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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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1797 ist eine geistige Umwälzung eingetreten, die in ihren
Folgen dem Mutterlande noch lange nicht verderblich geworden
wäre, hätte nicht das Ministerium fort und fort alle Interessen
gekränkt, alle Wünsche mißachtet. Es gibt in den Streitig-
keiten der Kolonieen mit dem Mutterlande, wie fast in allen
Volksbewegungen, einen Moment, wo die Regierungen, wenn
sie nicht über den Gang der menschlichen Dinge völlig ver-
blendet sind, durch kluge, fürsichtige Mäßigung das Gleich-
gewicht herstellen und den Sturm beschwören können. Lassen
sie diesen Zeitpunkt vorübergehen, glauben sie durch physische
Gewalt eine moralische Bewegung niederschlagen zu können,
so gehen die Ereignisse unaufhaltsam ihren Gang und die
Trennung der Kolonieen erfolgt mit desto verderblicherer Ge-
waltsamkeit, wenn das Mutterland während des Streites seine
Monopole und seine frühere Gewalt wieder eine Zeitlang
hatte aufrecht erhalten können.

Wir schifften uns morgens sehr früh ein, in der Hoff-
nung, die Ueberfahrt über den Meerbusen von Cariaco in
einem Tage machen zu können. Das Meer ist hier nicht
unruhiger als unsere großen Landseen, wenn sie vom Winde
sanft bewegt werden. Es sind vom Landungsplatze nach Cu-
mana nur 22,5 km. Als wir die kleine Stadt Cariaco im
Rücken hatten, gingen wir westwärts am Flusse Carenicuar
hin, der schnurgerade wie ein künstlicher Kanal durch Gärten
und Baumwollenpflanzungen läuft. Der ganze, etwas sumpfige
Boden ist aufs sorgsamste angebaut. Während unseres Auf-
enthaltes in Peru wurde hier auf trockeneren Stellen der
Kaffeebau eingeführt. Wir sahen am Flusse indianische Weiber
ihr Zeug mit der Frucht des Parapara (Sapindus saponaria)
waschen. Feine Wäsche soll dadurch sehr mitgenommen werden.
Die Schale der Frucht gibt einen starken Schaum und die
Frucht ist so elastisch, daß sie, wenn man sie auf einen Stein
wirft, drei-, viermal 2 bis 3 m hoch aufspringt. Da sie
kugelicht ist, verfertigt man Rosenkränze daraus.

Kaum waren wir zu Schiffe, so hatten wir mit widrigen
Winden zu kämpfen. Es regnete in Strömen und ein Ge-
witter brach in der Nähe aus. Scharen von Flamingos,
Reihern und Kormoranen zogen dem Ufer zu. Nur der Al-
katras, eine große Pelikanart, fischte ruhig mitten im Meer-
busen weiter. Wir waren unser achtzehn Passagiere, und auf
der engen, mit Rohrzucker, Pisangbüscheln und Kokosnüssen
überladenen Piroge (Fancha) konnten wir unsere Instrumente

1797 iſt eine geiſtige Umwälzung eingetreten, die in ihren
Folgen dem Mutterlande noch lange nicht verderblich geworden
wäre, hätte nicht das Miniſterium fort und fort alle Intereſſen
gekränkt, alle Wünſche mißachtet. Es gibt in den Streitig-
keiten der Kolonieen mit dem Mutterlande, wie faſt in allen
Volksbewegungen, einen Moment, wo die Regierungen, wenn
ſie nicht über den Gang der menſchlichen Dinge völlig ver-
blendet ſind, durch kluge, fürſichtige Mäßigung das Gleich-
gewicht herſtellen und den Sturm beſchwören können. Laſſen
ſie dieſen Zeitpunkt vorübergehen, glauben ſie durch phyſiſche
Gewalt eine moraliſche Bewegung niederſchlagen zu können,
ſo gehen die Ereigniſſe unaufhaltſam ihren Gang und die
Trennung der Kolonieen erfolgt mit deſto verderblicherer Ge-
waltſamkeit, wenn das Mutterland während des Streites ſeine
Monopole und ſeine frühere Gewalt wieder eine Zeitlang
hatte aufrecht erhalten können.

