nicht berührt habe. Nicht ohne ein Gefühl von Wehmut ge- denke ich einer Expedition, die mehrfach in mein Leben ein- greift, und die kürzlich von einem Gelehrten 1 beschrieben worden ist, den die Menge der Entdeckungen, welche die Wissenschaft ihm dankt, und der aufopfernde Mut, den er auf seiner Laufbahn unter den härtesten Entbehrungen und Leiden bewiesen, gleich hoch stellen.
Ich hatte auf die Reise nach Spanien nicht meine ganze Sammlung physikalischer, geodätischer und astronomischer Werk- zeuge mitnehmen können; ich hatte die Dubletten in Mar- seille in Verwahrung gegeben und wollte sie, sobald ich Gelegenheit gefunden hätte, an die Küste der Berberei zu gelangen, nach Algier oder Tunis nachkommen lassen. In ruhigen Zeiten ist Reisenden sehr zu raten, daß sie sich nicht mit allen ihren Instrumenten beladen; man läßt sie besser nachkommen, um nach einigen Jahren diejenigen zu ersetzen, die durch den Gebrauch oder auf dem Transport gelitten haben. Diese Vorsicht erscheint besonders dann geboten, wenn man zahlreiche Punkte durch rein chronometrische Mittel zu bestimmen hat. Aber während eines Seekrieges thut man klug, seine Instrumente, Handschriften und Sammlungen fortwäh- rend bei sich zu haben. Wie wichtig dies ist, haben traurige Erfahrungen mir bewiesen. Unser Aufenthalt zu Madrid und Corunda war zu kurz, als daß ich den meteorologischen Apparat, den ich in Marseille gelassen, hätte von dort kommen lassen können. Nach unserer Rückkehr vom Orinoko gab ich Auftrag, mir denselben nach der Havana zu schicken, aber ohne Erfolg; weder dieser Apparat, noch die achromatischen Fernröhren und der Thermometer von Arnold, die ich in London bestellt, sind mir in Amerika zugekommen.
Getrennt von unseren Instrumenten, die sich am Bord der Korvette befanden, brachten wir noch zwei Tage in Corunda zu. Ein dichter Nebel, der den Horizont bedeckte, verkündete endlich die sehnlich erwartete Aenderung des Wetters. Am 4. Juni abends drehte sich der Wind nach Nordost, welche Windrichtung an der Küste von Galicien in der schönen Jahres- zeit für sehr beständig gilt. Am fünften ging der Pizarro wirklich unter Segel, obgleich wenige Stunden zuvor die Nachricht angelangt war, eine englische Eskadre sei vom Wacht-
1 Peron, der nach langen schmerzlichen Leiden im 35. Jahre der Wissenschaft entrissen wurde.
nicht berührt habe. Nicht ohne ein Gefühl von Wehmut ge- denke ich einer Expedition, die mehrfach in mein Leben ein- greift, und die kürzlich von einem Gelehrten 1 beſchrieben worden iſt, den die Menge der Entdeckungen, welche die Wiſſenſchaft ihm dankt, und der aufopfernde Mut, den er auf ſeiner Laufbahn unter den härteſten Entbehrungen und Leiden bewieſen, gleich hoch ſtellen.
Ich hatte auf die Reiſe nach Spanien nicht meine ganze Sammlung phyſikaliſcher, geodätiſcher und aſtronomiſcher Werk- zeuge mitnehmen können; ich hatte die Dubletten in Mar- ſeille in Verwahrung gegeben und wollte ſie, ſobald ich Gelegenheit gefunden hätte, an die Küſte der Berberei zu gelangen, nach Algier oder Tunis nachkommen laſſen. In ruhigen Zeiten iſt Reiſenden ſehr zu raten, daß ſie ſich nicht mit allen ihren Inſtrumenten beladen; man läßt ſie beſſer nachkommen, um nach einigen Jahren diejenigen zu erſetzen, die durch den Gebrauch oder auf dem Transport gelitten haben. Dieſe Vorſicht erſcheint beſonders dann geboten, wenn man zahlreiche Punkte durch rein chronometriſche Mittel zu beſtimmen hat. Aber während eines Seekrieges thut man klug, ſeine Inſtrumente, Handſchriften und Sammlungen fortwäh- rend bei ſich zu haben. Wie wichtig dies iſt, haben traurige Erfahrungen mir bewieſen. Unſer Aufenthalt zu Madrid und Coruña war zu kurz, als daß ich den meteorologiſchen Apparat, den ich in Marſeille gelaſſen, hätte von dort kommen laſſen können. Nach unſerer Rückkehr vom Orinoko gab ich Auftrag, mir denſelben nach der Havana zu ſchicken, aber ohne Erfolg; weder dieſer Apparat, noch die achromatiſchen Fernröhren und der Thermometer von Arnold, die ich in London beſtellt, ſind mir in Amerika zugekommen.
