Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Mittel, die Geister von ihren Körperbanden frei zu machen, be- Wir trafen in der Mission Catuaro den Corregidor des Gegenüber dem "Code noir" der meisten anderen Völker, Mittel, die Geiſter von ihren Körperbanden frei zu machen, be- Wir trafen in der Miſſion Catuaro den Corregidor des Gegenüber dem „Code noir“ der meiſten anderen Völker, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0301" n="285"/> Mittel, die Geiſter von ihren Körperbanden frei zu machen, be-<lb/> ſonders aber über die Tierſeelen, lauter Dinge, über die er<lb/> die ſeltſamſten Ideen hatte. Wenn man in der Regenzeit ſich<lb/> durch Wälder durchgearbeitet hat, iſt man zu Spekulationen<lb/> derart wenig aufgelegt. Uebrigens war in der kleinen Miſſion<lb/> Catuaro alles ungewöhnlich, ſogar das Pfarrhaus. Es hatte<lb/> zwei Stockwerke und hatte dadurch zu einem hitzigen Streit<lb/> zwiſchen den weltlichen und geiſtlichen Behörden Anlaß ge-<lb/> geben. Dem Guardian der Kapuziner ſchien es zu vornehm<lb/> für einen Miſſionär und er hatte die Indianer zwingen wollen,<lb/> es niederzureißen; der Statthalter hatte kräftige Einſprache<lb/> gethan und auch ſeinen Willen gegen die Mönche durchgeſetzt.<lb/> Ich erwähne dergleichen an ſich unbedeutende Vorfälle nur,<lb/> weil ſie einen Blick in die innere Verwaltung der Miſſionen<lb/> werfen laſſen, die keineswegs immer ſo friedlich iſt, als man<lb/> in Europa glaubt.</p><lb/> <p>Wir trafen in der Miſſion Catuaro den Corregidor des<lb/> Diſtriktes, einen liebenswürdigen, gebildeten Mann. Er gab<lb/> uns drei Indianer mit, die mit ihren <hi rendition="#g">Machetes</hi> vor uns<lb/> her einen Weg durch den Wald bahnen ſollten. In dieſem<lb/> wenig betretenen Lande iſt die Vegetation in der Regenzeit ſo<lb/> üppig, daß ein Mann zu Pferde auf den ſchmalen, mit Schling-<lb/> pflanzen und verſchlungenen Baumäſten bedeckten Fußſteigen<lb/> faſt nicht durchkommt. Zu unſerem großen Verdruß wollte<lb/> der Miſſionär von Catuaro uns durchaus nach Cariaco be-<lb/> gleiten. Wir konnten es nicht ablehnen; er ließ uns jetzt mit<lb/> ſeinen Faſeleien über die Tierſeelen und den menſchlichen freien<lb/> Willen in Ruhe, er hatte uns aber nunmehr von einem ganz<lb/> anderen, traurigeren Gegenſtande zu unterhalten. Den Unab-<lb/> hängigkeitsbeſtrebungen, die im Jahre 1798 in Caracas bei-<lb/> nahe zu einem Ausbruch geführt hätten, war eine große Auf-<lb/> regung unter den Negern zu Coro, Maracaybo und Cariaco<lb/> vorangegangen und gefolgt. In letzterer Stadt war ein armer<lb/> Neger zum Tode verurteilt worden, und unſer Wirt, der Seel-<lb/> ſorger von Catuaro, ging jetzt hin, um ihm ſeinen geiſtlichen<lb/> Beiſtand anzubieten. Wie lang kam uns der Weg vor, auf<lb/> dem wir uns in Verhandlungen einlaſſen mußten, „über die<lb/> Notwendigkeit des Sklavenhandels, über die angeborene Bös-<lb/> artigkeit der Schwarzen, über die Segnungen, welche der Raſſe<lb/> daraus erwachſen, daß ſie als Sklaven unter Chriſten leben!“</p><lb/> <p>Gegenüber dem <hi rendition="#aq">„Code noir“</hi> der meiſten anderen Völker,<lb/> welche Beſitzungen in beiden Indien haben, iſt die ſpaniſche<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [285/0301]
Mittel, die Geiſter von ihren Körperbanden frei zu machen, be-
ſonders aber über die Tierſeelen, lauter Dinge, über die er
die ſeltſamſten Ideen hatte. Wenn man in der Regenzeit ſich
durch Wälder durchgearbeitet hat, iſt man zu Spekulationen
derart wenig aufgelegt. Uebrigens war in der kleinen Miſſion
Catuaro alles ungewöhnlich, ſogar das Pfarrhaus. Es hatte
zwei Stockwerke und hatte dadurch zu einem hitzigen Streit
zwiſchen den weltlichen und geiſtlichen Behörden Anlaß ge-
geben. Dem Guardian der Kapuziner ſchien es zu vornehm
für einen Miſſionär und er hatte die Indianer zwingen wollen,
es niederzureißen; der Statthalter hatte kräftige Einſprache
gethan und auch ſeinen Willen gegen die Mönche durchgeſetzt.
Ich erwähne dergleichen an ſich unbedeutende Vorfälle nur,
weil ſie einen Blick in die innere Verwaltung der Miſſionen
werfen laſſen, die keineswegs immer ſo friedlich iſt, als man
in Europa glaubt.
Wir trafen in der Miſſion Catuaro den Corregidor des
Diſtriktes, einen liebenswürdigen, gebildeten Mann. Er gab
uns drei Indianer mit, die mit ihren Machetes vor uns
her einen Weg durch den Wald bahnen ſollten. In dieſem
wenig betretenen Lande iſt die Vegetation in der Regenzeit ſo
üppig, daß ein Mann zu Pferde auf den ſchmalen, mit Schling-
pflanzen und verſchlungenen Baumäſten bedeckten Fußſteigen
faſt nicht durchkommt. Zu unſerem großen Verdruß wollte
der Miſſionär von Catuaro uns durchaus nach Cariaco be-
gleiten. Wir konnten es nicht ablehnen; er ließ uns jetzt mit
ſeinen Faſeleien über die Tierſeelen und den menſchlichen freien
Willen in Ruhe, er hatte uns aber nunmehr von einem ganz
anderen, traurigeren Gegenſtande zu unterhalten. Den Unab-
hängigkeitsbeſtrebungen, die im Jahre 1798 in Caracas bei-
nahe zu einem Ausbruch geführt hätten, war eine große Auf-
regung unter den Negern zu Coro, Maracaybo und Cariaco
vorangegangen und gefolgt. In letzterer Stadt war ein armer
Neger zum Tode verurteilt worden, und unſer Wirt, der Seel-
ſorger von Catuaro, ging jetzt hin, um ihm ſeinen geiſtlichen
Beiſtand anzubieten. Wie lang kam uns der Weg vor, auf
dem wir uns in Verhandlungen einlaſſen mußten, „über die
Notwendigkeit des Sklavenhandels, über die angeborene Bös-
artigkeit der Schwarzen, über die Segnungen, welche der Raſſe
daraus erwachſen, daß ſie als Sklaven unter Chriſten leben!“
Gegenüber dem „Code noir“ der meiſten anderen Völker,
welche Beſitzungen in beiden Indien haben, iſt die ſpaniſche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |