Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.Siebentes Kapitel. Das Kloster Caripe. -- Die Höhle des Guacharo. -- Nachtvögel. Eine Allee von Perseabäumen führte uns zum Hospiz Wir wurden von den Mönchen im Hospiz mit der größten Siebentes Kapitel. Das Kloſter Caripe. — Die Höhle des Guacharo. — Nachtvögel. Eine Allee von Perſeabäumen führte uns zum Hoſpiz Wir wurden von den Mönchen im Hoſpiz mit der größten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0275" n="[259]"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Siebentes Kapitel.</hi> </head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">Das Kloſter Caripe. — Die Höhle des Guacharo. — Nachtvögel.</hi> </p> </argument><lb/> <p>Eine Allee von Perſeabäumen führte uns zum Hoſpiz<lb/> der aragoneſiſchen Kapuziner. Bei einem Kreuze aus Braſil-<lb/> holz mitten auf einem großen Platze machten wir Halt. Das<lb/> Kreuz iſt von Bänken umgeben, wo die kranken und ſchwachen<lb/> Mönche ihren Roſenkranz beten. Das Kloſter lehnt ſich an<lb/> eine ungeheure, ſenkrechte, dicht bewachſene Felswand. Das<lb/> blendend weiße Geſtein blickt nur hin und wieder hinter dem<lb/> Laube vor. Man kann ſich kaum eine maleriſchere Lage<lb/> denken; ſie erinnerte mich lebhaft an die Thäler der Graf-<lb/> ſchaft Derby und an die höhlenreichen Berge von Muggen-<lb/> dorf in Franken. An die Stelle der europäiſchen Buchen und<lb/> Ahorne treten hier die großartigeren Geſtalten der Ceiba und<lb/> der Praga- und Iraſſepalmen. Unzählige Quellen brechen<lb/> aus den Bergwänden, die das Becken von Caripe kreisförmig<lb/> umgeben und deren gegen Süd ſteil abfallende Hänge 320 <hi rendition="#aq">m</hi><lb/> hohe Profile bilden. Dieſe Quellen kommen meiſt aus Spalten<lb/> oder engen Schluchten hervor. Die Feuchtigkeit, die ſie ver-<lb/> breiten, befördert das Wachstum der großen Bäume, und die<lb/> Eingeborenen, welche einſame Orte lieben, legen ihre <hi rendition="#g">Conucos</hi><lb/> längs dieſer Schluchten an. Bananen und Melonenbäume<lb/> ſtehen hier um Gebüſche von Baumfarn. Dieſes Durch-<lb/> einander von kultivierten und wilden Gewächſen gibt dieſen<lb/> Punkten einen eigentümlichen Reiz. An den nackten Berg-<lb/> ſeiten erkennt man die Stellen, wo Quellen zu Tage kommen,<lb/> ſchon von weitem an den dichten Maſſen von Grün, die an-<lb/> fangs am Geſtein zu hängen ſcheinen und ſich dann den<lb/> Windungen der Bäche nach ins Thal hinunterziehen.</p><lb/> <p>Wir wurden von den Mönchen im Hoſpiz mit der größten<lb/> Zuvorkommenheit aufgenommen. Der Pater Guardian war<lb/> nicht zu Hauſe; aber er war von unſerem Abgange von<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[259]/0275]
Siebentes Kapitel.
Das Kloſter Caripe. — Die Höhle des Guacharo. — Nachtvögel.
Eine Allee von Perſeabäumen führte uns zum Hoſpiz
der aragoneſiſchen Kapuziner. Bei einem Kreuze aus Braſil-
holz mitten auf einem großen Platze machten wir Halt. Das
Kreuz iſt von Bänken umgeben, wo die kranken und ſchwachen
Mönche ihren Roſenkranz beten. Das Kloſter lehnt ſich an
eine ungeheure, ſenkrechte, dicht bewachſene Felswand. Das
blendend weiße Geſtein blickt nur hin und wieder hinter dem
Laube vor. Man kann ſich kaum eine maleriſchere Lage
denken; ſie erinnerte mich lebhaft an die Thäler der Graf-
ſchaft Derby und an die höhlenreichen Berge von Muggen-
dorf in Franken. An die Stelle der europäiſchen Buchen und
Ahorne treten hier die großartigeren Geſtalten der Ceiba und
der Praga- und Iraſſepalmen. Unzählige Quellen brechen
aus den Bergwänden, die das Becken von Caripe kreisförmig
umgeben und deren gegen Süd ſteil abfallende Hänge 320 m
hohe Profile bilden. Dieſe Quellen kommen meiſt aus Spalten
oder engen Schluchten hervor. Die Feuchtigkeit, die ſie ver-
breiten, befördert das Wachstum der großen Bäume, und die
Eingeborenen, welche einſame Orte lieben, legen ihre Conucos
längs dieſer Schluchten an. Bananen und Melonenbäume
ſtehen hier um Gebüſche von Baumfarn. Dieſes Durch-
einander von kultivierten und wilden Gewächſen gibt dieſen
Punkten einen eigentümlichen Reiz. An den nackten Berg-
ſeiten erkennt man die Stellen, wo Quellen zu Tage kommen,
ſchon von weitem an den dichten Maſſen von Grün, die an-
fangs am Geſtein zu hängen ſcheinen und ſich dann den
Windungen der Bäche nach ins Thal hinunterziehen.
Wir wurden von den Mönchen im Hoſpiz mit der größten
Zuvorkommenheit aufgenommen. Der Pater Guardian war
nicht zu Hauſe; aber er war von unſerem Abgange von
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