die ganze Provinz Caracas zur Zeit ihrer höchsten Blüte vor den Revolutionskriegen bereits 50000 bis 60000 Zentner Kaffee erzeugte. Dieser Ertrag, der den Ernten von Guade- loupe und Martinique zusammen fast gleichkommt, muß desto bedeutender erscheinen, da erst im Jahre 1784 ein achtbarer Bürger, Don Bartolomeo Blandin, die ersten Versuche mit dem Kaffeebau auf der Küste von Terra Firma gemacht hatte. Die schönsten Kaffeepflanzungen sind jetzt in der Savanne von Ocumare bei Salamanca und in Rincon, sowie im bergigen Lande los Mariches, San Antonio Hatillo und Los Budares. Der Kaffee von den drei letztgenannten, ostwärts von Caracas gelegenen Orten ist von vorzüglicher Güte; aber die Sträucher tragen dort weniger, was man der hohen Lage und dem kühlen Klima zuschreibt. Die großen Pflanzungen in der Provinz Venezuela, wie Aguacates bei Valencia und El Rincon, geben in guten Jahren Ernten von 3000 Zentnern. Im Jahre 1786 betrug die Gesamtausfuhr der Provinz nicht mehr als 4800 Zentner, im Jahre 1804 10000 Zentner; sie hatte indessen schon im Jahre 1789 begonnen. Die Preise schwankten zwischen 6 und 18 Piastern der Zentner. In der Havana sah man denselben auf 3 Piaster fallen; zu jener für die Kolonisten so unheilvollen Zeit, in den Jahren 1810 und 1812, lagen aber auch über zwei Millionen Zentner Kaffee (im Werte von zehn Millionen Pfund Sterling) in den eng- lischen Magazinen.
Die große Vorliebe, die man in dieser Provinz für den Kaffeebau hat, rührt zum Teil daher, daß die Bohne sich viele Jahre hält, während der Kakao, trotz aller Sorgfalt, nach zehn Monaten oder einem Jahre in den Magazinen ver- dirbt. Während der langen Kriege zwischen den europäischen Mächten, wo das Mutterland zu schwach war, um den Handel seiner Kolonieen zu schützen, mußte sich die Industrie vorzugs- weise auf ein Produkt werfen, das nicht schnell abgesetzt werden muß und bei dem man alle politischen und Handels- konjunkturen abwarten kann. In den Kaffeepflanzungen von Caracas nimmt man, wie ich gesehen, zum Versetzen nicht leicht die jungen Pflanzen, die zufällig unter den tragenden Bäumen aufwachsen; man läßt vielmehr die Bohnen, getrennt von der Beere, aber doch noch mit einem Teile des Fleisches daran, in Haufen zwischen Bananenblättern fünf Tage lang keimen und steckt sofort den gekeimten Samen. Die so ge- zogenen Pflanzen widerstehen der Sonnenhitze besser als die,
die ganze Provinz Caracas zur Zeit ihrer höchſten Blüte vor den Revolutionskriegen bereits 50000 bis 60000 Zentner Kaffee erzeugte. Dieſer Ertrag, der den Ernten von Guade- loupe und Martinique zuſammen faſt gleichkommt, muß deſto bedeutender erſcheinen, da erſt im Jahre 1784 ein achtbarer Bürger, Don Bartolomeo Blandin, die erſten Verſuche mit dem Kaffeebau auf der Küſte von Terra Firma gemacht hatte. Die ſchönſten Kaffeepflanzungen ſind jetzt in der Savanne von Ocumare bei Salamanca und in Rincon, ſowie im bergigen Lande los Mariches, San Antonio Hatillo und Los Budares. Der Kaffee von den drei letztgenannten, oſtwärts von Caracas gelegenen Orten iſt von vorzüglicher Güte; aber die Sträucher tragen dort weniger, was man der hohen Lage und dem kühlen Klima zuſchreibt. Die großen Pflanzungen in der Provinz Venezuela, wie Aguacates bei Valencia und El Rincon, geben in guten Jahren Ernten von 3000 Zentnern. Im Jahre 1786 betrug die Geſamtausfuhr der Provinz nicht mehr als 4800 Zentner, im Jahre 1804 10000 Zentner; ſie hatte indeſſen ſchon im Jahre 1789 begonnen. Die Preiſe ſchwankten zwiſchen 6 und 18 Piaſtern der Zentner. In der Havana ſah man denſelben auf 3 Piaſter fallen; zu jener für die Koloniſten ſo unheilvollen Zeit, in den Jahren 1810 und 1812, lagen aber auch über zwei Millionen Zentner Kaffee (im Werte von zehn Millionen Pfund Sterling) in den eng- liſchen Magazinen.
