Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Estancia de los Ingleses, 1 ohne Zweifel, weil früher Gegen drei Uhr morgens brachen wir beim trüben Schein 1 Diese Benennung war schon zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts im Brauch. Edens, der alle spanischen Wörter verdreht, wie noch heute die meisten Reisenden, nennt sie Stancha; es ist Bordas Station des rochers, wie aus den daselbst beobachteten Barometerhöhen hervorgeht. Diese Höhen waren nach Cordier im Jahre 1803 527 mm, und nach Borda und Varela im Jahre 1776 528 mm, während der Barometer zu Orotava bis auf 2,22 mm ebenso hoch stand. Estancia de los Ingleses, 1 ohne Zweifel, weil früher Gegen drei Uhr morgens brachen wir beim trüben Schein 1 Dieſe Benennung war ſchon zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts im Brauch. Edens, der alle ſpaniſchen Wörter verdreht, wie noch heute die meiſten Reiſenden, nennt ſie Stancha; es iſt Bordas Station des rochers, wie aus den daſelbſt beobachteten Barometerhöhen hervorgeht. Dieſe Höhen waren nach Cordier im Jahre 1803 527 mm, und nach Borda und Varela im Jahre 1776 528 mm, während der Barometer zu Orotava bis auf 2,22 mm ebenſo hoch ſtand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0095" n="79"/><hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Estancia de los Ingleses,</hi></hi><note place="foot" n="1">Dieſe Benennung war ſchon zu Anfang des vorigen Jahr-<lb/> hunderts im Brauch. Edens, der alle ſpaniſchen Wörter verdreht,<lb/> wie noch heute die meiſten Reiſenden, nennt ſie <hi rendition="#g">Stancha</hi>; es iſt<lb/> Bordas <hi rendition="#aq">Station des rochers,</hi> wie aus den daſelbſt beobachteten<lb/> Barometerhöhen hervorgeht. Dieſe Höhen waren nach Cordier im<lb/> Jahre 1803 527 <hi rendition="#aq">mm</hi>, und nach Borda und Varela im Jahre 1776<lb/> 528 <hi rendition="#aq">mm</hi>, während der Barometer zu Orotava bis auf 2,22 <hi rendition="#aq">mm</hi><lb/> ebenſo hoch ſtand.</note> ohne Zweifel, weil früher<lb/> die Engländer den Pik am häufigſten beſuchten. Zwei über-<lb/> hängende Felſen bilden eine Art Höhle, die Schutz gegen den<lb/> Wind bietet. Bis zu dieſem Orte, der bereits höher liegt<lb/> als der Gipfel des Canigou, kann man auf, Maultieren ge-<lb/> langen; viele Neugierige, die beim Abgang von Orotava den<lb/> Kraterrand erreichen zu können glaubten, bleiben daher hier<lb/> liegen. Obgleich es Sommer war und der ſchöne afrikaniſche<lb/> Himmel über uns, hatten wir doch in der Nacht von der<lb/> Kälte zu leiden. Der Thermometer fiel auf 5°. Unſere<lb/> Führer machten ein großes Feuer von dürren Zweigen der<lb/> Retama an. Ohne Zelt und Mäntel lagerten wir uns auf<lb/> Haufen verbrannten Geſteins, und die Flammen und der<lb/> Rauch, die der Wind beſtändig gegen uns hertrieb, wurden<lb/> uns ſehr läſtig. Wir hatten noch nie eine Nacht in ſo be-<lb/> deutender Höhe zugebracht, und ich ahnte damals nicht, daß<lb/> wir einſt in Städten wohnen würden, die höher liegen als<lb/> die Spitze des Vulkanes, den wir morgen vollends beſteigen<lb/> ſollten. Je tiefer die Temperatur ſank, deſto mehr bedeckte<lb/> ſich der Pik mit dicken Wolken. Bei Nacht ſtockt der Zug<lb/> des Stromes, der den