Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Das Kloster liegt an einem Orte, der in alter Zeit Die mittlere Temperatur des Thales von Caripe scheint, Die Erfahrung hat ausgewiesen, daß das gemäßigte Das Kloſter liegt an einem Orte, der in alter Zeit Die mittlere Temperatur des Thales von Caripe ſcheint, Die Erfahrung hat ausgewieſen, daß das gemäßigte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0277" n="261"/> <p>Das Kloſter liegt an einem Orte, der in alter Zeit<lb/> Areocuar hieß. Seine Meereshöhe iſt ungefähr dieſelbe wie<lb/> die der Stadt Caracas oder des bewohnten Striches in den<lb/> Blauen Bergen von Jamaika. Auch iſt die mittlere Tem-<lb/> peratur dieſer drei Punkte, die alle unter den Tropen liegen,<lb/> ſo ziemlich dieſelbe. In Caripe fühlt man das Bedürfnis,<lb/> ſich nachts zuzudecken, beſonders bei Sonnenaufgang. Wir<lb/> ſahen den hundertteiligen Thermometer um Mitternacht zwiſchen<lb/> 16 und 17½° ſtehen, morgens zwiſchen 19 und 20°. Gegen<lb/> ein Uhr nachmittags ſtand er nur auf 21 bis 22,5°. Es iſt<lb/> dies eine Temperatur, bei der die Gewächſe der heißen Zone<lb/> noch wohl gedeihen; gegenüber der übermäßigen Hitze auf den<lb/> Ebenen bei Cumana könnte man ſie eine Frühlingstemperatur<lb/> nennen. Das Waſſer, das man in poröſen Thongefäßen dem<lb/> Luftzuge ausſetzt, kühlt ſich in Caripe während der Nacht auf<lb/> 13° ab. Ich brauche nicht zu bemerken, daß ſolches Waſſer einem<lb/> faſt eiskalt vorkommt, wenn man in <hi rendition="#g">einem</hi> Tage entweder<lb/> von der Küſte oder von den glühenden Savannen von Terezen<lb/> ins Kloſter kommt und daher gewöhnt iſt, Flußwaſſer zu<lb/> trinken, das meiſt 25 bis 26° warm iſt.</p><lb/> <p>Die mittlere Temperatur des Thales von Caripe ſcheint,<lb/> nach der des Monats September zu ſchließen, 18,5° zu ſein.<lb/> Nach den Beobachtungen, die man in Cumana gemacht, weicht<lb/> unter dieſer Zone die Temperatur des Septembers von der<lb/> des ganzen Jahres kaum um einen halben Grad ab. Die<lb/> mittlere Temperatur von Caripe iſt gleich der des Monats<lb/> Juni zu Paris, wo übrigens die größte Hitze 10° mehr be-<lb/> trägt als an den heißeſten Tagen in Caripe. Da das Kloſter<lb/> nur 780 <hi rendition="#aq">m</hi> über dem Meere liegt, ſo fällt es auf, wie raſch<lb/> die Wärme von der Küſte an abnimmt. Wegen der dichten<lb/> Wälder können die Sonnenſtrahlen nicht vom Boden abprallen,<lb/> und dieſer iſt feucht und mit einem dicken Gras- und Moos-<lb/> filz bedeckt. Bei anhaltend nebelichter Witterung iſt von<lb/> Sonnenwirkung ganze Tage lang nichts zu ſpüren und gegen<lb/> Einbruch der Nacht wehen friſche Winde von der Sierra del<lb/> Guacharo ins Thal herunter.</p><lb/> <p>Die Erfahrung hat ausgewieſen, daß das gemäßigte<lb/> Klima und die leichte Luft des Ortes dem Anbau des Kaffee-<lb/> baumes, der bekanntlich hohe Lagen liebt, ſehr förderlich ſind.<lb/> Der Superior der Kapuziner, ein thätiger, aufgeklärter Mann,<lb/> hat in ſeiner Provinz dieſen neuen Kulturzweig eingeführt.<lb/> Man baute früher Indigo in Caripe, aber die Pflanze, die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0277]
Das Kloſter liegt an einem Orte, der in alter Zeit
Areocuar hieß. Seine Meereshöhe iſt ungefähr dieſelbe wie
die der Stadt Caracas oder des bewohnten Striches in den
Blauen Bergen von Jamaika. Auch iſt die mittlere Tem-
peratur dieſer drei Punkte, die alle unter den Tropen liegen,
ſo ziemlich dieſelbe. In Caripe fühlt man das Bedürfnis,
ſich nachts zuzudecken, beſonders bei Sonnenaufgang. Wir
ſahen den hundertteiligen Thermometer um Mitternacht zwiſchen
16 und 17½° ſtehen, morgens zwiſchen 19 und 20°. Gegen
ein Uhr nachmittags ſtand er nur auf 21 bis 22,5°. Es iſt
dies eine Temperatur, bei der die Gewächſe der heißen Zone
noch wohl gedeihen; gegenüber der übermäßigen Hitze auf den
Ebenen bei Cumana könnte man ſie eine Frühlingstemperatur
nennen. Das Waſſer, das man in poröſen Thongefäßen dem
Luftzuge ausſetzt, kühlt ſich in Caripe während der Nacht auf
13° ab. Ich brauche nicht zu bemerken, daß ſolches Waſſer einem
faſt eiskalt vorkommt, wenn man in einem Tage entweder
von der Küſte oder von den glühenden Savannen von Terezen
ins Kloſter kommt und daher gewöhnt iſt, Flußwaſſer zu
trinken, das meiſt 25 bis 26° warm iſt.
Die mittlere Temperatur des Thales von Caripe ſcheint,
nach der des Monats September zu ſchließen, 18,5° zu ſein.
Nach den Beobachtungen, die man in Cumana gemacht, weicht
unter dieſer Zone die Temperatur des Septembers von der
des ganzen Jahres kaum um einen halben Grad ab. Die
mittlere Temperatur von Caripe iſt gleich der des Monats
Juni zu Paris, wo übrigens die größte Hitze 10° mehr be-
trägt als an den heißeſten Tagen in Caripe. Da das Kloſter
nur 780 m über dem Meere liegt, ſo fällt es auf, wie raſch
die Wärme von der Küſte an abnimmt. Wegen der dichten
Wälder können die Sonnenſtrahlen nicht vom Boden abprallen,
und dieſer iſt feucht und mit einem dicken Gras- und Moos-
filz bedeckt. Bei anhaltend nebelichter Witterung iſt von
Sonnenwirkung ganze Tage lang nichts zu ſpüren und gegen
Einbruch der Nacht wehen friſche Winde von der Sierra del
Guacharo ins Thal herunter.
Die Erfahrung hat ausgewieſen, daß das gemäßigte
Klima und die leichte Luft des Ortes dem Anbau des Kaffee-
baumes, der bekanntlich hohe Lagen liebt, ſehr förderlich ſind.
Der Superior der Kapuziner, ein thätiger, aufgeklärter Mann,
hat in ſeiner Provinz dieſen neuen Kulturzweig eingeführt.
Man baute früher Indigo in Caripe, aber die Pflanze, die
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