Die große Vorliebe, die man in dieſer Provinz für den Kaffeebau hat, rührt zum Teil daher, daß die Bohne ſich viele Jahre hält, während der Kakao, trotz aller Sorgfalt, nach zehn Monaten oder einem Jahre in den Magazinen ver- dirbt. Während der langen Kriege zwiſchen den europäiſchen Mächten, wo das Mutterland zu ſchwach war, um den Handel ſeiner Kolonieen zu ſchützen, mußte ſich die Induſtrie vorzugs- weiſe auf ein Produkt werfen, das nicht ſchnell abgeſetzt werden muß und bei dem man alle politiſchen und Handels- konjunkturen abwarten kann. In den Kaffeepflanzungen von Caracas nimmt man, wie ich geſehen, zum Verſetzen nicht leicht die jungen Pflanzen, die zufällig unter den tragenden Bäumen aufwachſen; man läßt vielmehr die Bohnen, getrennt von der Beere, aber doch noch mit einem Teile des Fleiſches daran, in Haufen zwiſchen Bananenblättern fünf Tage lang keimen und ſteckt ſofort den gekeimten Samen. Die ſo ge- zogenen Pflanzen widerſtehen der Sonnenhitze beſſer als die,
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die ganze Provinz Caracas zur Zeit ihrer höchſten Blüte vor
den Revolutionskriegen bereits 50000 bis 60000 Zentner
Kaffee erzeugte. Dieſer Ertrag, der den Ernten von Guade-
loupe und Martinique zuſammen faſt gleichkommt, muß deſto
bedeutender erſcheinen, da erſt im Jahre 1784 ein achtbarer
Bürger, Don Bartolomeo Blandin, die erſten Verſuche mit
dem Kaffeebau auf der Küſte von Terra Firma gemacht hatte.
Die ſchönſten Kaffeepflanzungen ſind jetzt in der Savanne
von Ocumare bei Salamanca und in Rincon, ſowie im bergigen
Lande los Mariches, San Antonio Hatillo und Los Budares.
Der Kaffee von den drei letztgenannten, oſtwärts von Caracas
gelegenen Orten iſt von vorzüglicher Güte; aber die Sträucher
tragen dort weniger, was man der hohen Lage und dem
kühlen Klima zuſchreibt. Die großen Pflanzungen in der
Provinz Venezuela, wie Aguacates bei Valencia und El Rincon,
geben in guten Jahren Ernten von 3000 Zentnern. Im
Jahre 1786 betrug die Geſamtausfuhr der Provinz nicht
mehr als 4800 Zentner, im Jahre 1804 10000 Zentner;
ſie hatte indeſſen ſchon im Jahre 1789 begonnen. Die Preiſe
ſchwankten zwiſchen 6 und 18 Piaſtern der Zentner. In der
Havana ſah man denſelben auf 3 Piaſter fallen; zu jener für
die Koloniſten ſo unheilvollen Zeit, in den Jahren 1810 und
1812, lagen aber auch über zwei Millionen Zentner Kaffee
(im Werte von zehn Millionen Pfund Sterling) in den eng-
liſchen Magazinen.
Die große Vorliebe, die man in dieſer Provinz für den
Kaffeebau hat, rührt zum Teil daher, daß die Bohne ſich
viele Jahre hält, während der Kakao, trotz aller Sorgfalt,
nach zehn Monaten oder einem Jahre in den Magazinen ver-
dirbt. Während der langen Kriege zwiſchen den europäiſchen
Mächten, wo das Mutterland zu ſchwach war, um den Handel
ſeiner Kolonieen zu ſchützen, mußte ſich die Induſtrie vorzugs-
weiſe auf ein Produkt werfen, das nicht ſchnell abgeſetzt
werden muß und bei dem man alle politiſchen und Handels-
konjunkturen abwarten kann. In den Kaffeepflanzungen von
Caracas nimmt man, wie ich geſehen, zum Verſetzen nicht
leicht die jungen Pflanzen, die zufällig unter den tragenden
Bäumen aufwachſen; man läßt vielmehr die Bohnen, getrennt
von der Beere, aber doch noch mit einem Teile des Fleiſches
daran, in Haufen zwiſchen Bananenblättern fünf Tage lang
keimen und ſteckt ſofort den gekeimten Samen. Die ſo ge-
zogenen Pflanzen widerſtehen der Sonnenhitze beſſer als die,
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/180>, abgerufen am 16.02.2025.
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