Getrennt von unſeren Inſtrumenten, die ſich am Bord der Korvette befanden, brachten wir noch zwei Tage in Coruña zu. Ein dichter Nebel, der den Horizont bedeckte, verkündete endlich die ſehnlich erwartete Aenderung des Wetters. Am 4. Juni abends drehte ſich der Wind nach Nordoſt, welche Windrichtung an der Küſte von Galicien in der ſchönen Jahres- zeit für ſehr beſtändig gilt. Am fünften ging der Pizarro wirklich unter Segel, obgleich wenige Stunden zuvor die Nachricht angelangt war, eine engliſche Eskadre ſei vom Wacht-
1 Peron, der nach langen ſchmerzlichen Leiden im 35. Jahre der Wiſſenſchaft entriſſen wurde.
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nicht berührt habe. Nicht ohne ein Gefühl von Wehmut ge-
denke ich einer Expedition, die mehrfach in mein Leben ein-
greift, und die kürzlich von einem Gelehrten 1 beſchrieben
worden iſt, den die Menge der Entdeckungen, welche die
Wiſſenſchaft ihm dankt, und der aufopfernde Mut, den er auf
ſeiner Laufbahn unter den härteſten Entbehrungen und Leiden
bewieſen, gleich hoch ſtellen.
Ich hatte auf die Reiſe nach Spanien nicht meine ganze
Sammlung phyſikaliſcher, geodätiſcher und aſtronomiſcher Werk-
zeuge mitnehmen können; ich hatte die Dubletten in Mar-
ſeille in Verwahrung gegeben und wollte ſie, ſobald ich
Gelegenheit gefunden hätte, an die Küſte der Berberei zu
gelangen, nach Algier oder Tunis nachkommen laſſen. In
ruhigen Zeiten iſt Reiſenden ſehr zu raten, daß ſie ſich nicht
mit allen ihren Inſtrumenten beladen; man läßt ſie beſſer
nachkommen, um nach einigen Jahren diejenigen zu erſetzen,
die durch den Gebrauch oder auf dem Transport gelitten
haben. Dieſe Vorſicht erſcheint beſonders dann geboten, wenn
man zahlreiche Punkte durch rein chronometriſche Mittel zu
beſtimmen hat. Aber während eines Seekrieges thut man klug,
ſeine Inſtrumente, Handſchriften und Sammlungen fortwäh-
rend bei ſich zu haben. Wie wichtig dies iſt, haben traurige
Erfahrungen mir bewieſen. Unſer Aufenthalt zu Madrid und
Coruña war zu kurz, als daß ich den meteorologiſchen Apparat,
den ich in Marſeille gelaſſen, hätte von dort kommen laſſen
können. Nach unſerer Rückkehr vom Orinoko gab ich Auftrag,
mir denſelben nach der Havana zu ſchicken, aber ohne Erfolg;
weder dieſer Apparat, noch die achromatiſchen Fernröhren und
der Thermometer von Arnold, die ich in London beſtellt, ſind
mir in Amerika zugekommen.
Getrennt von unſeren Inſtrumenten, die ſich am Bord
der Korvette befanden, brachten wir noch zwei Tage in Coruña
zu. Ein dichter Nebel, der den Horizont bedeckte, verkündete
endlich die ſehnlich erwartete Aenderung des Wetters. Am
4. Juni abends drehte ſich der Wind nach Nordoſt, welche
Windrichtung an der Küſte von Galicien in der ſchönen Jahres-
zeit für ſehr beſtändig gilt. Am fünften ging der Pizarro
wirklich unter Segel, obgleich wenige Stunden zuvor die
Nachricht angelangt war, eine engliſche Eskadre ſei vom Wacht-
1 Peron, der nach langen ſchmerzlichen Leiden im 35. Jahre
der Wiſſenſchaft entriſſen wurde.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/35>, abgerufen am 16.02.2025.
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