn Missionsdörfer; das jüngste ist von 1728, und sie zählten 6433 Einwohner in 1465 Haushal- tungen; sechzehn Dörfer de doctrina; das älteste ist von 1660, und sie hatten 8170 Einwohner in 1766 Familien.
Diese Missionen hatten in den Jahren 1681, 1697 und 1720 viel zu leiden; die damals noch unabhängigen Kariben machten Einfälle und brannten ganze Dörfer nieder. Zwischen den Jahren 1730 und 1736 ging die Bevölkerung zurück in- folge der Verheerungen durch die Blattern, die der kupfer- farbigen Rasse immer verderblicher sind als den Weißen. Viele Guaraunen, die bereits angesiedelt waren, entliefen wieder in ihre Sümpfe. Vierzehn alte Missionen blieben wüste liegen oder wurden nicht wieder aufgebaut.
Die Chaymas sind meist von kleinem Wuchse; dies fällt namentlich auf, wenn man sie nicht mit ihren Nachbarn, den Kariben, oder den Payaguas und Guayquilit in Paraguay, die sich alle durch hohen Wuchs auszeichnen, sondern nur mit den Eingeborenen Amerikas im Durchschnitt vergleicht. Die Mittelgröße eines Chaymas beträgt 1 m 57 cm. Ihr Körper ist gedrungen, untersetzt, die Schultern sind sehr breit, die Brust flach, alle Glieder rund und fleischig. Ihre Hautfarbe ist die der ganzen amerikanischen Rasse von den kalten Hoch- ebenen Quitos und Neugranadas bis herab zu den heißen Tiefländern am Amazonenstrom. Die klimatischen Unterschiede äußern keinen Einfluß mehr auf dieselbe; sie ist durch orga- nische Verhältnisse bedingt, die sich seit Jahrhunderten unab- änderlich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzen. Gegen Nord wird die gleichförmige Hautfarbe röter, dem Kupfer ähnlicher; bei dem Chaymas dagegen ist sie dunkelbraun und nähert sich dem Lohfarbigen. Der Ausdruck "kupferfarbige Menschen" zur Bezeichnung der Eingeborenen wäre im tropischen Amerika niemals aufgekommen.
Der Gesichtsausdruck der Chaymas ist nicht eben hart und wild, hat aber doch etwas Ernstes, Finsteres. Die Stirn ist klein, wenig gewölbt; daher heißt es auch in mehreren Sprachen dieses Landstriches von einem schönen Weibe, "sie sei fett und habe eine schmale Stirne". Die Augen der
Nachbarn. Sie wohnt entlang dem hohen Gebirge des Cocollar und Guacharo an den Ufern des Guarapiche, des Rio Colo- rado, des Areo und des Caño de Caripe. Nach der genauen ſtatiſtiſchen Aufnahme des Paters Präfekten zählte man im Jahre 1792 in den Miſſionen der aragoneſiſchen Kapuziner in Cumana neunzehn Miſſionsdörfer; das jüngſte iſt von 1728, und ſie zählten 6433 Einwohner in 1465 Haushal- tungen; ſechzehn Dörfer de doctrina; das älteſte iſt von 1660, und ſie hatten 8170 Einwohner in 1766 Familien.
Dieſe Miſſionen hatten in den Jahren 1681, 1697 und 1720 viel zu leiden; die damals noch unabhängigen Kariben machten Einfälle und brannten ganze Dörfer nieder. Zwiſchen den Jahren 1730 und 1736 ging die Bevölkerung zurück in- folge der Verheerungen durch die Blattern, die der kupfer- farbigen Raſſe immer verderblicher ſind als den Weißen. Viele Guaraunen, die bereits angeſiedelt waren, entliefen wieder in ihre Sümpfe. Vierzehn alte Miſſionen blieben wüſte liegen oder wurden nicht wieder aufgebaut.
