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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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tiger Gang mit Porzellanerde erregte unsere Aufmerksamkeit.
Die schneeweiße Erde ist ohne Zweifel zersetzter Feldspat. Ich
übergab dem Intendanten der Provinz ansehnliche Proben
davon. In einem Lande, wo es nicht an Brennmaterial fehlt,
läßt sich durch Beimischung feuerbeständiger Erden das Töpfer-
geschirr, selbst die Backsteine, verbessern. So oft die Wolken
uns umgaben, fiel der Thermometer auf 12°, bei hellem Himmel
stieg er auf 21°. Diese Beobachtungen wurden im Schatten
gemacht; aber auf so steilem, mit vertrocknetem, gelbem, glattem
Rasen bedeckten Abhange fällt es schwer, den Einfluß der
strahlenden Wärme auszuschließen. Wir waren in 1830 m
Höhe und dennoch sahen wir in gleicher Höhe ostwärts in
einer Schlucht nicht ein paar einzelne Palmen, sondern ein
ganzes Palmenwäldchen. Es war die Palma real, vielleicht
zur Gattung Oreodoxa gehörig. Diese Gruppe von Palmen
in so bedeutender Höhe war eine seltsame Erscheinung gegen-
über den Weiden, 1 die im gemäßigteren Thalgrunde von Ca-
racas hin und wieder wachsen; so sieht man hier Gewächse
mit europäischem Typus tiefer als solche der heißen Zone
vorkommen.

Nach vierstündigem Marsch über die Savannen kamen
wir in ein Buschwerk aus Sträuchern und niedrigen Bäumen,
el Pejual genannt, wahrscheinlich wegen des vielen Pejoa
(Gaultheria odorata), eines Gewächses mit wohlriechenden
Blättern. Der Abhang des Berges wurde sanfter und mit
unsäglicher Lust untersuchten wir die Gewächse dieser Region.
Vielleicht nirgends findet man auf so beschränktem Raume so
schöne und für die Pflanzengeographie bedeutsame Pflanzen
beisammen. In 1950 m Meereshöhe stoßen die hohen Sa-
vannen der Silla an eine Zone von Sträuchern, die durch
den Habitus, die gekrümmten Aeste, die harten Blätter, die
großen schönen Purpurblüten an die Vegetation der Paramos
oder Punas 2 erinnern, wie man in der Kordillere der Anden
sie nennt. Hier treten auf: die Familie der Alprosen, die
Thibaudien, die Andromeden, die Vaccinien (Heidelbeer-
arten) und die Befarien mit harzigen Blättern, die wir
schon öfters mit dem Rhododendron der europäischen Alpen
verglichen haben.


1 Wildenows Salix Humboldtiana.
2 Diese Worte wurden schon im ersten Bande erklärt.

tiger Gang mit Porzellanerde erregte unſere Aufmerkſamkeit.
Die ſchneeweiße Erde iſt ohne Zweifel zerſetzter Feldſpat. Ich
übergab dem Intendanten der Provinz anſehnliche Proben
davon. In einem Lande, wo es nicht an Brennmaterial fehlt,
läßt ſich durch Beimiſchung feuerbeſtändiger Erden das Töpfer-
geſchirr, ſelbſt die Backſteine, verbeſſern. So oft die Wolken
uns umgaben, fiel der Thermometer auf 12°, bei hellem Himmel
ſtieg er auf 21°. Dieſe Beobachtungen wurden im Schatten
gemacht; aber auf ſo ſteilem, mit vertrocknetem, gelbem, glattem
Raſen bedeckten Abhange fällt es ſchwer, den Einfluß der
ſtrahlenden Wärme auszuſchließen. Wir waren in 1830 m
Höhe und dennoch ſahen wir in gleicher Höhe oſtwärts in
einer Schlucht nicht ein paar einzelne Palmen, ſondern ein
ganzes Palmenwäldchen. Es war die Palma real, vielleicht
zur Gattung Oreodoxa gehörig. Dieſe Gruppe von Palmen
in ſo bedeutender Höhe war eine ſeltſame Erſcheinung gegen-
über den Weiden, 1 die im gemäßigteren Thalgrunde von Ca-
racas hin und wieder wachſen; ſo ſieht man hier Gewächſe
mit europäiſchem Typus tiefer als ſolche der heißen Zone
vorkommen.

