Im Winter ist das Klima von Laguna sehr neblig und die Einwohner beklagen sich häufig über Frost. Man hat in- dessen nie schneien sehen, woraus man schließen sollte, daß die mittlere Temperatur der Stadt über 18,7° (15° R.) beträgt, das heißt mehr als in Neapel. Für streng kann dieser Schluß nicht gelten; denn im Winter hängt die Erkältung der Wolken weniger von der mittleren Temperatur des ganzen Jahres ab als vielmehr von der augenblicklichen Erniedrigung der Wärme, der ein Ort vermöge seiner besonderen Lage ausgesetzt ist. Die mittlere Temperatur der Hauptstadt von Mexiko ist z. B. nur 16,8° (13,5° R.), und doch hat man in hundert Jahren nur ein einziges Mal schneien sehen, während es im südlichen Europa und in Afrika noch an Orten schneit, die über 19° mittlere Temperatur haben.
Wegen der Nähe des Meeres ist das Klima von Laguna im Winter milder, als es nach der Meereshöhe sein sollte. Herr Broussonet hat sogar, wie ich mit Verwunderung hörte, mitten in der Stadt, im Garten des Marquis von Nava, Brotfruchtbäume (Artocarpus incisa) und Zimtbäume (Laurus cinnamomum) angepflanzt. Diese köstlichen Ge- wächse der Südsee und Ostindiens wurden hier einheimisch, wie auch in Orotava. Sollte dieser Versuch nicht beweisen, daß der Brotfruchtbaum in Kalabrien, auf Sizilien und in Granada fortkäme? Der Anbau des Kaffeebaumes ist in La- guna nicht in gleichem Maße gelungen, wenn auch die Früchte bei Tegueste und zwischen dem Hafen von Orotava und dem Dorfe San Juan de la Rambla reif werden. Wahrscheinlich sind örtliche Verhältnisse, vielleicht die Beschaffenheit des Bodens und die Winde, die in der Blütezeit wehen, daran schuld. In anderen Ländern, z. B. bei Neapel, trägt der Kaffeebaum ziemlich reichlich Früchte, obgleich die mittlere Tem- peratur kaum über 18° der hundertteiligen Skale beträgt.
Auf Tenerifa ist die mittlere Höhe, in der jährlich Schnee fällt, noch niemals bestimmt worden. Solches ist mittels barometrischer Messung leicht auszuführen, es ist aber bis jetzt fast in allen Erdstrichen versäumt worden; und doch ist diese Bestimmung von großem Belang für den Ackerbau in den Kolonieen und für die Meteorologie, und ganz so wichtig als das Höhenmaß der unteren Grenze des ewigen Schnees. Ich stelle die Ergebnisse meiner betreffenden Beobachtungen in folgender Uebersicht zusammen.
A. v. Humboldt, Reise. I. 5
Im Winter iſt das Klima von Laguna ſehr neblig und die Einwohner beklagen ſich häufig über Froſt. Man hat in- deſſen nie ſchneien ſehen, woraus man ſchließen ſollte, daß die mittlere Temperatur der Stadt über 18,7° (15° R.) beträgt, das heißt mehr als in Neapel. Für ſtreng kann dieſer Schluß nicht gelten; denn im Winter hängt die Erkältung der Wolken weniger von der mittleren Temperatur des ganzen Jahres ab als vielmehr von der augenblicklichen Erniedrigung der Wärme, der ein Ort vermöge ſeiner beſonderen Lage ausgeſetzt iſt. Die mittlere Temperatur der Hauptſtadt von Mexiko iſt z. B. nur 16,8° (13,5° R.), und doch hat man in hundert Jahren nur ein einziges Mal ſchneien ſehen, während es im ſüdlichen Europa und in Afrika noch an Orten ſchneit, die über 19° mittlere Temperatur haben.
