Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

welche in der Pflanzung selbst im Schatten aufgewachsen
sind. Man setzt hierzulande gewöhnlich 5300 Bäume auf die
Vanega, die gleich ist 2,08 ha. Ein solches Grundstück kostet,
wenn es sich bewässern läßt, im nördlichen Teile der Provinz
500 Piaster. Der Kaffeebaum blüht erst im zweiten Jahre
und die Blüte währt nur 24 Stunden. In dieser Zeit nimmt
sich der kleine Baum sehr gut aus; von weitem meint man,
er sei beschneit. Im dritten Jahre ist die Ernte bereits sehr
reich. In gut gejäteten und bewässerten Pflanzungen auf
frisch umgebrochenem Boden gibt es ausgewachsene Bäume,
die 8, 9, sogar 10 kg Kaffee tragen; indessen darf man nur
1 1/2 bis 2 Pfund auf den Stamm rechnen, und dieser durch-
schnittliche Ertrag ist schon größer als auf den Antillen. Der
Regen, wenn er in die Blütezeit fällt, der Mangel an Wasser
zum Ueberrieseln und ein Schmarotzergewächs, eine neue Art
Loranthus, das sich an den Zweigen ansetzt, richten großen
Schaden in den Kaffeepflanzungen an. Auf Pflanzungen von
8000 bis 10000 Stämmen gibt die fleischige Beere des Kaffee-
baumes eine ungeheure Masse organischen Stoffes, und man
muß sich wundern, daß man nie versucht hat, Alkohol daraus
zu gewinnen.

Wenn auch die Unruhen auf San Domingo, der augen-
blickliche Aufschlag der Kolonialwaren und die Auswanderung
der französischen Pflanzer den ersten Anlaß zum Bau des
Kaffees auf dem Festlande von Amerika, auf Cuba und Ja-
maika gaben, so hat doch, was sie an Kaffee geliefert, keines-
wegs bloß das Defizit gedeckt, das dadurch entstanden war,
daß die französischen Antillen nichts mehr ausführten. Dieser
Ertrag steigerte sich, je mehr die Bevölkerung und bei ver-
änderter Lebensweise der Luxus bei den europäischen Völkern
zunahmen. Zu Neckers Zeit im Jahre 1780 führte San
Domingo gegen 38000000 kg Kaffee aus. Im Jahre 1817
und den drei folgenden Jahren war die Ausfuhr, nach Colqu-
houn, noch 18000000 kg. Der Kaffeebau ist nicht so müh-
sam und kostspielig als der Bau des Zuckerrohres und hat
unter dem Regiment der Schwarzen nicht so sehr gelitten als
letzterer. Das sich ergebende Defizit von 20000000 kg wird
nun von Jamaika, Cuba, Surinam, Demerary, Barbice,
Curacao, Venezuela und der Insel Java weit mehr als ge-
deckt, indem alle zusammen 37950000 kg erzeugen.

Die Gesamteinfuhr von Kaffee aus Amerika nach Europa
übersteigt jetzt 53000000 kg französischen Markgewichtes.

welche in der Pflanzung ſelbſt im Schatten aufgewachſen
ſind. Man ſetzt hierzulande gewöhnlich 5300 Bäume auf die
Vanega, die gleich iſt 2,08 ha. Ein ſolches Grundſtück koſtet,
wenn es ſich bewäſſern läßt, im nördlichen Teile der Provinz
500 Piaſter. Der Kaffeebaum blüht erſt im zweiten Jahre
und die Blüte währt nur 24 Stunden. In dieſer Zeit nimmt
ſich der kleine Baum ſehr gut aus; von weitem meint man,
er ſei beſchneit. Im dritten Jahre iſt die Ernte bereits ſehr
reich. In gut gejäteten und bewäſſerten Pflanzungen auf
friſch umgebrochenem Boden gibt es ausgewachſene Bäume,
die 8, 9, ſogar 10 kg Kaffee tragen; indeſſen darf man nur
1 ½ bis 2 Pfund auf den Stamm rechnen, und dieſer durch-
ſchnittliche Ertrag iſt ſchon größer als auf den Antillen. Der
Regen, wenn er in die Blütezeit fällt, der Mangel an Waſſer
zum Ueberrieſeln und ein Schmarotzergewächs, eine neue Art
Loranthus, das ſich an den Zweigen anſetzt, richten großen
Schaden in den Kaffeepflanzungen an. Auf Pflanzungen von
8000 bis 10000 Stämmen gibt die fleiſchige Beere des Kaffee-
baumes eine ungeheure Maſſe organiſchen Stoffes, und man
muß ſich wundern, daß man nie verſucht hat, Alkohol daraus
zu gewinnen.

