gemacht habe. Ich habe ihn lieber so benannt als nach der Farbe des Pelzes, und zwar desto mehr, da die Griechen be- reits einen stark behaarten Affen unter dem Namen Arktopi- thekos kannten. Derselbe unterscheidet sich sowohl vom Uarino (Simia Guariba) als vom Alouate roux (S. Seni- culus). Blick, Stimme, Gang, alles an ihm ist trübselig. Ich habe ganz junge Araguaten gesehen, die in den Hütten der Indianer aufgezogen wurden; sie spielen nie wie die kleinen Sagoine, und Lopez del Gomara schildert zu Anfang des 16. Jahrhunderts ihr ernstes Wesen sehr naiv, wenn er sagt: "Der Aranata de los Cumaneses hat ein Menschen- gesicht, einen Ziegenbart und eine gravitätische Haltung (honrado gesto)." Ich habe anderswo die Bemerkung ge- macht, daß die Affen desto trübseliger sind, je mehr Menschen- ähnlichkeit sie haben. Ihre Munterkeit und Beweglichkeit nimmt ab, je mehr sich die Geisteskräfte bei ihnen zu ent- wickeln scheinen.
Wir hatten Halt gemacht, um den Heulaffen zuzusehen, wie sie zu dreißig, vierzig in einer Reihe von Baum zu Baum auf den verschlungenen wagerechten Aesten über den Weg zogen. Während dieses neue Schauspiel uns ganz in Anspruch nahm, kam uns ein Trupp Indianer entgegen, die den Bergen von Caripe zuzogen. Sie waren völlig nackt, wie meistens die Eingeborenen hierzulande. Die ziemlich schwer beladenen Weiber schlossen den Zug; die Männer, sogar die kleinsten Jungen, waren alle mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Sie zogen still, die Augen am Boden, ihres Weges. Wir hätten gern von ihnen erfahren, ob es noch weit nach der Mission Santa Cruz sei, wo wir übernachten wollten. Wir waren völlig erschöpft und der Durst quälte uns furchtbar. Die Hitze wurde drückender, je näher das Gewitter kam, und wir hatten auf unserem Wege keine Quelle gefunden, um den Durst zu löschen. Da die Indianer uns immer si Padre, no Padre zur Antwort gaben, meinten wir, sie verstehen ein wenig Spanisch. In den Augen der Eingeborenen ist jeder Weiße ein Mönch, ein Pater; denn in den Missionen zeichnet sich der Geistliche mehr durch die Hautfarbe als durch die Farbe des Gewandes aus. Wie wir auch den Indianern mit Fragen, wie weit es noch sei, zusetzten, sie erwiderten offenbar aufs Geratewohl si oder no, und wir konnten aus ihren Antworten nicht klug werden. Dies war uns um so verdrießlicher, da ihr Lächeln und ihr Gebärdenspiel verrieten, daß sie uns gern
gemacht habe. Ich habe ihn lieber ſo benannt als nach der Farbe des Pelzes, und zwar deſto mehr, da die Griechen be- reits einen ſtark behaarten Affen unter dem Namen Arktopi- thekos kannten. Derſelbe unterſcheidet ſich ſowohl vom Uarino (Simia Guariba) als vom Alouate roux (S. Seni- culus). Blick, Stimme, Gang, alles an ihm iſt trübſelig. Ich habe ganz junge Araguaten geſehen, die in den Hütten der Indianer aufgezogen wurden; ſie ſpielen nie wie die kleinen Sagoine, und Lopez del Gomara ſchildert zu Anfang des 16. Jahrhunderts ihr ernſtes Weſen ſehr naiv, wenn er ſagt: „Der Aranata de los Cumaneſes hat ein Menſchen- geſicht, einen Ziegenbart und eine gravitätiſche Haltung (honrado gesto).“ Ich habe anderswo die Bemerkung ge- macht, daß die Affen deſto trübſeliger ſind, je mehr Menſchen- ähnlichkeit ſie haben. Ihre Munterkeit und Beweglichkeit nimmt ab, je mehr ſich die Geiſteskräfte bei ihnen zu ent- wickeln ſcheinen.
