gemein zahlreich und ganz entwickelt oft gegen einen Zoll breit sind.
Das Rhododendron der Schweiz wächst, in 1560 bis 2140 m Meereshöhe, in einem Klima mit einer mittleren Temperatur von + 2° und -- 1°, also ähnlich dem Klima der Ebenen Lapplands. In dieser Zone haben die kältesten Monate -- 4° und -- 10°, die wärmsten Monate + 12° und 7°. Nach thermometrischen Beobachtungen in denselben Höhen und unter denselben Parallelen beträgt im Pejual auf der Silla die mittlere Temperatur der Luft sehr wahrscheinlich noch 17 bis 18° und steht der Thermometer in der kühlsten Jahreszeit bei Tage zwischen 15 und 20°, bei Nacht zwischen 10 und 12°. Beim St. Gotthardshospiz, nahe der oberen Grenze der hel- vetischen Alpenrose, ist die größte Wärme im August um Mittag (im Schatten) gewöhnlich 12 bis 13°; nachts kühlt sich in derselben Jahreszeit die Luft infolge der Wärme- strahlung des Bodens auf + 1 oder -- 1,5° ab. Unter dem- selben barometrischen Druck, also in derselben Meereshöhe, aber um 30 Breitengrade näher beim Aequator ist die Befaria auf der Silla um Mittag häufig einer Temperatur von 23 bis 24° ausgesetzt und bei Nacht fällt dieselbe wahrscheinlich niemals unter 8°. Wir haben hier genau die Klimate ver- glichen, unter denen zwei derselben Familie angehörende Pflanzen- gruppen unter verschiedenen Breiten in gleicher Meereshöhe wachsen; das Ergebnis wäre ein ganz anderes, wenn wir Zonen verglichen hätten, die gleich weit vom ewigen Schnee oder von der isothermen Linie liegen.
Im Pejual wachsen neben der Befaria mit purpurroten Blüten eine Hedyotis mit Heidekrautblättern, die 2,6 m hoch wird, die Caparosa, ein großes baumartiges Johanniskraut, ein Lepidium, das mit dem virginischen identisch scheint, endlich Bärlappenpflanzen und Moose, welche Felsen und Baumwurzeln überziehen. Am berühmtesten ist aber dieses Buschwerk im Lande wegen eines 3 bis 5 m hohen Strauches aus der Familie der Corymbiferen. Die Kreolen nennen denselben Inciensoz, Weihrauch. Seine lederartigen, ge- kerbten Blätter und die Spitzen der Zweige sind mit einer weißen Wolle bedeckt. Es ist eine neue, sehr harzreiche Trixisart; die Blüten riechen angenehm nach Borax, ganz anders als die der Trixis therebintinacea in den Bergen von Jamaika, die denen von Caracas gegenüberliegen. Man mengt zuweilen den "Weihrauch" von der Silla mit den
gemein zahlreich und ganz entwickelt oft gegen einen Zoll breit ſind.
Das Rhododendron der Schweiz wächſt, in 1560 bis 2140 m Meereshöhe, in einem Klima mit einer mittleren Temperatur von + 2° und — 1°, alſo ähnlich dem Klima der Ebenen Lapplands. In dieſer Zone haben die kälteſten Monate — 4° und — 10°, die wärmſten Monate + 12° und 7°. Nach thermometriſchen Beobachtungen in denſelben Höhen und unter denſelben Parallelen beträgt im Pejual auf der Silla die mittlere Temperatur der Luft ſehr wahrſcheinlich noch 17 bis 18° und ſteht der Thermometer in der kühlſten Jahreszeit bei Tage zwiſchen 15 und 20°, bei Nacht zwiſchen 10 und 12°. Beim St. Gotthardshoſpiz, nahe der oberen Grenze der hel- vetiſchen Alpenroſe, iſt die größte Wärme im Auguſt um Mittag (im Schatten) gewöhnlich 12 bis 13°; nachts kühlt ſich in derſelben Jahreszeit die Luft infolge der Wärme- ſtrahlung des Bodens auf + 1 oder — 1,5° ab. Unter dem- ſelben barometriſchen Druck, alſo in derſelben Meereshöhe, aber um 30 Breitengrade näher beim Aequator iſt die Befaria auf der Silla um Mittag häufig einer Temperatur von 23 bis 24° ausgeſetzt und bei Nacht fällt dieſelbe wahrſcheinlich niemals unter 8°. Wir haben hier genau die Klimate ver- glichen, unter denen zwei derſelben Familie angehörende Pflanzen- gruppen unter verſchiedenen Breiten in gleicher Meereshöhe wachſen; das Ergebnis wäre ein ganz anderes, wenn wir Zonen verglichen hätten, die gleich weit vom ewigen Schnee oder von der iſothermen Linie liegen.