Wenn auch die Unruhen auf San Domingo, der augen-
blickliche Aufſchlag der Kolonialwaren und die Auswanderung
der franzöſiſchen Pflanzer den erſten Anlaß zum Bau des
Kaffees auf dem Feſtlande von Amerika, auf Cuba und Ja-
maika gaben, ſo hat doch, was ſie an Kaffee geliefert, keines-
wegs bloß das Defizit gedeckt, das dadurch entſtanden war,
daß die franzöſiſchen Antillen nichts mehr ausführten. Dieſer
Ertrag ſteigerte ſich, je mehr die Bevölkerung und bei ver-
änderter Lebensweiſe der Luxus bei den europäiſchen Völkern
zunahmen. Zu Neckers Zeit im Jahre 1780 führte San
Domingo gegen 38000000 kg Kaffee aus. Im Jahre 1817
und den drei folgenden Jahren war die Ausfuhr, nach Colqu-
houn, noch 18000000 kg. Der Kaffeebau iſt nicht ſo müh-
ſam und koſtſpielig als der Bau des Zuckerrohres und hat
unter dem Regiment der Schwarzen nicht ſo ſehr gelitten als
letzterer. Das ſich ergebende Defizit von 20000000 kg wird
nun von Jamaika, Cuba, Surinam, Demerary, Barbice,
Curaçao, Venezuela und der Inſel Java weit mehr als ge-
deckt, indem alle zuſammen 37950000 kg erzeugen.

