Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.über die Ebene des Ginsters zu kommen, die nichts ist als Bis zum Felsen Gayta, das heißt bis zum Anfang der Ueber der Region des Spartium nubigenum kamen wir 1 Einer der Botaniker, die auf Laperouses Seereise umkamen.
über die Ebene des Ginſters zu kommen, die nichts iſt als Bis zum Felſen Gayta, das heißt bis zum Anfang der Ueber der Region des Spartium nubigenum kamen wir 1 Einer der Botaniker, die auf Lapérouſes Seereiſe umkamen.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0094" n="78"/> über die Ebene des Ginſters zu kommen, die nichts iſt als<lb/> ein ungeheures Sandmeer. Trotz der hohen Lage zeigte hier<lb/> der hundertteilige Thermometer gegen Sonnenuntergang 13,8°,<lb/> das heißt 3,7° mehr als mitten am Tage auf dem Monte<lb/> Verde. Dieſer höhere Wärmegrad kann nur von der Strah-<lb/> lung des Bodens und von der weiten Ausdehnung der Hoch-<lb/> ebene herrühren. Wir litten ſehr vom erſtickenden Bimsſtein-<lb/> ſtaub, in den wir fortwährend gehüllt waren. Mitten in der<lb/> Ebene ſtehen Büſche von <hi rendition="#g">Retama</hi>, dem <hi rendition="#aq">Spartium nubi-<lb/> genum</hi> d’Aitons. Dieſer ſchöne Strauch, den de Martini<hi rendition="#aq">è</hi>re <note place="foot" n="1">Einer der Botaniker, die auf Lap<hi rendition="#aq">é</hi>rouſes Seereiſe umkamen.</note><lb/> in Languedoc, wo Feuermaterial ſelten iſt, einzuführen rät,<lb/> wird 3 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch, er iſt mit wohlriechenden Blüten bedeckt,<lb/> und die Ziegenjäger, denen wir unterwegs begegneten, hatten<lb/> ihre Strohhüte damit geſchmückt. Die dunkelbraunen Ziegen<lb/> des Piks gelten für Leckerbiſſen; ſie nähren ſich von den<lb/> Blättern des Spartium und ſind in dieſen Einöden ſeit<lb/> unvordenklicher Zeit verwildert. Man hat ſie ſogar nach<lb/> Madeira verpflanzt, wo ſie geſchätzter ſind, als die Ziegen aus<lb/> Europa.</p><lb/> <p>Bis zum Felſen Gayta, das heißt bis zum Anfang der<lb/> großen Ebene des Ginſters iſt der Pik von Tenerifa mit<lb/> ſchönem Pflanzenwuchs überzogen, und nichts weiſt auf Ver-<lb/> wüſtungen in neuerer Zeit hin. Man meint einen Vulkan<lb/> zu beſteigen, deſſen Feuer ſo lange erloſchen iſt, wie das des<lb/> Monte Cavo bei Rom. Kaum hat man die mit Bimsſtein<lb/> bedeckte Ebene betreten, ſo nimmt die Landſchaft einen ganz<lb/> anderen Charakter an; bei jedem Schritt ſtößt man auf un-<lb/> geheure Obſidianblöcke, die der Vulkan ausgeworfen. Alles<lb/> ringsum iſt öd und ſtill; ein paar Ziegen und Kaninchen<lb/> ſind die einzigen Bewohner dieſer Hochebene. Das unfrucht-<lb/> bare Stück des Piks mißt über 200 <hi rendition="#aq">qkm</hi>, und da die unteren<lb/> Regionen, von ferne geſehen, in Verkürzung erſcheinen, ſo<lb/> ſtellt ſich die ganze Inſel als ein ungeheurer Haufen ver-<lb/> brannten Geſteins dar, um den ſich die Vegetation nur wie<lb/> ein ſchmaler Gürtel zieht.</p><lb/> <p>Ueber der Region des <hi rendition="#aq">Spartium nubigenum</hi> kamen wir<lb/> durch enge Schründe und kleine, ſehr alte, vom Regenwaſſer<lb/> ausgeſpülte Schluchten zuerſt auf ein höheres Plateau und<lb/> dann an den Ort, wo wir die Nacht zubringen ſollten. Dieſer<lb/> Platz, der mehr als 2982 <hi rendition="#aq">m</hi> über der Küſte liegt, heißt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0094]
über die Ebene des Ginſters zu kommen, die nichts iſt als
ein ungeheures Sandmeer. Trotz der hohen Lage zeigte hier
der hundertteilige Thermometer gegen Sonnenuntergang 13,8°,
das heißt 3,7° mehr als mitten am Tage auf dem Monte
Verde. Dieſer höhere Wärmegrad kann nur von der Strah-
lung des Bodens und von der weiten Ausdehnung der Hoch-
ebene herrühren. Wir litten ſehr vom erſtickenden Bimsſtein-
ſtaub, in den wir fortwährend gehüllt waren. Mitten in der
Ebene ſtehen Büſche von Retama, dem Spartium nubi-
genum d’Aitons. Dieſer ſchöne Strauch, den de Martinière 1
in Languedoc, wo Feuermaterial ſelten iſt, einzuführen rät,
wird 3 m hoch, er iſt mit wohlriechenden Blüten bedeckt,
und die Ziegenjäger, denen wir unterwegs begegneten, hatten
ihre Strohhüte damit geſchmückt. Die dunkelbraunen Ziegen
des Piks gelten für Leckerbiſſen; ſie nähren ſich von den
Blättern des Spartium und ſind in dieſen Einöden ſeit
unvordenklicher Zeit verwildert. Man hat ſie ſogar nach
Madeira verpflanzt, wo ſie geſchätzter ſind, als die Ziegen aus
Europa.
Bis zum Felſen Gayta, das heißt bis zum Anfang der
großen Ebene des Ginſters iſt der Pik von Tenerifa mit
ſchönem Pflanzenwuchs überzogen, und nichts weiſt auf Ver-
wüſtungen in neuerer Zeit hin. Man meint einen Vulkan
zu beſteigen, deſſen Feuer ſo lange erloſchen iſt, wie das des
Monte Cavo bei Rom. Kaum hat man die mit Bimsſtein
bedeckte Ebene betreten, ſo nimmt die Landſchaft einen ganz
anderen Charakter an; bei jedem Schritt ſtößt man auf un-
geheure Obſidianblöcke, die der Vulkan ausgeworfen. Alles
ringsum iſt öd und ſtill; ein paar Ziegen und Kaninchen
ſind die einzigen Bewohner dieſer Hochebene. Das unfrucht-
bare Stück des Piks mißt über 200 qkm, und da die unteren
Regionen, von ferne geſehen, in Verkürzung erſcheinen, ſo
ſtellt ſich die ganze Inſel als ein ungeheurer Haufen ver-
brannten Geſteins dar, um den ſich die Vegetation nur wie
ein ſchmaler Gürtel zieht.
Ueber der Region des Spartium nubigenum kamen wir
durch enge Schründe und kleine, ſehr alte, vom Regenwaſſer
ausgeſpülte Schluchten zuerſt auf ein höheres Plateau und
dann an den Ort, wo wir die Nacht zubringen ſollten. Dieſer
Platz, der mehr als 2982 m über der Küſte liegt, heißt
1 Einer der Botaniker, die auf Lapérouſes Seereiſe umkamen.
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