Im Pejual wachſen neben der Befaria mit purpurroten Blüten eine Hedyotis mit Heidekrautblättern, die 2,6 m hoch wird, die Caparosa, ein großes baumartiges Johanniskraut, ein Lepidium, das mit dem virginiſchen identiſch ſcheint, endlich Bärlappenpflanzen und Mooſe, welche Felſen und Baumwurzeln überziehen. Am berühmteſten iſt aber dieſes Buſchwerk im Lande wegen eines 3 bis 5 m hohen Strauches aus der Familie der Corymbiferen. Die Kreolen nennen denſelben Inciensoz, Weihrauch. Seine lederartigen, ge- kerbten Blätter und die Spitzen der Zweige ſind mit einer weißen Wolle bedeckt. Es iſt eine neue, ſehr harzreiche Trixisart; die Blüten riechen angenehm nach Borax, ganz anders als die der Trixis therebintinacea in den Bergen von Jamaika, die denen von Caracas gegenüberliegen. Man mengt zuweilen den „Weihrauch“ von der Silla mit den
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[135/0143]
gemein zahlreich und ganz entwickelt oft gegen einen Zoll
breit ſind.
Das Rhododendron der Schweiz wächſt, in 1560 bis
2140 m Meereshöhe, in einem Klima mit einer mittleren
Temperatur von + 2° und — 1°, alſo ähnlich dem Klima
der Ebenen Lapplands. In dieſer Zone haben die kälteſten
Monate — 4° und — 10°, die wärmſten Monate + 12° und 7°.
Nach thermometriſchen Beobachtungen in denſelben Höhen und
unter denſelben Parallelen beträgt im Pejual auf der Silla
die mittlere Temperatur der Luft ſehr wahrſcheinlich noch 17
bis 18° und ſteht der Thermometer in der kühlſten Jahreszeit
bei Tage zwiſchen 15 und 20°, bei Nacht zwiſchen 10 und 12°.
Beim St. Gotthardshoſpiz, nahe der oberen Grenze der hel-
vetiſchen Alpenroſe, iſt die größte Wärme im Auguſt um
Mittag (im Schatten) gewöhnlich 12 bis 13°; nachts kühlt
ſich in derſelben Jahreszeit die Luft infolge der Wärme-
ſtrahlung des Bodens auf + 1 oder — 1,5° ab. Unter dem-
ſelben barometriſchen Druck, alſo in derſelben Meereshöhe,
aber um 30 Breitengrade näher beim Aequator iſt die Befaria
auf der Silla um Mittag häufig einer Temperatur von 23
bis 24° ausgeſetzt und bei Nacht fällt dieſelbe wahrſcheinlich
niemals unter 8°. Wir haben hier genau die Klimate ver-
glichen, unter denen zwei derſelben Familie angehörende Pflanzen-
gruppen unter verſchiedenen Breiten in gleicher Meereshöhe
wachſen; das Ergebnis wäre ein ganz anderes, wenn wir
Zonen verglichen hätten, die gleich weit vom ewigen Schnee
oder von der iſothermen Linie liegen.
Im Pejual wachſen neben der Befaria mit purpurroten
Blüten eine Hedyotis mit Heidekrautblättern, die 2,6 m hoch
wird, die Caparosa, ein großes baumartiges Johanniskraut,
ein Lepidium, das mit dem virginiſchen identiſch ſcheint,
endlich Bärlappenpflanzen und Mooſe, welche Felſen und
Baumwurzeln überziehen. Am berühmteſten iſt aber dieſes
Buſchwerk im Lande wegen eines 3 bis 5 m hohen Strauches
aus der Familie der Corymbiferen. Die Kreolen nennen
denſelben Inciensoz, Weihrauch. Seine lederartigen, ge-
kerbten Blätter und die Spitzen der Zweige ſind mit einer
weißen Wolle bedeckt. Es iſt eine neue, ſehr harzreiche
Trixisart; die Blüten riechen angenehm nach Borax, ganz
anders als die der Trixis therebintinacea in den Bergen
von Jamaika, die denen von Caracas gegenüberliegen. Man
mengt zuweilen den „Weihrauch“ von der Silla mit den
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/143>, abgerufen am 16.02.2025.
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