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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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großer Entfernung zum Vorschein kommen, ein andermal in
weit größerer Nähe nicht sichtbar sind, obgleich der Himmel
klar erscheint und der Horizont nicht dunstig ist. Diese Um-
stände verdienen die Aufmerksamkeit des Physikers um so mehr,
als viele Fahrzeuge auf der Rückreise nach Europa mit Un-
geduld des Erscheinens dieser Berge harren, um ihre Länge
danach zu berichtigen, und sie sich weiter davon entfernt glauben,
als sie in Wahrheit sind, wenn sie sie bei hellem Wetter in
Entfernungen, wo die Sehwinkel schon sehr bedeutend sein
müßten, nicht sehen können. Der Zustand der Atmosphäre
hat den bedeutendsten Einfluß auf die Sichtbarkeit ferner
Gegenstände. Im allgemeinen läßt sich annehmen, daß der
Pik von Tenerifa im Juli und August, bei sehr warmem,
trockenem Wetter, ziemlich selten sehr weit gesehen wird, daß
er dagegen im Januar und Februar, bei leicht bedecktem
Himmel und unmittelbar nach oder einige Stunden vor einem
starken Regen in außerordentlich großer Entfernung zu Gesicht
kommt. Die Durchsichtigkeit der Luft scheint, wie schon oben
bemerkt, in erstaunlichem Maße erhöht zu werden, wenn eine
gewisse Menge Wasser gleichförmig in derselben verbreitet ist.
Zudem darf man sich nicht wundern, wenn man den Pik de
Teyde seltener sehr weit sieht als die Gipfel der Anden, die
ich so lange Zeit habe beobachten können. Der Pik ist nicht
so hoch als der Teil des Atlas, an dessen Abhang die Stadt
Marokko liegt, und nicht wie dieser mit ewigem Schnee be-
deckt. Der Piton oder Zuckerhut, der die oberste Spitze
des Piks bildet, wirft allerdings vieles Licht zurück, weil der
aus dem Krater ausgeworfene Bimsstein von weißlicher Farbe
ist; aber dieser kleine abgestutzte Kegel mißt nur ein Zwanzigteil
der ganzen Höhe. Die Wände des Vulkanes sind entweder
mit schwarzen, verschlackten Lavablöcken oder mit einem kräf-
tigen Pflanzenwuchs bedeckt, dessen Masse um so weniger Licht

annähernde Schätzungen. Der Kapitän des Pizarro, Don Manuel
Cagigal, hat mir aus seinem Tagebuch bewiesen, daß er den Pik
der Azoren auf 166 km Entfernung gesehen hat, zu einer Zeit, wo
er seiner Länge wenigstens bis auf 2 Minuten gewiß war. Der
Vulkan wurde in Süd 4° Ost gesehen, so daß der Irrtum in der
Länge auf die Schätzung der Entfernung nur ganz unbedeutenden
Einfluß haben konnte. Indessen war der Winkel, unter dem der
Pik der Azoren erschien, so groß, daß Cagigal der Meinung ist,
der Vulkan müsse auf mehr als 180 oder 190 km zu sehen sein.
Der Abstand von 166 km setzt eine Höhe von 2789 m voraus.

großer Entfernung zum Vorſchein kommen, ein andermal in
weit größerer Nähe nicht ſichtbar ſind, obgleich der Himmel
klar erſcheint und der Horizont nicht dunſtig iſt. Dieſe Um-
ſtände verdienen die Aufmerkſamkeit des Phyſikers um ſo mehr,
als viele Fahrzeuge auf der Rückreiſe nach Europa mit Un-
geduld des Erſcheinens dieſer Berge harren, um ihre Länge
danach zu berichtigen, und ſie ſich weiter davon entfernt glauben,
als ſie in Wahrheit ſind, wenn ſie ſie bei hellem Wetter in
Entfernungen, wo die Sehwinkel ſchon ſehr bedeutend ſein
müßten, nicht ſehen können. Der Zuſtand der Atmoſphäre
hat den bedeutendſten Einfluß auf die Sichtbarkeit ferner
Gegenſtände. Im allgemeinen läßt ſich annehmen, daß der
Pik von Tenerifa im Juli und Auguſt, bei ſehr warmem,
trockenem Wetter, ziemlich ſelten ſehr weit geſehen wird, daß
er dagegen im Januar und Februar, bei leicht bedecktem
Himmel und unmittelbar nach oder einige Stunden vor einem
ſtarken Regen in außerordentlich großer Entfernung zu Geſicht
kommt. Die Durchſichtigkeit der Luft ſcheint, wie ſchon oben
bemerkt, in erſtaunlichem Maße erhöht zu werden, wenn eine
gewiſſe Menge Waſſer gleichförmig in derſelben verbreitet iſt.
Zudem darf man ſich nicht wundern, wenn man den Pik de
Teyde ſeltener ſehr weit ſieht als die Gipfel der Anden, die
ich ſo lange Zeit habe beobachten können. Der Pik iſt nicht
ſo hoch als der Teil des Atlas, an deſſen Abhang die Stadt
Marokko liegt, und nicht wie dieſer mit ewigem Schnee be-
deckt. Der Piton oder Zuckerhut, der die oberſte Spitze
des Piks bildet, wirft allerdings vieles Licht zurück, weil der
aus dem Krater ausgeworfene Bimsſtein von weißlicher Farbe
iſt; aber dieſer kleine abgeſtutzte Kegel mißt nur ein Zwanzigteil
der ganzen Höhe. Die Wände des Vulkanes ſind entweder
mit ſchwarzen, verſchlackten Lavablöcken oder mit einem kräf-
tigen Pflanzenwuchs bedeckt, deſſen Maſſe um ſo weniger Licht