Wir hatten Halt gemacht, um den Heulaffen zuzuſehen, wie ſie zu dreißig, vierzig in einer Reihe von Baum zu Baum auf den verſchlungenen wagerechten Aeſten über den Weg zogen. Während dieſes neue Schauſpiel uns ganz in Anſpruch nahm, kam uns ein Trupp Indianer entgegen, die den Bergen von Caripe zuzogen. Sie waren völlig nackt, wie meiſtens die Eingeborenen hierzulande. Die ziemlich ſchwer beladenen Weiber ſchloſſen den Zug; die Männer, ſogar die kleinſten Jungen, waren alle mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Sie zogen ſtill, die Augen am Boden, ihres Weges. Wir hätten gern von ihnen erfahren, ob es noch weit nach der Miſſion Santa Cruz ſei, wo wir übernachten wollten. Wir waren völlig erſchöpft und der Durſt quälte uns furchtbar. Die Hitze wurde drückender, je näher das Gewitter kam, und wir hatten auf unſerem Wege keine Quelle gefunden, um den Durſt zu löſchen. Da die Indianer uns immer si Padre, no Padre zur Antwort gaben, meinten wir, ſie verſtehen ein wenig Spaniſch. In den Augen der Eingeborenen iſt jeder Weiße ein Mönch, ein Pater; denn in den Miſſionen zeichnet ſich der Geiſtliche mehr durch die Hautfarbe als durch die Farbe des Gewandes aus. Wie wir auch den Indianern mit Fragen, wie weit es noch ſei, zuſetzten, ſie erwiderten offenbar aufs Geratewohl si oder no, und wir konnten aus ihren Antworten nicht klug werden. Dies war uns um ſo verdrießlicher, da ihr Lächeln und ihr Gebärdenſpiel verrieten, daß ſie uns gern
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gemacht habe. Ich habe ihn lieber ſo benannt als nach der
Farbe des Pelzes, und zwar deſto mehr, da die Griechen be-
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thekos kannten. Derſelbe unterſcheidet ſich ſowohl vom
Uarino (Simia Guariba) als vom Alouate roux (S. Seni-
culus). Blick, Stimme, Gang, alles an ihm iſt trübſelig.
Ich habe ganz junge Araguaten geſehen, die in den Hütten der
Indianer aufgezogen wurden; ſie ſpielen nie wie die kleinen
Sagoine, und Lopez del Gomara ſchildert zu Anfang des
16. Jahrhunderts ihr ernſtes Weſen ſehr naiv, wenn er ſagt:
„Der Aranata de los Cumaneſes hat ein Menſchen-
geſicht, einen Ziegenbart und eine gravitätiſche Haltung
(honrado gesto).“ Ich habe anderswo die Bemerkung ge-
macht, daß die Affen deſto trübſeliger ſind, je mehr Menſchen-
ähnlichkeit ſie haben. Ihre Munterkeit und Beweglichkeit
nimmt ab, je mehr ſich die Geiſteskräfte bei ihnen zu ent-
wickeln ſcheinen.
Wir hatten Halt gemacht, um den Heulaffen zuzuſehen,
wie ſie zu dreißig, vierzig in einer Reihe von Baum zu Baum
auf den verſchlungenen wagerechten Aeſten über den Weg zogen.
Während dieſes neue Schauſpiel uns ganz in Anſpruch nahm,
kam uns ein Trupp Indianer entgegen, die den Bergen von
Caripe zuzogen. Sie waren völlig nackt, wie meiſtens die
Eingeborenen hierzulande. Die ziemlich ſchwer beladenen
Weiber ſchloſſen den Zug; die Männer, ſogar die kleinſten
Jungen, waren alle mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. Sie
zogen ſtill, die Augen am Boden, ihres Weges. Wir hätten
gern von ihnen erfahren, ob es noch weit nach der Miſſion
Santa Cruz ſei, wo wir übernachten wollten. Wir waren
völlig erſchöpft und der Durſt quälte uns furchtbar. Die
Hitze wurde drückender, je näher das Gewitter kam, und wir
hatten auf unſerem Wege keine Quelle gefunden, um den Durſt
zu löſchen. Da die Indianer uns immer si Padre, no Padre
zur Antwort gaben, meinten wir, ſie verſtehen ein wenig
Spaniſch. In den Augen der Eingeborenen iſt jeder Weiße
ein Mönch, ein Pater; denn in den Miſſionen zeichnet ſich
der Geiſtliche mehr durch die Hautfarbe als durch die Farbe
des Gewandes aus. Wie wir auch den Indianern mit Fragen,
wie weit es noch ſei, zuſetzten, ſie erwiderten offenbar aufs
Geratewohl si oder no, und wir konnten aus ihren Antworten
nicht klug werden. Dies war uns um ſo verdrießlicher, da
ihr Lächeln und ihr Gebärdenſpiel verrieten, daß ſie uns gern
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/298>, abgerufen am 23.07.2024.
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