Nach vierſtündigem Marſch über die Savannen kamen
wir in ein Buſchwerk aus Sträuchern und niedrigen Bäumen,
el Pejual genannt, wahrſcheinlich wegen des vielen Pejoa
(Gaultheria odorata), eines Gewächſes mit wohlriechenden
Blättern. Der Abhang des Berges wurde ſanfter und mit
unſäglicher Luſt unterſuchten wir die Gewächſe dieſer Region.
Vielleicht nirgends findet man auf ſo beſchränktem Raume ſo
ſchöne und für die Pflanzengeographie bedeutſame Pflanzen
beiſammen. In 1950 m Meereshöhe ſtoßen die hohen Sa-
vannen der Silla an eine Zone von Sträuchern, die durch
den Habitus, die gekrümmten Aeſte, die harten Blätter, die
großen ſchönen Purpurblüten an die Vegetation der Paramos
oder Punas 2 erinnern, wie man in der Kordillere der Anden
ſie nennt. Hier treten auf: die Familie der Alproſen, die
Thibaudien, die Andromeden, die Vaccinien (Heidelbeer-
arten) und die Befarien mit harzigen Blättern, die wir
ſchon öfters mit dem Rhododendron der europäiſchen Alpen
verglichen haben.


1 Wildenows Salix Humboldtiana.
2 Dieſe Worte wurden ſchon im erſten Bande erklärt.
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[130/0138] tiger Gang mit Porzellanerde erregte unſere Aufmerkſamkeit. Die ſchneeweiße Erde iſt ohne Zweifel zerſetzter Feldſpat. Ich übergab dem Intendanten der Provinz anſehnliche Proben davon. In einem Lande, wo es nicht an Brennmaterial fehlt, läßt ſich durch Beimiſchung feuerbeſtändiger Erden das Töpfer- geſchirr, ſelbſt die Backſteine, verbeſſern. So oft die Wolken uns umgaben, fiel der Thermometer auf 12°, bei hellem Himmel ſtieg er auf 21°. Dieſe Beobachtungen wurden im Schatten gemacht; aber auf ſo ſteilem, mit vertrocknetem, gelbem, glattem Raſen bedeckten Abhange fällt es ſchwer, den Einfluß der ſtrahlenden Wärme auszuſchließen. Wir waren in 1830 m Höhe und dennoch ſahen wir in gleicher Höhe oſtwärts in einer Schlucht nicht ein paar einzelne Palmen, ſondern ein ganzes Palmenwäldchen. Es war die Palma real, vielleicht zur Gattung Oreodoxa gehörig. Dieſe Gruppe von Palmen in ſo bedeutender Höhe war eine ſeltſame Erſcheinung gegen- über den Weiden, 1 die im gemäßigteren Thalgrunde von Ca- racas hin und wieder wachſen; ſo ſieht man hier Gewächſe mit europäiſchem Typus tiefer als ſolche der heißen Zone vorkommen. Nach vierſtündigem Marſch über die Savannen kamen wir in ein Buſchwerk aus Sträuchern und niedrigen Bäumen, el Pejual genannt, wahrſcheinlich wegen des vielen Pejoa (Gaultheria odorata), eines Gewächſes mit wohlriechenden Blättern. Der Abhang des Berges wurde ſanfter und mit unſäglicher Luſt unterſuchten wir die Gewächſe dieſer Region. Vielleicht nirgends findet man auf ſo beſchränktem Raume ſo ſchöne und für die Pflanzengeographie bedeutſame Pflanzen beiſammen. In 1950 m Meereshöhe ſtoßen die hohen Sa- vannen der Silla an eine Zone von Sträuchern, die durch den Habitus, die gekrümmten Aeſte, die harten Blätter, die großen ſchönen Purpurblüten an die Vegetation der Paramos oder Punas 2 erinnern, wie man in der Kordillere der Anden ſie nennt. Hier treten auf: die Familie der Alproſen, die Thibaudien, die Andromeden, die Vaccinien (Heidelbeer- arten) und die Befarien mit harzigen Blättern, die wir ſchon öfters mit dem Rhododendron der europäiſchen Alpen verglichen haben. 1 Wildenows Salix Humboldtiana. 2 Dieſe Worte wurden ſchon im erſten Bande erklärt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/138>, abgerufen am 21.11.2024.