Chacaito. Durch den Donner der Wasserfälle erhielt das nächtliche Bild einen wilden, großartigen Charakter.
Wir übernachteten am Fuße der Silla; unsere Freunde in Caracas hatten uns durch Fernrohre auf dem östlichen Berggipfel sehen können. Mit Teilnahme hörte man unsere beschwerliche Bergfahrt beschreiben, aber mit einer Messung, nach der die Silla nicht einmal so hoch sein sollte als der höchste Pyrenäengipfel,1 war man sehr schlecht zufrieden. Wer möchte sich über eine nationale Vorliebe aufhalten, die sich in einem Lande, wo von Denkmälern der Kunst keine Rede ist, an Naturdenkmale hängt? Kann man sich wundern, wenn die Einwohner von Quito und Riobamba, deren Stolz seit Jahrhunderten die Höhe ihres Chimborazo ist, von Messungen nichts wissen wollen, nach denen das Himalayagebirge in Indien alle Kolosse der Kordilleren überragt?
1 Man glaubte früher, die Silla von Caracas sei so ziemlich so hoch als der Pik von Tenerifa.
Chacaito. Durch den Donner der Waſſerfälle erhielt das nächtliche Bild einen wilden, großartigen Charakter.
Wir übernachteten am Fuße der Silla; unſere Freunde in Caracas hatten uns durch Fernrohre auf dem öſtlichen Berggipfel ſehen können. Mit Teilnahme hörte man unſere beſchwerliche Bergfahrt beſchreiben, aber mit einer Meſſung, nach der die Silla nicht einmal ſo hoch ſein ſollte als der höchſte Pyrenäengipfel,1 war man ſehr ſchlecht zufrieden. Wer möchte ſich über eine nationale Vorliebe aufhalten, die ſich in einem Lande, wo von Denkmälern der Kunſt keine Rede iſt, an Naturdenkmale hängt? Kann man ſich wundern, wenn die Einwohner von Quito und Riobamba, deren Stolz ſeit Jahrhunderten die Höhe ihres Chimborazo iſt, von Meſſungen nichts wiſſen wollen, nach denen das Himalayagebirge in Indien alle Koloſſe der Kordilleren überragt?
1 Man glaubte früher, die Silla von Caracas ſei ſo ziemlich ſo hoch als der Pik von Tenerifa.
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Chacaito. Durch den Donner der Waſſerfälle erhielt das
nächtliche Bild einen wilden, großartigen Charakter.
Wir übernachteten am Fuße der Silla; unſere Freunde
in Caracas hatten uns durch Fernrohre auf dem öſtlichen
Berggipfel ſehen können. Mit Teilnahme hörte man unſere
beſchwerliche Bergfahrt beſchreiben, aber mit einer Meſſung,
nach der die Silla nicht einmal ſo hoch ſein ſollte als der
höchſte Pyrenäengipfel, 1 war man ſehr ſchlecht zufrieden. Wer
möchte ſich über eine nationale Vorliebe aufhalten, die ſich
in einem Lande, wo von Denkmälern der Kunſt keine Rede
iſt, an Naturdenkmale hängt? Kann man ſich wundern, wenn
die Einwohner von Quito und Riobamba, deren Stolz ſeit
Jahrhunderten die Höhe ihres Chimborazo iſt, von Meſſungen
nichts wiſſen wollen, nach denen das Himalayagebirge in
Indien alle Koloſſe der Kordilleren überragt?
1 Man glaubte früher, die Silla von Caracas ſei ſo ziemlich
ſo hoch als der Pik von Tenerifa.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/155>, abgerufen am 16.02.2025.
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