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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859.

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Schwarzen sein werde." Unser Jahrhundert sollte diese Pro-
phezeiung in Erfüllung gehen und eine europäische Kolonie
in Amerika sich in einen afrikanischen Staat verwandeln
sehen.

Die 60000 Sklaven in den vereinigten Provinzen von
Venezuela sind so ungleich verteilt, daß auf die Provinz Ca-
racas allein 40000 kommen, worunter ein Fünfteil Mulatten,
auf Maracaybo 10000 bis 12000, auf Cumana und Barcelona
kaum 6000. Um den Einfluß zu würdigen, den die Neger
und die Farbigen auf die öffentliche Ruhe im allgemeinen
äußern, ist es nicht genug, daß man ihre Kopfzahl kennt,
man muß auch ihre Zusammendrängung an gewissen Punkten
und ihre Lebensweise als Ackerbauer oder Stadtbewohner in
Betracht ziehen. In der Provinz Venezuela sind die Sklaven
fast alle auf einem nicht sehr ausgedehnten Landstriche bei-
sammen, innerhalb der Küste und einer Linie, die (54 km
von der Küste) über Panaquire, Yare, Sabana de Ocumare,
Villa de Cura und Nirgua läuft. Auf den Llanos, den weiten
Ebenen von Calabozo, San Carlos, Guanare und Barqui-
simeto zählt man nur 4000 bis 5000, die auf den Höfen zer-
streut und mit der Hut des Viehes beschäftigt sind. Die Zahl
der Freigelassenen ist sehr beträchtlich, denn die spanische Ge-
setzgebung und die Sitten leisten der Freilassung Vorschub.
Der Herr darf dem Sklaven, der ihm dreihundert Piaster
bietet, die Freiheit nicht versagen, hätte der Sklave auch wegen
des besonderen Geschickes im Handwerk, das er treibt, doppelt
so viel gekostet. Die Fälle, daß jemand im letzten Willen
mehr oder weniger Sklaven die Freiheit schenkt, sind in der
Provinz Venezuela häufiger als irgendwo. Kurz bevor wir
die fruchtbaren Thäler von Aragua und den See von Va-
lencia besuchten, hatte eine Dame im großen Dorfe La Victoria
auf dem Totenbette ihren Kindern aufgegeben, ihre Sklaven,
dreißig an der Zahl, freizulassen. Mit Vergnügen spreche
ich von Handlungen, die den Charakter von Menschen, die
Bonpland und mir so viel Zuneigung und Wohlwollen be-
wiesen, in so schönem Lichte zeigen.

Nach den Negern ist es in den Kolonieen von besonderem
Belang, die Zahl der weißen Kreolen, die ich Hispano-Ameri-
kaner 1 nenne, und der in Europa gebürtigen Weißen zu kennen.

1 Nach dem Vorgang von Anglo-Amerikaner, welcher Aus-
druck in alle europäischen Sprachen übergegangen ist. In den

Schwarzen ſein werde.“ Unſer Jahrhundert ſollte dieſe Pro-
phezeiung in Erfüllung gehen und eine europäiſche Kolonie
in Amerika ſich in einen afrikaniſchen Staat verwandeln
ſehen.

Die 60000 Sklaven in den vereinigten Provinzen von
Venezuela ſind ſo ungleich verteilt, daß auf die Provinz Ca-
racas allein 40000 kommen, worunter ein Fünfteil Mulatten,
auf Maracaybo 10000 bis 12000, auf Cumana und Barcelona
kaum 6000. Um den Einfluß zu würdigen, den die Neger
und die Farbigen auf die öffentliche Ruhe im allgemeinen
äußern, iſt es nicht genug, daß man ihre Kopfzahl kennt,
man muß auch ihre Zuſammendrängung an gewiſſen Punkten
und ihre Lebensweiſe als Ackerbauer oder Stadtbewohner in
Betracht ziehen. In der Provinz Venezuela ſind die Sklaven
faſt alle auf einem nicht ſehr ausgedehnten Landſtriche bei-
ſammen, innerhalb der Küſte und einer Linie, die (54 km
von der Küſte) über Panaquire, Yare, Sabana de Ocumare,
Villa de Cura und Nirgua läuft. Auf den Llanos, den weiten
Ebenen von Calabozo, San Carlos, Guanare und Barqui-
ſimeto zählt man nur 4000 bis 5000, die auf den Höfen zer-
ſtreut und mit der Hut des Viehes beſchäftigt ſind. Die Zahl
der Freigelaſſenen iſt ſehr beträchtlich, denn die ſpaniſche Ge-
ſetzgebung und die Sitten leiſten der Freilaſſung Vorſchub.
Der Herr darf dem Sklaven, der ihm dreihundert Piaſter
bietet, die Freiheit nicht verſagen, hätte der Sklave auch wegen
des beſonderen Geſchickes im Handwerk, das er treibt, doppelt
ſo viel gekoſtet. Die Fälle, daß jemand im letzten Willen
mehr oder weniger Sklaven die Freiheit ſchenkt, ſind in der
Provinz Venezuela häufiger als irgendwo. Kurz bevor wir
die fruchtbaren Thäler von Aragua und den See von Va-
lencia beſuchten, hatte eine Dame im großen Dorfe La Victoria
auf dem Totenbette ihren Kindern aufgegeben, ihre Sklaven,
dreißig an der Zahl, freizulaſſen. Mit Vergnügen ſpreche
ich von Handlungen, die den Charakter von Menſchen, die
Bonpland und mir ſo viel Zuneigung und Wohlwollen be-
wieſen, in ſo ſchönem Lichte zeigen.