Wegen der Nähe des Meeres iſt das Klima von Laguna im Winter milder, als es nach der Meereshöhe ſein ſollte. Herr Brouſſonet hat ſogar, wie ich mit Verwunderung hörte, mitten in der Stadt, im Garten des Marquis von Nava, Brotfruchtbäume (Artocarpus incisa) und Zimtbäume (Laurus cinnamomum) angepflanzt. Dieſe köſtlichen Ge- wächſe der Südſee und Oſtindiens wurden hier einheimiſch, wie auch in Orotava. Sollte dieſer Verſuch nicht beweiſen, daß der Brotfruchtbaum in Kalabrien, auf Sizilien und in Granada fortkäme? Der Anbau des Kaffeebaumes iſt in La- guna nicht in gleichem Maße gelungen, wenn auch die Früchte bei Tegueſte und zwiſchen dem Hafen von Orotava und dem Dorfe San Juan de la Rambla reif werden. Wahrſcheinlich ſind örtliche Verhältniſſe, vielleicht die Beſchaffenheit des Bodens und die Winde, die in der Blütezeit wehen, daran ſchuld. In anderen Ländern, z. B. bei Neapel, trägt der Kaffeebaum ziemlich reichlich Früchte, obgleich die mittlere Tem- peratur kaum über 18° der hundertteiligen Skale beträgt.
Auf Tenerifa iſt die mittlere Höhe, in der jährlich Schnee fällt, noch niemals beſtimmt worden. Solches iſt mittels barometriſcher Meſſung leicht auszuführen, es iſt aber bis jetzt faſt in allen Erdſtrichen verſäumt worden; und doch iſt dieſe Beſtimmung von großem Belang für den Ackerbau in den Kolonieen und für die Meteorologie, und ganz ſo wichtig als das Höhenmaß der unteren Grenze des ewigen Schnees. Ich ſtelle die Ergebniſſe meiner betreffenden Beobachtungen in folgender Ueberſicht zuſammen.
A. v. Humboldt, Reiſe. I. 5
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Im Winter iſt das Klima von Laguna ſehr neblig und
die Einwohner beklagen ſich häufig über Froſt. Man hat in-
deſſen nie ſchneien ſehen, woraus man ſchließen ſollte, daß die
mittlere Temperatur der Stadt über 18,7° (15° R.) beträgt,
das heißt mehr als in Neapel. Für ſtreng kann dieſer Schluß
nicht gelten; denn im Winter hängt die Erkältung der Wolken
weniger von der mittleren Temperatur des ganzen Jahres ab
als vielmehr von der augenblicklichen Erniedrigung der Wärme,
der ein Ort vermöge ſeiner beſonderen Lage ausgeſetzt iſt.
Die mittlere Temperatur der Hauptſtadt von Mexiko iſt z. B.
nur 16,8° (13,5° R.), und doch hat man in hundert Jahren
nur ein einziges Mal ſchneien ſehen, während es im ſüdlichen
Europa und in Afrika noch an Orten ſchneit, die über 19°
mittlere Temperatur haben.
Wegen der Nähe des Meeres iſt das Klima von Laguna
im Winter milder, als es nach der Meereshöhe ſein ſollte.
Herr Brouſſonet hat ſogar, wie ich mit Verwunderung hörte,
mitten in der Stadt, im Garten des Marquis von Nava,
Brotfruchtbäume (Artocarpus incisa) und Zimtbäume
(Laurus cinnamomum) angepflanzt. Dieſe köſtlichen Ge-
wächſe der Südſee und Oſtindiens wurden hier einheimiſch,
wie auch in Orotava. Sollte dieſer Verſuch nicht beweiſen,
daß der Brotfruchtbaum in Kalabrien, auf Sizilien und in
Granada fortkäme? Der Anbau des Kaffeebaumes iſt in La-
guna nicht in gleichem Maße gelungen, wenn auch die Früchte
bei Tegueſte und zwiſchen dem Hafen von Orotava und dem
Dorfe San Juan de la Rambla reif werden. Wahrſcheinlich
ſind örtliche Verhältniſſe, vielleicht die Beſchaffenheit des
Bodens und die Winde, die in der Blütezeit wehen, daran
ſchuld. In anderen Ländern, z. B. bei Neapel, trägt der
Kaffeebaum ziemlich reichlich Früchte, obgleich die mittlere Tem-
peratur kaum über 18° der hundertteiligen Skale beträgt.
Auf Tenerifa iſt die mittlere Höhe, in der jährlich Schnee
fällt, noch niemals beſtimmt worden. Solches iſt mittels
barometriſcher Meſſung leicht auszuführen, es iſt aber bis jetzt
faſt in allen Erdſtrichen verſäumt worden; und doch iſt dieſe
Beſtimmung von großem Belang für den Ackerbau in den
Kolonieen und für die Meteorologie, und ganz ſo wichtig als
das Höhenmaß der unteren Grenze des ewigen Schnees. Ich
ſtelle die Ergebniſſe meiner betreffenden Beobachtungen in
folgender Ueberſicht zuſammen.
A. v. Humboldt, Reiſe. I. 5
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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