Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Sie betrachteten sie mit stillem, nachdenklichem Ernste, wie er Mit aller ihrer Autorität konnten die Missionäre die Wir gingen dem Bache nach wieder zur Höhle hinaus. Sie betrachteten ſie mit ſtillem, nachdenklichem Ernſte, wie er Mit aller ihrer Autorität konnten die Miſſionäre die Wir gingen dem Bache nach wieder zur Höhle hinaus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0287" n="271"/> Sie betrachteten ſie mit ſtillem, nachdenklichem Ernſte, wie er<lb/> ſich an einem Orte ziemte, der für ſie ſolche Schauer hat.<lb/> Dieſe unterirdiſchen, bleichen, formloſen Gewächſe mochten<lb/> ihnen wie Geſpenſter erſcheinen, die vom Erdboden hierher ge-<lb/> bannt waren. Mich aber erinnerten ſie an eine der glück-<lb/> lichſten Zeiten meiner frühen Jugend, an einen langen Auf-<lb/> enthalt in den Freiberger Erzgruben, wo ich über das Vergeilen<lb/> der Pflanzen Verſuche anſtellte, die ſehr verſchieden ausfielen,<lb/> je nachdem die Luft rein war oder viel Waſſerſtoff und Stick-<lb/> ſtoff enthielt.</p><lb/> <p>Mit aller ihrer Autorität konnten die Miſſionäre die<lb/> Indianer nicht vermögen, noch weiter in die Höhle hinein-<lb/> zugehen. Je mehr die Decke ſich ſenkte, deſto gellender wurde<lb/> das Geſchrei der Guacharos. Wir mußten uns der Feigheit<lb/> unſerer Führer gefangen geben und umkehren. Man ſah auch<lb/> überall ſo ziemlich das Nämliche. Ein Biſchof von St. Thomas<lb/> in Guyana ſcheint weiter gekommen zu ſein als wir; er hatte<lb/> vom Eingange bis zum Punkte, wo er Halt machte, 812 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> gemeſſen, und die Höhle lief noch weiter fort. Die Erinnerung<lb/> an dieſen Vorfall hat ſich im Kloſter Caripe erhalten, nur<lb/> weiß man den Zeitpunkt nicht genau. Der Biſchof hatte ſich<lb/> mit dicken Kerzen aus weißem ſpaniſchen Wachs verſehen;<lb/> wir hatten nur Fackeln aus Baumrinde und einheimiſchem<lb/> Harze. Der dicke Rauch ſolcher Fackeln in engem, unter-<lb/> irdiſchem Raume thut den Augen weh und macht das Atmen<lb/> beſchwerlich.</p><lb/> <p>Wir gingen dem Bache nach wieder zur Höhle hinaus.<lb/> Ehe unſere Augen vom Tageslichte geblendet wurden, ſahen<lb/> wir vor der Höhle draußen das Waſſer durch das Laub der<lb/> Bäume glänzen. Es war, als ſtünde weit weg ein Gemälde<lb/> vor uns und die Oeffnung der Höhle wäre der Rahmen<lb/> dazu. Als wir endlich heraus waren, ſetzten wir uns am<lb/> Bache nieder und ruhten von der Anſtrengung aus. Wir<lb/> waren froh, daß wir das heiſere Geſchrei der Vögel nicht<lb/> mehr hörten und einen Ort hinter uns hatten, wo ſich mit<lb/> der Dunkelheit nicht der wohlthuende Eindruck der Ruhe und<lb/> der Stille paart. Wir konnten es kaum glauben, daß der<lb/> Name Höhle von Caripe bis jetzt in Europa völlig unbekannt<lb/> geweſen ſein ſollte. Schon wegen der Guacharos hätte ſie<lb/> berühmt werden ſollen; denn außer den Bergen von Caripe<lb/> und Cumanacoa hat man dieſe Nachtvögel bis jetzt nirgends<lb/> angetroffen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0287]
Sie betrachteten ſie mit ſtillem, nachdenklichem Ernſte, wie er
ſich an einem Orte ziemte, der für ſie ſolche Schauer hat.
Dieſe unterirdiſchen, bleichen, formloſen Gewächſe mochten
ihnen wie Geſpenſter erſcheinen, die vom Erdboden hierher ge-
bannt waren. Mich aber erinnerten ſie an eine der glück-
lichſten Zeiten meiner frühen Jugend, an einen langen Auf-
enthalt in den Freiberger Erzgruben, wo ich über das Vergeilen
der Pflanzen Verſuche anſtellte, die ſehr verſchieden ausfielen,
je nachdem die Luft rein war oder viel Waſſerſtoff und Stick-
ſtoff enthielt.
Mit aller ihrer Autorität konnten die Miſſionäre die
Indianer nicht vermögen, noch weiter in die Höhle hinein-
zugehen. Je mehr die Decke ſich ſenkte, deſto gellender wurde
das Geſchrei der Guacharos. Wir mußten uns der Feigheit
unſerer Führer gefangen geben und umkehren. Man ſah auch
überall ſo ziemlich das Nämliche. Ein Biſchof von St. Thomas
in Guyana ſcheint weiter gekommen zu ſein als wir; er hatte
vom Eingange bis zum Punkte, wo er Halt machte, 812 m
gemeſſen, und die Höhle lief noch weiter fort. Die Erinnerung
an dieſen Vorfall hat ſich im Kloſter Caripe erhalten, nur
weiß man den Zeitpunkt nicht genau. Der Biſchof hatte ſich
mit dicken Kerzen aus weißem ſpaniſchen Wachs verſehen;
wir hatten nur Fackeln aus Baumrinde und einheimiſchem
Harze. Der dicke Rauch ſolcher Fackeln in engem, unter-
irdiſchem Raume thut den Augen weh und macht das Atmen
beſchwerlich.
Wir gingen dem Bache nach wieder zur Höhle hinaus.
Ehe unſere Augen vom Tageslichte geblendet wurden, ſahen
wir vor der Höhle draußen das Waſſer durch das Laub der
Bäume glänzen. Es war, als ſtünde weit weg ein Gemälde
vor uns und die Oeffnung der Höhle wäre der Rahmen
dazu. Als wir endlich heraus waren, ſetzten wir uns am
Bache nieder und ruhten von der Anſtrengung aus. Wir
waren froh, daß wir das heiſere Geſchrei der Vögel nicht
mehr hörten und einen Ort hinter uns hatten, wo ſich mit
der Dunkelheit nicht der wohlthuende Eindruck der Ruhe und
der Stille paart. Wir konnten es kaum glauben, daß der
Name Höhle von Caripe bis jetzt in Europa völlig unbekannt
geweſen ſein ſollte. Schon wegen der Guacharos hätte ſie
berühmt werden ſollen; denn außer den Bergen von Caripe
und Cumanacoa hat man dieſe Nachtvögel bis jetzt nirgends
angetroffen.
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