annähernde Schätzungen. Der Kapitän des Pizarro, Don Manuel
Cagigal, hat mir aus ſeinem Tagebuch bewieſen, daß er den Pik
der Azoren auf 166 km Entfernung geſehen hat, zu einer Zeit, wo
er ſeiner Länge wenigſtens bis auf 2 Minuten gewiß war. Der
Vulkan wurde in Süd 4° Oſt geſehen, ſo daß der Irrtum in der
Länge auf die Schätzung der Entfernung nur ganz unbedeutenden
Einfluß haben konnte. Indeſſen war der Winkel, unter dem der
Pik der Azoren erſchien, ſo groß, daß Cagigal der Meinung iſt,
der Vulkan müſſe auf mehr als 180 oder 190 km zu ſehen ſein.
Der Abſtand von 166 km ſetzt eine Höhe von 2789 m voraus.
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[50/0066] großer Entfernung zum Vorſchein kommen, ein andermal in weit größerer Nähe nicht ſichtbar ſind, obgleich der Himmel klar erſcheint und der Horizont nicht dunſtig iſt. Dieſe Um- ſtände verdienen die Aufmerkſamkeit des Phyſikers um ſo mehr, als viele Fahrzeuge auf der Rückreiſe nach Europa mit Un- geduld des Erſcheinens dieſer Berge harren, um ihre Länge danach zu berichtigen, und ſie ſich weiter davon entfernt glauben, als ſie in Wahrheit ſind, wenn ſie ſie bei hellem Wetter in Entfernungen, wo die Sehwinkel ſchon ſehr bedeutend ſein müßten, nicht ſehen können. Der Zuſtand der Atmoſphäre hat den bedeutendſten Einfluß auf die Sichtbarkeit ferner Gegenſtände. Im allgemeinen läßt ſich annehmen, daß der Pik von Tenerifa im Juli und Auguſt, bei ſehr warmem, trockenem Wetter, ziemlich ſelten ſehr weit geſehen wird, daß er dagegen im Januar und Februar, bei leicht bedecktem Himmel und unmittelbar nach oder einige Stunden vor einem ſtarken Regen in außerordentlich großer Entfernung zu Geſicht kommt. Die Durchſichtigkeit der Luft ſcheint, wie ſchon oben bemerkt, in erſtaunlichem Maße erhöht zu werden, wenn eine gewiſſe Menge Waſſer gleichförmig in derſelben verbreitet iſt. Zudem darf man ſich nicht wundern, wenn man den Pik de Teyde ſeltener ſehr weit ſieht als die Gipfel der Anden, die ich ſo lange Zeit habe beobachten können. Der Pik iſt nicht ſo hoch als der Teil des Atlas, an deſſen Abhang die Stadt Marokko liegt, und nicht wie dieſer mit ewigem Schnee be- deckt. Der Piton oder Zuckerhut, der die oberſte Spitze des Piks bildet, wirft allerdings vieles Licht zurück, weil der aus dem Krater ausgeworfene Bimsſtein von weißlicher Farbe iſt; aber dieſer kleine abgeſtutzte Kegel mißt nur ein Zwanzigteil der ganzen Höhe. Die Wände des Vulkanes ſind entweder mit ſchwarzen, verſchlackten Lavablöcken oder mit einem kräf- tigen Pflanzenwuchs bedeckt, deſſen Maſſe um ſo weniger Licht 1 1 annähernde Schätzungen. Der Kapitän des Pizarro, Don Manuel Cagigal, hat mir aus ſeinem Tagebuch bewieſen, daß er den Pik der Azoren auf 166 km Entfernung geſehen hat, zu einer Zeit, wo er ſeiner Länge wenigſtens bis auf 2 Minuten gewiß war. Der Vulkan wurde in Süd 4° Oſt geſehen, ſo daß der Irrtum in der Länge auf die Schätzung der Entfernung nur ganz unbedeutenden Einfluß haben konnte. Indeſſen war der Winkel, unter dem der Pik der Azoren erſchien, ſo groß, daß Cagigal der Meinung iſt, der Vulkan müſſe auf mehr als 180 oder 190 km zu ſehen ſein. Der Abſtand von 166 km ſetzt eine Höhe von 2789 m voraus.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/66>, abgerufen am 22.11.2024.