Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.treffliche Weide bieten, sind völlig ohne Baum und Busch- Von dieser Ebene geht es fortwährend abwärts bis zum 1 Agave americana.
treffliche Weide bieten, ſind völlig ohne Baum und Buſch- Von dieſer Ebene geht es fortwährend abwärts bis zum 1 Agave americana.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0294" n="278"/> treffliche Weide bieten, ſind völlig ohne Baum und Buſch-<lb/> werk. Es iſt dies das eigentliche Bereich der Monokotyledo-<lb/> nen, denn aus dem Graſe erhebt ſich nur da und dort eine<lb/> Agave<note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Agave americana.</hi></note> (Maguey), deren Blütenſchaft über 8,5 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch wird.<lb/> Auf der Hochebene von Guardia ſahen wir uns wie auf einen<lb/> alten, vom langen Aufenthalt des Waſſers wagerecht geebneten<lb/> Seeboden verſetzt. Man meint noch die Krümmungen des<lb/> alten Ufers zu erkennen, die vorſpringenden Landzungen, die<lb/> ſteilen Klippen, welche Eilande gebildet. Auf dieſen früheren<lb/> Zuſtand ſcheint ſelbſt die Verteilung der Gewächſe hinzu-<lb/> deuten. Der Boden des Beckens iſt eine Savanne, während<lb/> die Ränder mit hochſtämmigen Bäumen bewachſen ſind. Es<lb/> iſt wahrſcheinlich das höchſt gelegene Thal in den Provinzen<lb/> Cumana und Venezuela. Man kann bedauern, daß ein Land-<lb/> ſtrich, wo man eines gemäßigten Klimas genießt, und der ſich<lb/> ohne Zweifel zum Getreidebau eignete, völlig unbewohnt iſt.</p><lb/> <p>Von dieſer Ebene geht es fortwährend abwärts bis zum<lb/> indianiſchen Dorfe Santa Cruz. Man kommt zuerſt über einen<lb/> jähen glatten Abhang, den die Miſſionäre ſeltſamerweiſe das<lb/><hi rendition="#g">Fegefeuer</hi> nennen. Er beſteht aus verwittertem, mit Thon<lb/> bedecktem Schieferſandſtein und die Böſchung ſcheint furcht-<lb/> bar ſteil; denn infolge einer ſehr gewöhnlichen optiſchen<lb/> Täuſchung ſcheint der Weg, wenn man oben auf der Anhöhe<lb/> hinunterſieht, unter einem Winkel von mehr als 60° geneigt.<lb/> Beim Hinabſteigen nähern die Maultiere die Hinterbeine den<lb/> Vorderbeinen, ſenken das Kreuz und rutſchen aufs Geratewohl<lb/> hinab. Der Reiter hat nichts zu befahren, wenn er nur den<lb/> Zügel fahren läßt und dem Tiere keinerlei Zwang anthut.<lb/> An dieſem Punkte ſieht man zur Linken die große Pyramide<lb/> des Guacharo. Dieſer Kalkſteinkegel nimmt ſich ſehr maleriſch<lb/> aus, man verliert ihn aber bald wieder aus dem Geſicht, wenn<lb/> man den dicken Wald betritt, der unter dem Namen <hi rendition="#g">Mon-<lb/> taña de Santa Maria</hi> bekannt iſt. Es geht nun ſieben<lb/> Stunden lang in einem fort abwärts, und kaum kann man<lb/> ſich einen entſetzlicheren Weg denken; es iſt ein eigentlicher<lb/><hi rendition="#aq">„chemin des échelles“,</hi> eine Art Schlucht, in der während<lb/> der Regenzeit die wilden Waſſer von Fels zu Fels abwärts<lb/> ſtürzen. Die Stufen ſind 0,6 bis 1 <hi rendition="#aq">m</hi> hoch, und die armen<lb/> Laſttiere meſſen erſt den Raum ab, der erforderlich iſt, um<lb/> die Ladung zwiſchen den Baumſtämmen durchzubringen, und<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0294]
treffliche Weide bieten, ſind völlig ohne Baum und Buſch-
werk. Es iſt dies das eigentliche Bereich der Monokotyledo-
nen, denn aus dem Graſe erhebt ſich nur da und dort eine
Agave 1 (Maguey), deren Blütenſchaft über 8,5 m hoch wird.
Auf der Hochebene von Guardia ſahen wir uns wie auf einen
alten, vom langen Aufenthalt des Waſſers wagerecht geebneten
Seeboden verſetzt. Man meint noch die Krümmungen des
alten Ufers zu erkennen, die vorſpringenden Landzungen, die
ſteilen Klippen, welche Eilande gebildet. Auf dieſen früheren
Zuſtand ſcheint ſelbſt die Verteilung der Gewächſe hinzu-
deuten. Der Boden des Beckens iſt eine Savanne, während
die Ränder mit hochſtämmigen Bäumen bewachſen ſind. Es
iſt wahrſcheinlich das höchſt gelegene Thal in den Provinzen
Cumana und Venezuela. Man kann bedauern, daß ein Land-
ſtrich, wo man eines gemäßigten Klimas genießt, und der ſich
ohne Zweifel zum Getreidebau eignete, völlig unbewohnt iſt.
Von dieſer Ebene geht es fortwährend abwärts bis zum
indianiſchen Dorfe Santa Cruz. Man kommt zuerſt über einen
jähen glatten Abhang, den die Miſſionäre ſeltſamerweiſe das
Fegefeuer nennen. Er beſteht aus verwittertem, mit Thon
bedecktem Schieferſandſtein und die Böſchung ſcheint furcht-
bar ſteil; denn infolge einer ſehr gewöhnlichen optiſchen
Täuſchung ſcheint der Weg, wenn man oben auf der Anhöhe
hinunterſieht, unter einem Winkel von mehr als 60° geneigt.
Beim Hinabſteigen nähern die Maultiere die Hinterbeine den
Vorderbeinen, ſenken das Kreuz und rutſchen aufs Geratewohl
hinab. Der Reiter hat nichts zu befahren, wenn er nur den
Zügel fahren läßt und dem Tiere keinerlei Zwang anthut.
An dieſem Punkte ſieht man zur Linken die große Pyramide
des Guacharo. Dieſer Kalkſteinkegel nimmt ſich ſehr maleriſch
aus, man verliert ihn aber bald wieder aus dem Geſicht, wenn
man den dicken Wald betritt, der unter dem Namen Mon-
taña de Santa Maria bekannt iſt. Es geht nun ſieben
Stunden lang in einem fort abwärts, und kaum kann man
ſich einen entſetzlicheren Weg denken; es iſt ein eigentlicher
„chemin des échelles“, eine Art Schlucht, in der während
der Regenzeit die wilden Waſſer von Fels zu Fels abwärts
ſtürzen. Die Stufen ſind 0,6 bis 1 m hoch, und die armen
Laſttiere meſſen erſt den Raum ab, der erforderlich iſt, um
die Ladung zwiſchen den Baumſtämmen durchzubringen, und
1 Agave americana.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |