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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Temperatur der Luftschicht, in der sie sich befindet, als von
der Masse des Schnees, der hineinkommt, und von der ge-
ringen Wirkung der warmen Winde im Sommer. Die im
Inneren eines Berges eingeschlossene Luft ist schwer von der
Stelle zu bringen, wie man am Monte Testaccio in Rom
sieht, dessen Temperatur von der der umgebenden Luft so
bedeutend abweicht. Wir werden in der Folge sehen, daß
am Chimborazo ungeheure Eismassen unter dem Sande liegen,
und zwar, wie auf dem Pik von Tenerifa, weit unter der
Grenze des ewigen Schnees.

Bei der Eishöhle (Cueva del Hielo) stellten bei Lape-
rouses Seereise Lamanon und Monges ihren Versuch über
die Temperatur des siedenden Wassers an. Sie fanden dieselbe
88,7°, während der Barometer auf 508 mm stand. Im
Königreich Neugranada, bei der Kapelle Guadeloupe in der
Nähe von Santa Fe de Bogota, sah ich das Wasser bei
89,9° unter einem Luftdruck von 510 mm sieden. Zu Tam-
bores, in der Provinz Popayan, fand Caldas 89,5° für die
Temperatur des siedenden Wassers bei einem Barometerstand
von 505,6 mm. Nach diesen Ergebnissen könnte man ver-
muten, daß bei Lamanons Versuch das Wasser das Maximum
seiner Temperatur nicht ganz erreicht hatte.

Der Tag brach an, als wir die Eishöhle verließen. Da
beobachteten wir in der Dämmerung eine Erscheinung, die
auf hohen Bergen häufig ist, die aber bei der Lage des Vul-
kanes, auf dem wir uns befanden, besonders auffallend her-
vortrat. Eine weiße, flockige Wolkenschicht entzog das Meer
und die niedrigen Regionen der Insel unseren Blicken. Die
Schicht schien nicht über 1560 m hoch; die Wolken waren
so gleichmäßig verbreitet und lagen so genau in einer Fläche,
daß sie sich ganz wie eine ungeheure mit Schnee bedeckte
Ebene darstellen. Die kolossale Pyramide des Piks, die vul-
kanischen Gipfel von Lanzarote, Fuerteventura und Palma
ragten wie Klippen aus dem weiten Dunstmeere empor. Ihre
dunkle Färbung stach grell vom Weiß der Wolken ab.

Während wir auf den zertrümmerten Laven des Malpays
emporklommen, wobei wir oft die Hände zu Hilfe nehmen
mußten, beobachteten wir eine merkwürdige optische Erscheinung.
Wir glaubten gegen Ost kleine Raketen in die Luft steigen
zu sehen. Leuchtende Punkte, 7 bis 8° über dem Horizont,
schienen sich zuerst senkrecht aufwärts zu bewegen, aber all-
mählich ging die Bewegung in eine wagerechte Oszillation

A. v. Humboldt, Reise. I. 6

Temperatur der Luftſchicht, in der ſie ſich befindet, als von
der Maſſe des Schnees, der hineinkommt, und von der ge-
ringen Wirkung der warmen Winde im Sommer. Die im
Inneren eines Berges eingeſchloſſene Luft iſt ſchwer von der
Stelle zu bringen, wie man am Monte Teſtaccio in Rom
ſieht, deſſen Temperatur von der der umgebenden Luft ſo
bedeutend abweicht. Wir werden in der Folge ſehen, daß
am Chimborazo ungeheure Eismaſſen unter dem Sande liegen,
und zwar, wie auf dem Pik von Tenerifa, weit unter der
Grenze des ewigen Schnees.

Bei der Eishöhle (Cueva del Hielo) ſtellten bei Lapé-
rouſes Seereiſe Lamanon und Mongès ihren Verſuch über
die Temperatur des ſiedenden Waſſers an. Sie fanden dieſelbe
88,7°, während der Barometer auf 508 mm ſtand. Im
Königreich Neugranada, bei der Kapelle Guadeloupe in der
Nähe von Santa Fé de Bogota, ſah ich das Waſſer bei
89,9° unter einem Luftdruck von 510 mm ſieden. Zu Tam-
bores, in der Provinz Popayan, fand Caldas 89,5° für die
Temperatur des ſiedenden Waſſers bei einem Barometerſtand
von 505,6 mm. Nach dieſen Ergebniſſen könnte man ver-
muten, daß bei Lamanons Verſuch das Waſſer das Maximum
ſeiner Temperatur nicht ganz erreicht hatte.

