Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.diesem Teile von Südamerika nirgends einen Ammoniten ge- Von der Mission Catuaro aus wollten wir ostwärts über Die Mission Catuaro liegt in ungemein wilder Um- dieſem Teile von Südamerika nirgends einen Ammoniten ge- Von der Miſſion Catuaro aus wollten wir oſtwärts über Die Miſſion Catuaro liegt in ungemein wilder Um- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0300" n="284"/> dieſem Teile von Südamerika nirgends einen Ammoniten ge-<lb/> ſehen haben. Die Miſſion Santa Cruz liegt mitten in der<lb/> Ebene. Wir kamen gegen Abend daſelbſt an, halb verdurſtet,<lb/> da wir faſt acht Stunden kein Waſſer gehabt hatten. Der<lb/> Thermometer zeigte 26°; wir waren auch nur noch 370 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> über dem Meere. Wir brachten die Nacht in einer der Ajupas<lb/> zu, die man „Häuſer des Königs“ nennt, und die, wie ſchon<lb/> oben bemerkt, den Reiſenden als <hi rendition="#g">Tambo</hi> oder Karawanſerai<lb/> dienen. Wegen des Regens war an keine Sternbeobachtung<lb/> zu denken, und wir ſetzten des anderen Tages, 23. September,<lb/> unſeren Weg zum Meerbuſen von Cariaco hinunter fort. Jen-<lb/> ſeits Santa Cruz fängt der dichte Wald von neuem an. Wir<lb/> fanden daſelbſt unter Melaſtomenbüſchen einen ſchönen Farn<lb/> mit Blättern gleich denen der Osmunda, die in der Ordnung<lb/> der Polypodiaceen eine neue Gattung (<hi rendition="#aq">Polybotria</hi>) bildet.</p><lb/> <p>Von der Miſſion Catuaro aus wollten wir oſtwärts über<lb/> Santa Roſalia, Caſanay, San Joſef, Carupano, Rio Carives<lb/> und den Berg Paria gehen, erfuhren aber zu unſerem großen<lb/> Verdruß, daß der ſtarke Regen die Wege bereits ungangbar<lb/> gemacht habe und wir Gefahr laufen, unſere friſch geſammelten<lb/> Pflanzen zu verlieren. Ein reicher Kakaopflanzer ſollte uns<lb/> von Santa Roſalia in den Hafen von Carupano begleiten.<lb/> Wir hatten noch zu rechter Zeit gehört, daß er in Geſchäften<lb/> nach Cumana müſſe. So beſchloſſen wir denn, uns in Cariaco<lb/> einzuſchiffen und gerade über den Meerbuſen, ſtatt zwiſchen<lb/> der Inſel Margarita und der Landenge Araya durch, nach<lb/> Cumana zurückzufahren.</p><lb/> <p>Die Miſſion Catuaro liegt in ungemein wilder Um-<lb/> gebung. Hochſtämmige Bäume ſtehen noch um die Kirche her<lb/> und die Tiger freſſen bei Nacht den Indianern ihre Hühner<lb/> und Schweine. Wir wohnten beim Geiſtlichen, einem Mönche<lb/> von der Kongregation der Obſervanten, dem die Kapuziner<lb/> die Miſſion übergeben hatten, weil es ihrem eigenen Orden<lb/> an Leuten fehlte. Er war ein Doktor der Theologie, ein<lb/> kleiner, magerer, faſt übertrieben lebhafter Mann; er unter-<lb/> hielt uns beſtändig von dem Prozeß, den er mit dem Guardian<lb/> ſeines Kloſters führte, von der Feindſchaft ſeiner Ordensbrüder,<lb/> von der Ungerechtigkeit der Alkaden, die ihn ohne Rückſicht<lb/> auf ſeine Standesvorrechte ins Gefängnis geworfen. Trotz<lb/> dieſer Abenteuer war ihm leider die Liebhaberei geblieben, ſich<lb/> mit metaphyſiſchen Fragen, wie er es nannte, zu befaſſen. Er<lb/> wollte meine Anſicht hören über den freien Willen, über die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [284/0300]
dieſem Teile von Südamerika nirgends einen Ammoniten ge-
ſehen haben. Die Miſſion Santa Cruz liegt mitten in der
Ebene. Wir kamen gegen Abend daſelbſt an, halb verdurſtet,
da wir faſt acht Stunden kein Waſſer gehabt hatten. Der
Thermometer zeigte 26°; wir waren auch nur noch 370 m
über dem Meere. Wir brachten die Nacht in einer der Ajupas
zu, die man „Häuſer des Königs“ nennt, und die, wie ſchon
oben bemerkt, den Reiſenden als Tambo oder Karawanſerai
dienen. Wegen des Regens war an keine Sternbeobachtung
zu denken, und wir ſetzten des anderen Tages, 23. September,
unſeren Weg zum Meerbuſen von Cariaco hinunter fort. Jen-
ſeits Santa Cruz fängt der dichte Wald von neuem an. Wir
fanden daſelbſt unter Melaſtomenbüſchen einen ſchönen Farn
mit Blättern gleich denen der Osmunda, die in der Ordnung
der Polypodiaceen eine neue Gattung (Polybotria) bildet.
Von der Miſſion Catuaro aus wollten wir oſtwärts über
Santa Roſalia, Caſanay, San Joſef, Carupano, Rio Carives
und den Berg Paria gehen, erfuhren aber zu unſerem großen
Verdruß, daß der ſtarke Regen die Wege bereits ungangbar
gemacht habe und wir Gefahr laufen, unſere friſch geſammelten
Pflanzen zu verlieren. Ein reicher Kakaopflanzer ſollte uns
von Santa Roſalia in den Hafen von Carupano begleiten.
Wir hatten noch zu rechter Zeit gehört, daß er in Geſchäften
nach Cumana müſſe. So beſchloſſen wir denn, uns in Cariaco
einzuſchiffen und gerade über den Meerbuſen, ſtatt zwiſchen
der Inſel Margarita und der Landenge Araya durch, nach
Cumana zurückzufahren.
Die Miſſion Catuaro liegt in ungemein wilder Um-
gebung. Hochſtämmige Bäume ſtehen noch um die Kirche her
und die Tiger freſſen bei Nacht den Indianern ihre Hühner
und Schweine. Wir wohnten beim Geiſtlichen, einem Mönche
von der Kongregation der Obſervanten, dem die Kapuziner
die Miſſion übergeben hatten, weil es ihrem eigenen Orden
an Leuten fehlte. Er war ein Doktor der Theologie, ein
kleiner, magerer, faſt übertrieben lebhafter Mann; er unter-
hielt uns beſtändig von dem Prozeß, den er mit dem Guardian
ſeines Kloſters führte, von der Feindſchaft ſeiner Ordensbrüder,
von der Ungerechtigkeit der Alkaden, die ihn ohne Rückſicht
auf ſeine Standesvorrechte ins Gefängnis geworfen. Trotz
dieſer Abenteuer war ihm leider die Liebhaberei geblieben, ſich
mit metaphyſiſchen Fragen, wie er es nannte, zu befaſſen. Er
wollte meine Anſicht hören über den freien Willen, über die
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