Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.springen dann von einem Felsblock auf den anderen. Aus Der Wald, der den steilen Abhang des Berges von ſpringen dann von einem Felsblock auf den anderen. Aus Der Wald, der den ſteilen Abhang des Berges von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0295" n="279"/> ſpringen dann von einem Felsblock auf den anderen. Aus<lb/> Beſorgnis, einen Fehltritt zu thun, bleiben ſie eine Weile<lb/> ſtehen, als wollten ſie die Stelle unterſuchen, und ſchieben<lb/> die vier Beine zuſammen wie die wilden Ziegen. Verfehlt<lb/> das Tier den nächſten Steinblock, ſo ſinkt es bis zum halben<lb/> Leibe in den weichen ockerhaltigen Thon, der die Zwiſchenräume<lb/> der Steine ausfüllt. Wo dieſe fehlen, finden Menſchen- und<lb/> Tierbeine Halt an ungeheuren Baumwurzeln. Dieſelben ſind<lb/> oft 53 <hi rendition="#aq">cm</hi> dick und gehen nicht ſelten hoch über dem Boden<lb/> vom Stamme ab. Die Kreolen vertrauen der Gewandtheit<lb/> und dem glücklichen Inſtinkt der Maultiere ſo ſehr, daß ſie<lb/> auf dem langen, gefährlichen Wege abwärts im Sattel bleiben.<lb/> Wir ſtiegen lieber ab, da wir Anſtrengung weniger ſcheuten<lb/> als jene, und gewöhnt waren, langſam vorwärts zu kommen,<lb/> weil wir immer Pflanzen ſammelten und die Gebirgsarten<lb/> unterſuchten. Da unſer Chronometer ſo ſchonend behandelt<lb/> werden mußte, blieb uns nicht einmal eine Wahl.</p><lb/> <p>Der Wald, der den ſteilen Abhang des Berges von<lb/> Santa Maria bedeckt, iſt einer der dichteſten, die ich je ge-<lb/> ſehen. Die Bäume ſind wirklich ungeheuer hoch und dick.<lb/> Unter ihrem dichten dunkelgrünen Laube herrſcht beſtändig ein<lb/> Dämmerlicht, ein Dunkel, weit tiefer als in unſeren Tannen-,<lb/> Eichen- und Buchenwäldern. Es iſt als könnte die Luft trotz<lb/> der hohen Temperatur nicht all das Waſſer aufnehmen, das<lb/> der Boden, das Laub der Bäume, ihre mit einem uralten<lb/> Filz von Orchideen, Peperomien und anderen Saftpflanzen<lb/> bedeckten Stämme ausdünſten. Zu den aromatiſchen Ge-<lb/> rüchen, welche Blüten, Früchte, ſogar das Holz verbreiten,<lb/> kommt ein anderer, wie man ihn bei uns im Herbſt bei<lb/> nebligem Wetter ſpürt. Wie in den Wäldern am Orinoko<lb/> ſieht man auch hier, wenn man die Baumwipfel ins Auge<lb/> faßt, häufig Dunſtſtreifen an den Stellen, wo ein paar<lb/> Sonnenſtrahlen durch die dicke Luft dringen. Unter den<lb/> majeſtätiſchen Bäumen, die 40 bis 42 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch werden, machten<lb/> uns die Führer auf den <hi rendition="#g">Curucay</hi> von Terecen aufmerkſam,<lb/> der ein weißliches, flüſſiges, ſtarkriechendes Harz gibt. Die<lb/> indianiſchen Völkerſchaften der Cumanagotas und Tagires<lb/> räucherten einſt damit vor ihren Götzen. Die jungen Zweige<lb/> haben einen angenehmen, aber etwas zuſammenziehenden Ge-<lb/> ſchmack. Nach dem Curucay und ungeheuren, über 3 bis<lb/> 3,25 <hi rendition="#aq">m</hi> dicken Hymenäaſtämmen nahmen unſere Aufmerkſam-<lb/> keit am meiſten in Anſpruch: das Drachenblut (<hi rendition="#aq">Croton san-<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [279/0295]
ſpringen dann von einem Felsblock auf den anderen. Aus
Beſorgnis, einen Fehltritt zu thun, bleiben ſie eine Weile
ſtehen, als wollten ſie die Stelle unterſuchen, und ſchieben
die vier Beine zuſammen wie die wilden Ziegen. Verfehlt
das Tier den nächſten Steinblock, ſo ſinkt es bis zum halben
Leibe in den weichen ockerhaltigen Thon, der die Zwiſchenräume
der Steine ausfüllt. Wo dieſe fehlen, finden Menſchen- und
Tierbeine Halt an ungeheuren Baumwurzeln. Dieſelben ſind
oft 53 cm dick und gehen nicht ſelten hoch über dem Boden
vom Stamme ab. Die Kreolen vertrauen der Gewandtheit
und dem glücklichen Inſtinkt der Maultiere ſo ſehr, daß ſie
auf dem langen, gefährlichen Wege abwärts im Sattel bleiben.
Wir ſtiegen lieber ab, da wir Anſtrengung weniger ſcheuten
als jene, und gewöhnt waren, langſam vorwärts zu kommen,
weil wir immer Pflanzen ſammelten und die Gebirgsarten
unterſuchten. Da unſer Chronometer ſo ſchonend behandelt
werden mußte, blieb uns nicht einmal eine Wahl.
Der Wald, der den ſteilen Abhang des Berges von
Santa Maria bedeckt, iſt einer der dichteſten, die ich je ge-
ſehen. Die Bäume ſind wirklich ungeheuer hoch und dick.
Unter ihrem dichten dunkelgrünen Laube herrſcht beſtändig ein
Dämmerlicht, ein Dunkel, weit tiefer als in unſeren Tannen-,
Eichen- und Buchenwäldern. Es iſt als könnte die Luft trotz
der hohen Temperatur nicht all das Waſſer aufnehmen, das
der Boden, das Laub der Bäume, ihre mit einem uralten
Filz von Orchideen, Peperomien und anderen Saftpflanzen
bedeckten Stämme ausdünſten. Zu den aromatiſchen Ge-
rüchen, welche Blüten, Früchte, ſogar das Holz verbreiten,
kommt ein anderer, wie man ihn bei uns im Herbſt bei
nebligem Wetter ſpürt. Wie in den Wäldern am Orinoko
ſieht man auch hier, wenn man die Baumwipfel ins Auge
faßt, häufig Dunſtſtreifen an den Stellen, wo ein paar
Sonnenſtrahlen durch die dicke Luft dringen. Unter den
majeſtätiſchen Bäumen, die 40 bis 42 m hoch werden, machten
uns die Führer auf den Curucay von Terecen aufmerkſam,
der ein weißliches, flüſſiges, ſtarkriechendes Harz gibt. Die
indianiſchen Völkerſchaften der Cumanagotas und Tagires
räucherten einſt damit vor ihren Götzen. Die jungen Zweige
haben einen angenehmen, aber etwas zuſammenziehenden Ge-
ſchmack. Nach dem Curucay und ungeheuren, über 3 bis
3,25 m dicken Hymenäaſtämmen nahmen unſere Aufmerkſam-
keit am meiſten in Anſpruch: das Drachenblut (Croton san-
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