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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Mexiko ein Fünfteil, auf Cuba, nach der genauen Zählung
von 1811, ein Dritteil der Gesamtbevölkerung. Bedenkt man,
daß in Mexiko dritthalb Millionen Menschen von der roten
Rasse wohnen, zieht man den Zustand der Küsten am Stillen
Meere in Betracht, und wie wenige Weiße im Verhältnis zu
den Eingeborenen in den Intendanzen Puebla und Oaxaca
wohnen, so läßt sich nicht zweifeln, daß, wenn nicht in der
Capitania general, so doch in der Provinz Venezuela das
Verhältnis stärker ist als 1 zu 5. Die Insel Cuba, auf der
die Weißen sogar zahlreicher sind als in Chile, gibt uns für
die Capitania general von Caracas eine "Grenzzahl", das
heißt das Maximum an die Hand. Ich glaube, man hat
200000 bis 210000 Hispano-Amerikaner auf eine Gesamt-
bevölkerung von 900000 Seelen anzunehmen. Innerhalb der
weißen Rasse scheint die Zahl der Europäer (die Truppen
aus dem Mutterlande nicht gerechnet) nicht über 12000 bis
15000 zu betragen. In Mexiko sind ihrer gewiß nicht über
60000, und nach mehreren Zusammenstellungen finde ich, daß,
sämtliche spanische Kolonieen zu 14 bis 15 Millionen Ein-
wohnern angenommen, höchstens 3 Millionen Kreolen und
200000 Europäer darunter sind.

Als der junge Tupac-Amaru, der in sich den rechtmäßigen
Erben des Reiches der Inka erblickte, an der Spitze von
40000 Indianern aus den Gebirgen mehrere Provinzen von
Oberperu eroberte, ruhten die Befürchtungen aller Weißen
auf demselben Grunde. Die Hispano-Amerikaner fühlten so
gut wie die in Europa geborenen Spanier, daß der Kampf
ein Rassenkampf zwischen dem roten und weißen Manne, zwi-
schen Barbarei und Kultur sei. Tupac-Amaru, der selbst nicht
ohne Bildung war, schmeichelte anfangs den Kreolen und der
europäischen Geistlichkeit, aber die Ereignisse und die Rach-
sucht seines Neffen Andreas Condorcan rissen ihn fort und
er änderte sein Verfahren. Aus einem Aufstande für die Un-
abhängigkeit wurde ein grausamer Krieg zwischen den Rassen;
die Weißen blieben Sieger, es kam ihnen zum Bewußtsein,
was ihr gemeinsames Interesse sei, und von nun an faßten
sie das Zahlenverhältnis zwischen der weißen und der india-
nischen Bevölkerung in den verschiedenen Provinzen sehr scharf
ins Auge. Erst in unserer Zeit kam es nun dahin, daß die
Weißen diese Aufmerksamkeit auf sich selbst richteten und sich
mißtrauisch nach den Bestandteilen ihrer eigenen Kaste um-
sahen. Jede Unternehmung zur Erringung der Unabhängigkeit

Mexiko ein Fünfteil, auf Cuba, nach der genauen Zählung
von 1811, ein Dritteil der Geſamtbevölkerung. Bedenkt man,
daß in Mexiko dritthalb Millionen Menſchen von der roten
Raſſe wohnen, zieht man den Zuſtand der Küſten am Stillen
Meere in Betracht, und wie wenige Weiße im Verhältnis zu
den Eingeborenen in den Intendanzen Puebla und Oaxaca
wohnen, ſo läßt ſich nicht zweifeln, daß, wenn nicht in der
Capitania general, ſo doch in der Provinz Venezuela das
Verhältnis ſtärker iſt als 1 zu 5. Die Inſel Cuba, auf der
die Weißen ſogar zahlreicher ſind als in Chile, gibt uns für
die Capitania general von Caracas eine „Grenzzahl“, das
heißt das Maximum an die Hand. Ich glaube, man hat
200000 bis 210000 Hiſpano-Amerikaner auf eine Geſamt-
bevölkerung von 900000 Seelen anzunehmen. Innerhalb der
weißen Raſſe ſcheint die Zahl der Europäer (die Truppen
aus dem Mutterlande nicht gerechnet) nicht über 12000 bis
15000 zu betragen. In Mexiko ſind ihrer gewiß nicht über
60000, und nach mehreren Zuſammenſtellungen finde ich, daß,
ſämtliche ſpaniſche Kolonieen zu 14 bis 15 Millionen Ein-
wohnern angenommen, höchſtens 3 Millionen Kreolen und
200000 Europäer darunter ſind.