Tag über von den Ebenen in die hohen<lb/> Luftregionen aufſteigt, und im Maße, als ſich die Luft ab-<lb/> kühlt, nimmt auch ihre das Waſſer auflöſende Kraft ab. Ein<lb/> ſehr ſtarker Nordwind jagte die Wolken; von Zeit zu Zeit<lb/> brach der Mond durch das Gewölk und ſeine Scheibe glänzte<lb/> auf tief dunkelblauem Grunde; im Angeſicht des Vulkanes<lb/> hatte dieſe nächtliche Szene etwas wahrhaft Großartiges. Der<lb/> Pik verſchwand bald gänzlich im Nebel, bald erſchien er un-<lb/> heimlich nahe gerückt und warf wie eine ungeheure Pyramide<lb/> ſeinen Schatten auf die Wolken unter uns.</p><lb/> <p>Gegen drei Uhr morgens brachen wir beim trüben Schein<lb/> einiger Kienfackeln nach der Spitze des Piton auf. Man<lb/> beginnt die Beſteigung an der Nordoſtſeite, wo der Abhang<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0095]
Estancia de los Ingleses, 1 ohne Zweifel, weil früher
die Engländer den Pik am häufigſten beſuchten. Zwei über-
hängende Felſen bilden eine Art Höhle, die Schutz gegen den
Wind bietet. Bis zu dieſem Orte, der bereits höher liegt
als der Gipfel des Canigou, kann man auf, Maultieren ge-
langen; viele Neugierige, die beim Abgang von Orotava den
Kraterrand erreichen zu können glaubten, bleiben daher hier
liegen. Obgleich es Sommer war und der ſchöne afrikaniſche
Himmel über uns, hatten wir doch in der Nacht von der
Kälte zu leiden. Der Thermometer fiel auf 5°. Unſere
Führer machten ein großes Feuer von dürren Zweigen der
Retama an. Ohne Zelt und Mäntel lagerten wir uns auf
Haufen verbrannten Geſteins, und die Flammen und der
Rauch, die der Wind beſtändig gegen uns hertrieb, wurden
uns ſehr läſtig. Wir hatten noch nie eine Nacht in ſo be-
deutender Höhe zugebracht, und ich ahnte damals nicht, daß
wir einſt in Städten wohnen würden, die höher liegen als
die Spitze des Vulkanes, den wir morgen vollends beſteigen
ſollten. Je tiefer die Temperatur ſank, deſto mehr bedeckte
ſich der Pik mit dicken Wolken. Bei Nacht ſtockt der Zug
des Stromes, der den Tag über von den Ebenen in die hohen
Luftregionen aufſteigt, und im Maße, als ſich die Luft ab-
kühlt, nimmt auch ihre das Waſſer auflöſende Kraft ab. Ein
ſehr ſtarker Nordwind jagte die Wolken; von Zeit zu Zeit
brach der Mond durch das Gewölk und ſeine Scheibe glänzte
auf tief dunkelblauem Grunde; im Angeſicht des Vulkanes
hatte dieſe nächtliche Szene etwas wahrhaft Großartiges. Der
Pik verſchwand bald gänzlich im Nebel, bald erſchien er un-
heimlich nahe gerückt und warf wie eine ungeheure Pyramide
ſeinen Schatten auf die Wolken unter uns.
Gegen drei Uhr morgens brachen wir beim trüben Schein
einiger Kienfackeln nach der Spitze des Piton auf. Man
beginnt die Beſteigung an der Nordoſtſeite, wo der Abhang
1 Dieſe Benennung war ſchon zu Anfang des vorigen Jahr-
hunderts im Brauch. Edens, der alle ſpaniſchen Wörter verdreht,
wie noch heute die meiſten Reiſenden, nennt ſie Stancha; es iſt
Bordas Station des rochers, wie aus den daſelbſt beobachteten
Barometerhöhen hervorgeht. Dieſe Höhen waren nach Cordier im
Jahre 1803 527 mm, und nach Borda und Varela im Jahre 1776
528 mm, während der Barometer zu Orotava bis auf 2,22 mm
ebenſo hoch ſtand.
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