Wir ſchifften uns morgens ſehr früh ein, in der Hoff-
nung, die Ueberfahrt über den Meerbuſen von Cariaco in
einem Tage machen zu können. Das Meer iſt hier nicht
unruhiger als unſere großen Landſeen, wenn ſie vom Winde
ſanft bewegt werden. Es ſind vom Landungsplatze nach Cu-
mana nur 22,5 km. Als wir die kleine Stadt Cariaco im
Rücken hatten, gingen wir weſtwärts am Fluſſe Carenicuar
hin, der ſchnurgerade wie ein künſtlicher Kanal durch Gärten
und Baumwollenpflanzungen läuft. Der ganze, etwas ſumpfige
Boden iſt aufs ſorgſamſte angebaut. Während unſeres Auf-
enthaltes in Peru wurde hier auf trockeneren Stellen der
Kaffeebau eingeführt. Wir ſahen am Fluſſe indianiſche Weiber
ihr Zeug mit der Frucht des Parapara (Sapindus saponaria)
waſchen. Feine Wäſche ſoll dadurch ſehr mitgenommen werden.
Die Schale der Frucht gibt einen ſtarken Schaum und die
Frucht iſt ſo elaſtiſch, daß ſie, wenn man ſie auf einen Stein
wirft, drei-, viermal 2 bis 3 m hoch aufſpringt. Da ſie
kugelicht iſt, verfertigt man Roſenkränze daraus.

Kaum waren wir zu Schiffe, ſo hatten wir mit widrigen
Winden zu kämpfen. Es regnete in Strömen und ein Ge-
witter brach in der Nähe aus. Scharen von Flamingos,
Reihern und Kormoranen zogen dem Ufer zu. Nur der Al-
katras, eine große Pelikanart, fiſchte ruhig mitten im Meer-
buſen weiter. Wir waren unſer achtzehn Paſſagiere, und auf
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[294/0310] 1797 iſt eine geiſtige Umwälzung eingetreten, die in ihren Folgen dem Mutterlande noch lange nicht verderblich geworden wäre, hätte nicht das Miniſterium fort und fort alle Intereſſen gekränkt, alle Wünſche mißachtet. Es gibt in den Streitig- keiten der Kolonieen mit dem Mutterlande, wie faſt in allen Volksbewegungen, einen Moment, wo die Regierungen, wenn ſie nicht über den Gang der menſchlichen Dinge völlig ver- blendet ſind, durch kluge, fürſichtige Mäßigung das Gleich- gewicht herſtellen und den Sturm beſchwören können. Laſſen ſie dieſen Zeitpunkt vorübergehen, glauben ſie durch phyſiſche Gewalt eine moraliſche Bewegung niederſchlagen zu können, ſo gehen die Ereigniſſe unaufhaltſam ihren Gang und die Trennung der Kolonieen erfolgt mit deſto verderblicherer Ge- waltſamkeit, wenn das Mutterland während des Streites ſeine Monopole und ſeine frühere Gewalt wieder eine Zeitlang hatte aufrecht erhalten können. Wir ſchifften uns morgens ſehr früh ein, in der Hoff- nung, die Ueberfahrt über den Meerbuſen von Cariaco in einem Tage machen zu können. Das Meer iſt hier nicht unruhiger als unſere großen Landſeen, wenn ſie vom Winde ſanft bewegt werden. Es ſind vom Landungsplatze nach Cu- mana nur 22,5 km. Als wir die kleine Stadt Cariaco im Rücken hatten, gingen wir weſtwärts am Fluſſe Carenicuar hin, der ſchnurgerade wie ein künſtlicher Kanal durch Gärten und Baumwollenpflanzungen läuft. Der ganze, etwas ſumpfige Boden iſt aufs ſorgſamſte angebaut. Während unſeres Auf- enthaltes in Peru wurde hier auf trockeneren Stellen der Kaffeebau eingeführt. Wir ſahen am Fluſſe indianiſche Weiber ihr Zeug mit der Frucht des Parapara (Sapindus saponaria) waſchen. Feine Wäſche ſoll dadurch ſehr mitgenommen werden. Die Schale der Frucht gibt einen ſtarken Schaum und die Frucht iſt ſo elaſtiſch, daß ſie, wenn man ſie auf einen Stein wirft, drei-, viermal 2 bis 3 m hoch aufſpringt. Da ſie kugelicht iſt, verfertigt man Roſenkränze daraus. Kaum waren wir zu Schiffe, ſo hatten wir mit widrigen Winden zu kämpfen. Es regnete in Strömen und ein Ge- witter brach in der Nähe aus. Scharen von Flamingos, Reihern und Kormoranen zogen dem Ufer zu. Nur der Al- katras, eine große Pelikanart, fiſchte ruhig mitten im Meer- buſen weiter. Wir waren unſer achtzehn Paſſagiere, und auf der engen, mit Rohrzucker, Piſangbüſcheln und Kokosnüſſen überladenen Piroge (Fancha) konnten wir unſere Inſtrumente

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/310>, abgerufen am 24.11.2024.