gebaut, im Jahre 1799 sahen wir sie weit im Lande liegen. An der Mündung des Rio Nevari, beim Morro de Nueva Barcelona, zieht sich das Meer noch rascher zurück. Diese lokale Erscheinung rührt wahrscheinlich von Anschwemmungen her, deren Zunahmeverhältnisse noch nicht gehörig beobachtet sind.
Geht man von der Sierra de Meapire, welche die Landenge zwischen den Ebenen von San Bonifacio und von Cariaco bildet, herab, so kommt man gegen Ost an den großen See Putacuao, der mit dem Rio Areo in Verbindung steht und 18 bis 23 km breit ist. Das Gebirgsland um dieses Becken ist nur den Eingeborenen bekannt. Hier kommen die großen Boa vor, welche die Chaymasindianer Guainas nennen, und denen sie einen Stachel unter den Schwanze andichten. Geht man von der Sierra de Meapire nach West hinunter, so betritt man zuerst einen "hohlen Boden" (tierra hueca), der bei dem großen Erdbeben des Jahres 1766 in zähes Erdöl gehüllten Asphalt auswarf; weiterhin sieht man eine Unzahl warmer schwefelwasserstoffhaltiger Quellen aus dem Boden brechen, und endlich kommt man zum See Campoma, dessen Ausdünstungen zum Teil die Ungesundheit des Klimas von Cariaco veranlassen. Die Eingeborenen glauben, der Boden sei deshalb hohl, weil die warmen Wasser sich hier aufgestaut haben, und nach dem Schall des Hufschlags scheinen sich die unterirdischen Höhlungen von West nach Ost bis Casanay, 5,8 bis 7,9 km weit zu erstrecken. Ein Flüßchen, der Rio Azul, läuft durch diese Ebenen. Sie sind zerklüftet infolge von Erdbeben, die hier einen besonderen Herd haben und sich selten bis Cumana fortpflanzen. Das Wasser des Rio Azul ist kalt und hell; er entspringt am westlichen Abhange des Meapire, und man glaubt, er sei deshalb so stark, weil das Gewässer des Putacuaosees auf der anderen Seite des Ge- birgszuges durchsickere. Das Flüßchen und die schwefelwasser- stoffhaltigen Quellen ergießen sich zusammen in die Laguna de Campona. So heißt ein weites Sumpfland, das in der trockenen Jahreszeit in drei Becken zerfällt, die nordwestlich von der Stadt Cariaco am Ende des Meerbusens liegen. Uebelriechende Dünste steigen fortwährend vom stehenden Sumpf- wasser auf. Sie riechen nach Schwefelwasserstoff und zugleich nach faulen Fischen und zersetzten Vegetabilien.
Die Miasmen bilden sich im Thale von Cariaco gerade wie in der römischen Campagna; aber durch die tropische Hitze wird ihre verderbliche Kraft gesteigert. Durch die Lage der
A. v. Humboldt, Reise. I. 19
gebaut, im Jahre 1799 ſahen wir ſie weit im Lande liegen. An der Mündung des Rio Nevari, beim Morro de Nueva Barcelona, zieht ſich das Meer noch raſcher zurück. Dieſe lokale Erſcheinung rührt wahrſcheinlich von Anſchwemmungen her, deren Zunahmeverhältniſſe noch nicht gehörig beobachtet ſind.
Geht man von der Sierra de Meapire, welche die Landenge zwiſchen den Ebenen von San Bonifacio und von Cariaco bildet, herab, ſo kommt man gegen Oſt an den großen See Putacuao, der mit dem Rio Areo in Verbindung ſteht und 18 bis 23 km breit iſt. Das Gebirgsland um dieſes Becken iſt nur den Eingeborenen bekannt. Hier kommen die großen Boa vor, welche die Chaymasindianer Guainas nennen, und denen ſie einen Stachel unter den Schwanze andichten. Geht man von der Sierra de Meapire nach Weſt hinunter, ſo betritt man zuerſt einen „hohlen Boden“ (tierra hueca), der bei dem großen Erdbeben des Jahres 1766 in zähes Erdöl gehüllten Asphalt auswarf; weiterhin ſieht man eine Unzahl warmer ſchwefelwaſſerſtoffhaltiger Quellen aus dem Boden brechen, und endlich kommt man zum See Campoma, deſſen Ausdünſtungen zum Teil die Ungeſundheit des Klimas von Cariaco veranlaſſen. Die Eingeborenen glauben, der Boden ſei deshalb hohl, weil die warmen Waſſer ſich hier aufgeſtaut haben, und nach dem Schall des Hufſchlags ſcheinen ſich die unterirdiſchen Höhlungen von Weſt nach Oſt bis Caſanay, 5,8 bis 7,9 km weit zu erſtrecken. Ein Flüßchen, der Rio Azul, läuft durch dieſe Ebenen. Sie ſind zerklüftet infolge von Erdbeben, die hier einen beſonderen Herd haben und ſich ſelten bis Cumana fortpflanzen. Das Waſſer des Rio Azul iſt kalt und hell; er entſpringt am weſtlichen Abhange des Meapire, und man glaubt, er ſei deshalb ſo ſtark, weil das Gewäſſer des Putacuaoſees auf der anderen Seite des Ge- birgszuges durchſickere. Das Flüßchen und die ſchwefelwaſſer- ſtoffhaltigen Quellen ergießen ſich zuſammen in die Laguna de Campona. So heißt ein weites Sumpfland, das in der trockenen Jahreszeit in drei Becken zerfällt, die nordweſtlich von der Stadt Cariaco am Ende des Meerbuſens liegen. Uebelriechende Dünſte ſteigen fortwährend vom ſtehenden Sumpf- waſſer auf. Sie riechen nach Schwefelwaſſerſtoff und zugleich nach faulen Fiſchen und zerſetzten Vegetabilien.
