Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.Da es zwischen den Wendekreisen fast keine Dämmerung Erst um 10 Uhr abends kamen wir äußerst ermüdet und 1 So Gay-Lussac bei seiner Luftfahrt am 16. September 1803.
Da es zwiſchen den Wendekreiſen faſt keine Dämmerung Erſt um 10 Uhr abends kamen wir äußerſt ermüdet und 1 So Gay-Luſſac bei ſeiner Luftfahrt am 16. September 1803.
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Da es zwiſchen den Wendekreiſen faſt keine Dämmerung
gibt, ſieht man ſich auf einmal aus dem hellſten Tageslicht
in Finſternis verſetzt. Der Mond ſtand über dem Horizont;
ſeine Scheibe ward zuweilen durch dicke Wolken bedeckt, die
ein heftiger kalter Wind über den Himmel jagte. Die ſteilen,
mit gelbem trockenem Graſe bewachſenen Abhänge lagen bald
im Schatten, bald wurden ſie auf einmal wieder beleuchtet
und erſchienen dann als Abgründe, in deren Tiefe man nieder-
ſah. Wir gingen in einer Reihe hintereinander; man ſuchte
ſich mit den Händen zu halten, um nicht zu fallen und den
Berg hinabzurollen. Von den Führern, welche unſere In-
ſtrumente trugen, fiel einer um den anderen ab, um auf dem
Berge zu übernachten. Unter denen, die bei uns blieben, war
ein Congoneger, deſſen Gewandtheit ich bewunderte; er trug
einen großen Inklinationskompaß auf dem Kopf und hielt
die Laſt trotz der ungemeinen Steilheit des Abhanges beſtändig
im Gleichgewicht. Der Nebel im Thale war nach und nach
verſchwunden. Die zerſtreuten Lichter, die wir tief unter uns
ſahen, täuſchten uns in doppelter Beziehung; einmal ſchien
der Abhang noch gefährlicher, als er wirklich war, und dann
meinten wir in den ſechs Stunden, in denen wir beſtändig
abwärts gingen, den Höfen am Fuße der Silla immer gleich
nahe zu ſein. Wir hörten ganz deutlich Menſchenſtimmen
und die ſchrillen Töne der Guitarren. Der Schall pflanzt
ſich von unten nach oben meiſt ſo gut fort, daß man in einem
Luftballon bisweilen in 5850 m Höhe die Hunde bellen hört. 1
Erſt um 10 Uhr abends kamen wir äußerſt ermüdet und
durſtig im Thale an. Wir waren fünfzehn Stunden lang
faſt beſtändig auf den Beinen geweſen; der rauhe Felsboden
und die dürren harten Grasſtoppeln hatten uns die Fußſohlen
zerriſſen, denn wir hatten die Stiefeln ausziehen müſſen, weil
die Sohlen zu glatt geworden waren. An Abhängen, wo
weder Sträucher, noch holzige Kräuter wachſen, an denen man
ſich mit den Händen halten kann, kommt man barfuß ſicherer
herab. Um Weg abzuſchneiden, führte man uns von der
Puerta zum Hofe Gallegos über einen Fußpfad, der zu einem
Waſſerſtück, El Tanque genannt, führt. Man verfehlte den
Fußpfad, und auf dieſem letzten Wegſtück, wo es am aller-
ſteilſten abwärts ging, kamen wir in die Nähe der Schlucht
1 So Gay-Luſſac bei ſeiner Luftfahrt am 16. September 1803.
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