Nach den Negern iſt es in den Kolonieen von beſonderem
Belang, die Zahl der weißen Kreolen, die ich Hiſpano-Ameri-
kaner 1 nenne, und der in Europa gebürtigen Weißen zu kennen.

1 Nach dem Vorgang von Anglo-Amerikaner, welcher Aus-
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[101/0109] Schwarzen ſein werde.“ Unſer Jahrhundert ſollte dieſe Pro- phezeiung in Erfüllung gehen und eine europäiſche Kolonie in Amerika ſich in einen afrikaniſchen Staat verwandeln ſehen. Die 60000 Sklaven in den vereinigten Provinzen von Venezuela ſind ſo ungleich verteilt, daß auf die Provinz Ca- racas allein 40000 kommen, worunter ein Fünfteil Mulatten, auf Maracaybo 10000 bis 12000, auf Cumana und Barcelona kaum 6000. Um den Einfluß zu würdigen, den die Neger und die Farbigen auf die öffentliche Ruhe im allgemeinen äußern, iſt es nicht genug, daß man ihre Kopfzahl kennt, man muß auch ihre Zuſammendrängung an gewiſſen Punkten und ihre Lebensweiſe als Ackerbauer oder Stadtbewohner in Betracht ziehen. In der Provinz Venezuela ſind die Sklaven faſt alle auf einem nicht ſehr ausgedehnten Landſtriche bei- ſammen, innerhalb der Küſte und einer Linie, die (54 km von der Küſte) über Panaquire, Yare, Sabana de Ocumare, Villa de Cura und Nirgua läuft. Auf den Llanos, den weiten Ebenen von Calabozo, San Carlos, Guanare und Barqui- ſimeto zählt man nur 4000 bis 5000, die auf den Höfen zer- ſtreut und mit der Hut des Viehes beſchäftigt ſind. Die Zahl der Freigelaſſenen iſt ſehr beträchtlich, denn die ſpaniſche Ge- ſetzgebung und die Sitten leiſten der Freilaſſung Vorſchub. Der Herr darf dem Sklaven, der ihm dreihundert Piaſter bietet, die Freiheit nicht verſagen, hätte der Sklave auch wegen des beſonderen Geſchickes im Handwerk, das er treibt, doppelt ſo viel gekoſtet. Die Fälle, daß jemand im letzten Willen mehr oder weniger Sklaven die Freiheit ſchenkt, ſind in der Provinz Venezuela häufiger als irgendwo. Kurz bevor wir die fruchtbaren Thäler von Aragua und den See von Va- lencia beſuchten, hatte eine Dame im großen Dorfe La Victoria auf dem Totenbette ihren Kindern aufgegeben, ihre Sklaven, dreißig an der Zahl, freizulaſſen. Mit Vergnügen ſpreche ich von Handlungen, die den Charakter von Menſchen, die Bonpland und mir ſo viel Zuneigung und Wohlwollen be- wieſen, in ſo ſchönem Lichte zeigen. Nach den Negern iſt es in den Kolonieen von beſonderem Belang, die Zahl der weißen Kreolen, die ich Hiſpano-Ameri- kaner 1 nenne, und der in Europa gebürtigen Weißen zu kennen. 1 Nach dem Vorgang von Anglo-Amerikaner, welcher Aus- druck in alle europäiſchen Sprachen übergegangen iſt. In den

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Bd. 2. Übers. v. Hermann Hauff. Stuttgart, 1859, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial02_1859/109>, abgerufen am 24.11.2024.