Als der junge Tupac-Amaru, der in ſich den rechtmäßigen
Erben des Reiches der Inka erblickte, an der Spitze von
40000 Indianern aus den Gebirgen mehrere Provinzen von
Oberperu eroberte, ruhten die Befürchtungen aller Weißen
auf demſelben Grunde. Die Hiſpano-Amerikaner fühlten ſo
gut wie die in Europa geborenen Spanier, daß der Kampf
ein Raſſenkampf zwiſchen dem roten und weißen Manne, zwi-
ſchen Barbarei und Kultur ſei. Tupac-Amaru, der ſelbſt nicht
ohne Bildung war, ſchmeichelte anfangs den Kreolen und der
europäiſchen Geiſtlichkeit, aber die Ereigniſſe und die Rach-
ſucht ſeines Neffen Andreas Condorcan riſſen ihn fort und
er änderte ſein Verfahren. Aus einem Aufſtande für die Un-
abhängigkeit wurde ein grauſamer Krieg zwiſchen den Raſſen;
die Weißen blieben Sieger, es kam ihnen zum Bewußtſein,
was ihr gemeinſames Intereſſe ſei, und von nun an faßten
ſie das Zahlenverhältnis zwiſchen der weißen und der india-
niſchen Bevölkerung in den verſchiedenen Provinzen ſehr ſcharf
ins Auge. Erſt in unſerer Zeit kam es nun dahin, daß die
Weißen dieſe Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt richteten und ſich
mißtrauiſch nach den Beſtandteilen ihrer eigenen Kaſte um-
ſahen. Jede Unternehmung zur Erringung der Unabhängigkeit

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[103/0111] Mexiko ein Fünfteil, auf Cuba, nach der genauen Zählung von 1811, ein Dritteil der Geſamtbevölkerung. Bedenkt man, daß in Mexiko dritthalb Millionen Menſchen von der roten Raſſe wohnen, zieht man den Zuſtand der Küſten am Stillen Meere in Betracht, und wie wenige Weiße im Verhältnis zu den Eingeborenen in den Intendanzen Puebla und Oaxaca wohnen, ſo läßt ſich nicht zweifeln, daß, wenn nicht in der Capitania general, ſo doch in der Provinz Venezuela das Verhältnis ſtärker iſt als 1 zu 5. Die Inſel Cuba, auf der die Weißen ſogar zahlreicher ſind als in Chile, gibt uns für die Capitania general von Caracas eine „Grenzzahl“, das heißt das Maximum an die Hand. Ich glaube, man hat 200000 bis 210000 Hiſpano-Amerikaner auf eine Geſamt- bevölkerung von 900000 Seelen anzunehmen. Innerhalb der weißen Raſſe ſcheint die Zahl der Europäer (die Truppen aus dem Mutterlande nicht gerechnet) nicht über 12000 bis 15000 zu betragen. In Mexiko ſind ihrer gewiß nicht über 60000, und nach mehreren Zuſammenſtellungen finde ich, daß, ſämtliche ſpaniſche Kolonieen zu 14 bis 15 Millionen Ein- wohnern angenommen, höchſtens 3 Millionen Kreolen und 200000 Europäer darunter ſind. Als der junge Tupac-Amaru, der in ſich den rechtmäßigen Erben des Reiches der Inka erblickte, an der Spitze von 40000 Indianern aus den Gebirgen mehrere Provinzen von Oberperu eroberte, ruhten die Befürchtungen aller Weißen auf demſelben Grunde. Die Hiſpano-Amerikaner fühlten ſo gut wie die in Europa geborenen Spanier, daß der Kampf ein Raſſenkampf zwiſchen dem roten und weißen Manne, zwi- ſchen Barbarei und Kultur ſei. Tupac-Amaru, der ſelbſt nicht ohne Bildung war, ſchmeichelte anfangs den Kreolen und der europäiſchen Geiſtlichkeit, aber die Ereigniſſe und die Rach- ſucht ſeines Neffen Andreas Condorcan riſſen ihn fort und er änderte ſein Verfahren. Aus einem Aufſtande für die Un- abhängigkeit wurde ein grauſamer Krieg zwiſchen den Raſſen; die Weißen blieben Sieger, es kam ihnen zum Bewußtſein, was ihr gemeinſames Intereſſe ſei, und von nun an faßten ſie das Zahlenverhältnis zwiſchen der weißen und der india- niſchen Bevölkerung in den verſchiedenen Provinzen ſehr ſcharf ins Auge. Erſt in unſerer Zeit kam es nun dahin, daß die Weißen dieſe Aufmerkſamkeit auf ſich ſelbſt richteten und ſich mißtrauiſch nach den Beſtandteilen ihrer eigenen Kaſte um- ſahen. Jede Unternehmung zur Erringung der Unabhängigkeit

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/111>, abgerufen am 21.11.2024.