Die Geſamteinfuhr von Kaffee aus Amerika nach Europa
überſteigt jetzt 53000000 kg franzöſiſchen Markgewichtes.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0181" n="173"/>
welche in der Pflanzung &#x017F;elb&#x017F;t im Schatten aufgewach&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ind. Man &#x017F;etzt hierzulande gewöhnlich 5300 Bäume auf die<lb/><hi rendition="#g">Vanega</hi>, die gleich i&#x017F;t 2,08 <hi rendition="#aq">ha.</hi> Ein &#x017F;olches Grund&#x017F;tück ko&#x017F;tet,<lb/>
wenn es &#x017F;ich bewä&#x017F;&#x017F;ern läßt, im nördlichen Teile der Provinz<lb/>
500 Pia&#x017F;ter. Der Kaffeebaum blüht er&#x017F;t im zweiten Jahre<lb/>
und die Blüte währt nur 24 Stunden. In die&#x017F;er Zeit nimmt<lb/>
&#x017F;ich der kleine Baum &#x017F;ehr gut aus; von weitem meint man,<lb/>
er &#x017F;ei be&#x017F;chneit. Im dritten Jahre i&#x017F;t die Ernte bereits &#x017F;ehr<lb/>
reich. In gut gejäteten und bewä&#x017F;&#x017F;erten Pflanzungen auf<lb/>
fri&#x017F;ch umgebrochenem Boden gibt es ausgewach&#x017F;ene Bäume,<lb/>
die 8, 9, &#x017F;ogar 10 <hi rendition="#aq">kg</hi> Kaffee tragen; inde&#x017F;&#x017F;en darf man nur<lb/>
1 ½ bis 2 Pfund auf den Stamm rechnen, und die&#x017F;er durch-<lb/>
&#x017F;chnittliche Ertrag i&#x017F;t &#x017F;chon größer als auf den Antillen. Der<lb/>
Regen, wenn er in die Blütezeit fällt, der Mangel an Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
zum Ueberrie&#x017F;eln und ein Schmarotzergewächs, eine neue Art<lb/>
Loranthus, das &#x017F;ich an den Zweigen an&#x017F;etzt, richten großen<lb/>
Schaden in den Kaffeepflanzungen an. Auf Pflanzungen von<lb/>
8000 bis 10000 Stämmen gibt die flei&#x017F;chige Beere des Kaffee-<lb/>
baumes eine ungeheure Ma&#x017F;&#x017F;e organi&#x017F;chen Stoffes, und man<lb/>
muß &#x017F;ich wundern, daß man nie ver&#x017F;ucht hat, Alkohol daraus<lb/>
zu gewinnen.</p><lb/>
          <p>Wenn auch die Unruhen auf San Domingo, der augen-<lb/>
blickliche Auf&#x017F;chlag der Kolonialwaren und die Auswanderung<lb/>
der franzö&#x017F;i&#x017F;chen Pflanzer den er&#x017F;ten Anlaß zum Bau des<lb/>
Kaffees auf dem Fe&#x017F;tlande von Amerika, auf Cuba und Ja-<lb/>
maika gaben, &#x017F;o hat doch, was &#x017F;ie an Kaffee geliefert, keines-<lb/>
wegs bloß das Defizit gedeckt, das dadurch ent&#x017F;tanden war,<lb/>
daß die franzö&#x017F;i&#x017F;chen Antillen nichts mehr ausführten. Die&#x017F;er<lb/>
Ertrag &#x017F;teigerte &#x017F;ich, je mehr die Bevölkerung und bei ver-<lb/>
änderter Lebenswei&#x017F;e der Luxus bei den europäi&#x017F;chen Völkern<lb/>
zunahmen. Zu Neckers Zeit im Jahre 1780 führte San<lb/>
Domingo gegen 38000000 <hi rendition="#aq">kg</hi> Kaffee aus. Im Jahre 1817<lb/>
und den drei folgenden Jahren war die Ausfuhr, nach Colqu-<lb/>
houn, noch 18000000 <hi rendition="#aq">kg.</hi> Der Kaffeebau i&#x017F;t nicht &#x017F;o müh-<lb/>
&#x017F;am und ko&#x017F;t&#x017F;pielig als der Bau des Zuckerrohres und hat<lb/>
unter dem Regiment der Schwarzen nicht &#x017F;o &#x017F;ehr gelitten als<lb/>
letzterer. Das &#x017F;ich ergebende Defizit von 20000000 <hi rendition="#aq">kg</hi> wird<lb/>
nun von Jamaika, Cuba, Surinam, Demerary, Barbice,<lb/>
Cura<hi rendition="#aq">ç</hi>ao, Venezuela und der In&#x017F;el Java weit mehr als ge-<lb/>
deckt, indem alle zu&#x017F;ammen 37950000 <hi rendition="#aq">kg</hi> erzeugen.</p><lb/>
          <p>Die Ge&#x017F;amteinfuhr von Kaffee aus Amerika nach Europa<lb/>
über&#x017F;teigt jetzt 53000000 <hi rendition="#aq">kg</hi> franzö&#x017F;i&#x017F;chen Markgewichtes.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[173/0181] welche in der Pflanzung ſelbſt im Schatten aufgewachſen ſind. Man ſetzt hierzulande gewöhnlich 5300 Bäume auf die Vanega, die gleich iſt 2,08 ha. Ein ſolches Grundſtück koſtet, wenn es ſich bewäſſern läßt, im nördlichen Teile der Provinz 500 Piaſter. Der Kaffeebaum blüht erſt im zweiten Jahre und die Blüte währt nur 24 Stunden. In dieſer Zeit nimmt ſich der kleine Baum ſehr gut aus; von weitem meint man, er ſei beſchneit. Im dritten Jahre iſt die Ernte bereits ſehr reich. In gut gejäteten und bewäſſerten Pflanzungen auf friſch umgebrochenem Boden gibt es ausgewachſene Bäume, die 8, 9, ſogar 10 kg Kaffee tragen; indeſſen darf man nur 1 ½ bis 2 Pfund auf den Stamm rechnen, und dieſer durch- ſchnittliche Ertrag iſt ſchon größer als auf den Antillen. Der Regen, wenn er in die Blütezeit fällt, der Mangel an Waſſer zum Ueberrieſeln und ein Schmarotzergewächs, eine neue Art Loranthus, das ſich an den Zweigen anſetzt, richten großen Schaden in den Kaffeepflanzungen an. Auf Pflanzungen von 8000 bis 10000 Stämmen gibt die fleiſchige Beere des Kaffee- baumes eine ungeheure Maſſe organiſchen Stoffes, und man muß ſich wundern, daß man nie verſucht hat, Alkohol daraus zu gewinnen. Wenn auch die Unruhen auf San Domingo, der augen- blickliche Aufſchlag der Kolonialwaren und die Auswanderung der franzöſiſchen Pflanzer den erſten Anlaß zum Bau des Kaffees auf dem Feſtlande von Amerika, auf Cuba und Ja- maika gaben, ſo hat doch, was ſie an Kaffee geliefert, keines- wegs bloß das Defizit gedeckt, das dadurch entſtanden war, daß die franzöſiſchen Antillen nichts mehr ausführten. Dieſer Ertrag ſteigerte ſich, je mehr die Bevölkerung und bei ver- änderter Lebensweiſe der Luxus bei den europäiſchen Völkern zunahmen. Zu Neckers Zeit im Jahre 1780 führte San Domingo gegen 38000000 kg Kaffee aus. Im Jahre 1817 und den drei folgenden Jahren war die Ausfuhr, nach Colqu- houn, noch 18000000 kg. Der Kaffeebau iſt nicht ſo müh- ſam und koſtſpielig als der Bau des Zuckerrohres und hat unter dem Regiment der Schwarzen nicht ſo ſehr gelitten als letzterer. Das ſich ergebende Defizit von 20000000 kg wird nun von Jamaika, Cuba, Surinam, Demerary, Barbice, Curaçao, Venezuela und der Inſel Java weit mehr als ge- deckt, indem alle zuſammen 37950000 kg erzeugen. Die Geſamteinfuhr von Kaffee aus Amerika nach Europa überſteigt jetzt 53000000 kg franzöſiſchen Markgewichtes.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/181
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/181>, abgerufen am 22.11.2024.