Der Tag brach an, als wir die Eishöhle verließen. Da
beobachteten wir in der Dämmerung eine Erſcheinung, die
auf hohen Bergen häufig iſt, die aber bei der Lage des Vul-
kanes, auf dem wir uns befanden, beſonders auffallend her-
vortrat. Eine weiße, flockige Wolkenſchicht entzog das Meer
und die niedrigen Regionen der Inſel unſeren Blicken. Die
Schicht ſchien nicht über 1560 m hoch; die Wolken waren
ſo gleichmäßig verbreitet und lagen ſo genau in einer Fläche,
daß ſie ſich ganz wie eine ungeheure mit Schnee bedeckte
Ebene darſtellen. Die koloſſale Pyramide des Piks, die vul-
kaniſchen Gipfel von Lanzarote, Fuerteventura und Palma
ragten wie Klippen aus dem weiten Dunſtmeere empor. Ihre
dunkle Färbung ſtach grell vom Weiß der Wolken ab.

Während wir auf den zertrümmerten Laven des Malpays
emporklommen, wobei wir oft die Hände zu Hilfe nehmen
mußten, beobachteten wir eine merkwürdige optiſche Erſcheinung.
Wir glaubten gegen Oſt kleine Raketen in die Luft ſteigen
zu ſehen. Leuchtende Punkte, 7 bis 8° über dem Horizont,
ſchienen ſich zuerſt ſenkrecht aufwärts zu bewegen, aber all-
mählich ging die Bewegung in eine wagerechte Oszillation

A. v. Humboldt, Reiſe. I. 6
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[81/0097] Temperatur der Luftſchicht, in der ſie ſich befindet, als von der Maſſe des Schnees, der hineinkommt, und von der ge- ringen Wirkung der warmen Winde im Sommer. Die im Inneren eines Berges eingeſchloſſene Luft iſt ſchwer von der Stelle zu bringen, wie man am Monte Teſtaccio in Rom ſieht, deſſen Temperatur von der der umgebenden Luft ſo bedeutend abweicht. Wir werden in der Folge ſehen, daß am Chimborazo ungeheure Eismaſſen unter dem Sande liegen, und zwar, wie auf dem Pik von Tenerifa, weit unter der Grenze des ewigen Schnees. Bei der Eishöhle (Cueva del Hielo) ſtellten bei Lapé- rouſes Seereiſe Lamanon und Mongès ihren Verſuch über die Temperatur des ſiedenden Waſſers an. Sie fanden dieſelbe 88,7°, während der Barometer auf 508 mm ſtand. Im Königreich Neugranada, bei der Kapelle Guadeloupe in der Nähe von Santa Fé de Bogota, ſah ich das Waſſer bei 89,9° unter einem Luftdruck von 510 mm ſieden. Zu Tam- bores, in der Provinz Popayan, fand Caldas 89,5° für die Temperatur des ſiedenden Waſſers bei einem Barometerſtand von 505,6 mm. Nach dieſen Ergebniſſen könnte man ver- muten, daß bei Lamanons Verſuch das Waſſer das Maximum ſeiner Temperatur nicht ganz erreicht hatte. Der Tag brach an, als wir die Eishöhle verließen. Da beobachteten wir in der Dämmerung eine Erſcheinung, die auf hohen Bergen häufig iſt, die aber bei der Lage des Vul- kanes, auf dem wir uns befanden, beſonders auffallend her- vortrat. Eine weiße, flockige Wolkenſchicht entzog das Meer und die niedrigen Regionen der Inſel unſeren Blicken. Die Schicht ſchien nicht über 1560 m hoch; die Wolken waren ſo gleichmäßig verbreitet und lagen ſo genau in einer Fläche, daß ſie ſich ganz wie eine ungeheure mit Schnee bedeckte Ebene darſtellen. Die koloſſale Pyramide des Piks, die vul- kaniſchen Gipfel von Lanzarote, Fuerteventura und Palma ragten wie Klippen aus dem weiten Dunſtmeere empor. Ihre dunkle Färbung ſtach grell vom Weiß der Wolken ab. Während wir auf den zertrümmerten Laven des Malpays emporklommen, wobei wir oft die Hände zu Hilfe nehmen mußten, beobachteten wir eine merkwürdige optiſche Erſcheinung. Wir glaubten gegen Oſt kleine Raketen in die Luft ſteigen zu ſehen. Leuchtende Punkte, 7 bis 8° über dem Horizont, ſchienen ſich zuerſt ſenkrecht aufwärts zu bewegen, aber all- mählich ging die Bewegung in eine wagerechte Oszillation A. v. Humboldt, Reiſe. I. 6

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/97>, abgerufen am 25.11.2024.