Die Chaymas ſind meiſt von kleinem Wuchſe; dies fällt namentlich auf, wenn man ſie nicht mit ihren Nachbarn, den Kariben, oder den Payaguas und Guayquilit in Paraguay, die ſich alle durch hohen Wuchs auszeichnen, ſondern nur mit den Eingeborenen Amerikas im Durchſchnitt vergleicht. Die Mittelgröße eines Chaymas beträgt 1 m 57 cm. Ihr Körper iſt gedrungen, unterſetzt, die Schultern ſind ſehr breit, die Bruſt flach, alle Glieder rund und fleiſchig. Ihre Hautfarbe iſt die der ganzen amerikaniſchen Raſſe von den kalten Hoch- ebenen Quitos und Neugranadas bis herab zu den heißen Tiefländern am Amazonenſtrom. Die klimatiſchen Unterſchiede äußern keinen Einfluß mehr auf dieſelbe; ſie iſt durch orga- niſche Verhältniſſe bedingt, die ſich ſeit Jahrhunderten unab- änderlich von Geſchlecht zu Geſchlecht fortpflanzen. Gegen Nord wird die gleichförmige Hautfarbe röter, dem Kupfer ähnlicher; bei dem Chaymas dagegen iſt ſie dunkelbraun und nähert ſich dem Lohfarbigen. Der Ausdruck „kupferfarbige Menſchen“ zur Bezeichnung der Eingeborenen wäre im tropiſchen Amerika niemals aufgekommen.
Der Geſichtsausdruck der Chaymas iſt nicht eben hart und wild, hat aber doch etwas Ernſtes, Finſteres. Die Stirn iſt klein, wenig gewölbt; daher heißt es auch in mehreren Sprachen dieſes Landſtriches von einem ſchönen Weibe, „ſie ſei fett und habe eine ſchmale Stirne“. Die Augen der
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Nachbarn. Sie wohnt entlang dem hohen Gebirge des Cocollar
und Guacharo an den Ufern des Guarapiche, des Rio Colo-
rado, des Areo und des Caño de Caripe. Nach der genauen
ſtatiſtiſchen Aufnahme des Paters Präfekten zählte man im
Jahre 1792 in den Miſſionen der aragoneſiſchen Kapuziner
in Cumana neunzehn Miſſionsdörfer; das jüngſte iſt von
1728, und ſie zählten 6433 Einwohner in 1465 Haushal-
tungen; ſechzehn Dörfer de doctrina; das älteſte iſt von 1660,
und ſie hatten 8170 Einwohner in 1766 Familien.
Dieſe Miſſionen hatten in den Jahren 1681, 1697 und
1720 viel zu leiden; die damals noch unabhängigen Kariben
machten Einfälle und brannten ganze Dörfer nieder. Zwiſchen
den Jahren 1730 und 1736 ging die Bevölkerung zurück in-
folge der Verheerungen durch die Blattern, die der kupfer-
farbigen Raſſe immer verderblicher ſind als den Weißen.
Viele Guaraunen, die bereits angeſiedelt waren, entliefen
wieder in ihre Sümpfe. Vierzehn alte Miſſionen blieben
wüſte liegen oder wurden nicht wieder aufgebaut.
Die Chaymas ſind meiſt von kleinem Wuchſe; dies fällt
namentlich auf, wenn man ſie nicht mit ihren Nachbarn, den
Kariben, oder den Payaguas und Guayquilit in Paraguay,
die ſich alle durch hohen Wuchs auszeichnen, ſondern nur mit
den Eingeborenen Amerikas im Durchſchnitt vergleicht. Die
Mittelgröße eines Chaymas beträgt 1 m 57 cm. Ihr Körper
iſt gedrungen, unterſetzt, die Schultern ſind ſehr breit, die
Bruſt flach, alle Glieder rund und fleiſchig. Ihre Hautfarbe
iſt die der ganzen amerikaniſchen Raſſe von den kalten Hoch-
ebenen Quitos und Neugranadas bis herab zu den heißen
Tiefländern am Amazonenſtrom. Die klimatiſchen Unterſchiede
äußern keinen Einfluß mehr auf dieſelbe; ſie iſt durch orga-
niſche Verhältniſſe bedingt, die ſich ſeit Jahrhunderten unab-
änderlich von Geſchlecht zu Geſchlecht fortpflanzen. Gegen
Nord wird die gleichförmige Hautfarbe röter, dem Kupfer
ähnlicher; bei dem Chaymas dagegen iſt ſie dunkelbraun und
nähert ſich dem Lohfarbigen. Der Ausdruck „kupferfarbige
Menſchen“ zur Bezeichnung der Eingeborenen wäre im tropiſchen
Amerika niemals aufgekommen.
Der Geſichtsausdruck der Chaymas iſt nicht eben hart
und wild, hat aber doch etwas Ernſtes, Finſteres. Die Stirn
iſt klein, wenig gewölbt; daher heißt es auch in mehreren
Sprachen dieſes Landſtriches von einem ſchönen Weibe, „ſie
ſei fett und habe eine ſchmale Stirne“. Die Augen der
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/19>, abgerufen am 16.07.2024.
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