Die Miasmen bilden ſich im Thale von Cariaco gerade wie in der römiſchen Campagna; aber durch die tropiſche Hitze wird ihre verderbliche Kraft geſteigert. Durch die Lage der
A. v. Humboldt, Reiſe. I. 19
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gebaut, im Jahre 1799 ſahen wir ſie weit im Lande liegen.
An der Mündung des Rio Nevari, beim Morro de Nueva
Barcelona, zieht ſich das Meer noch raſcher zurück. Dieſe lokale
Erſcheinung rührt wahrſcheinlich von Anſchwemmungen her,
deren Zunahmeverhältniſſe noch nicht gehörig beobachtet ſind.
Geht man von der Sierra de Meapire, welche die Landenge
zwiſchen den Ebenen von San Bonifacio und von Cariaco
bildet, herab, ſo kommt man gegen Oſt an den großen See
Putacuao, der mit dem Rio Areo in Verbindung ſteht und
18 bis 23 km breit iſt. Das Gebirgsland um dieſes Becken
iſt nur den Eingeborenen bekannt. Hier kommen die großen
Boa vor, welche die Chaymasindianer Guainas nennen,
und denen ſie einen Stachel unter den Schwanze andichten.
Geht man von der Sierra de Meapire nach Weſt hinunter, ſo
betritt man zuerſt einen „hohlen Boden“ (tierra hueca), der
bei dem großen Erdbeben des Jahres 1766 in zähes Erdöl
gehüllten Asphalt auswarf; weiterhin ſieht man eine Unzahl
warmer ſchwefelwaſſerſtoffhaltiger Quellen aus dem Boden
brechen, und endlich kommt man zum See Campoma, deſſen
Ausdünſtungen zum Teil die Ungeſundheit des Klimas von
Cariaco veranlaſſen. Die Eingeborenen glauben, der Boden
ſei deshalb hohl, weil die warmen Waſſer ſich hier aufgeſtaut
haben, und nach dem Schall des Hufſchlags ſcheinen ſich die
unterirdiſchen Höhlungen von Weſt nach Oſt bis Caſanay,
5,8 bis 7,9 km weit zu erſtrecken. Ein Flüßchen, der Rio
Azul, läuft durch dieſe Ebenen. Sie ſind zerklüftet infolge
von Erdbeben, die hier einen beſonderen Herd haben und ſich
ſelten bis Cumana fortpflanzen. Das Waſſer des Rio Azul
iſt kalt und hell; er entſpringt am weſtlichen Abhange des
Meapire, und man glaubt, er ſei deshalb ſo ſtark, weil das
Gewäſſer des Putacuaoſees auf der anderen Seite des Ge-
birgszuges durchſickere. Das Flüßchen und die ſchwefelwaſſer-
ſtoffhaltigen Quellen ergießen ſich zuſammen in die Laguna
de Campona. So heißt ein weites Sumpfland, das in der
trockenen Jahreszeit in drei Becken zerfällt, die nordweſtlich
von der Stadt Cariaco am Ende des Meerbuſens liegen.
Uebelriechende Dünſte ſteigen fortwährend vom ſtehenden Sumpf-
waſſer auf. Sie riechen nach Schwefelwaſſerſtoff und zugleich
nach faulen Fiſchen und zerſetzten Vegetabilien.
Die Miasmen bilden ſich im Thale von Cariaco gerade
wie in der römiſchen Campagna; aber durch die tropiſche Hitze
wird ihre verderbliche Kraft geſteigert. Durch die Lage der
A. v. Humboldt, Reiſe. I. 19
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/305>, abgerufen am 16.02.2025.
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