Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.wurden, bloß weil der Mönch die Aussicht aus seinem Hause Guanaguana hat noch keine Kirche. Der alte Geistliche, wurden, bloß weil der Mönch die Ausſicht aus ſeinem Hauſe Guanaguana hat noch keine Kirche. Der alte Geiſtliche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0271" n="255"/> wurden, bloß weil der Mönch die Ausſicht aus ſeinem Hauſe<lb/> nicht ſchön oder weit genug fand.</p><lb/> <p>Guanaguana hat noch keine Kirche. Der alte Geiſtliche,<lb/> der ſchon ſeit dreißig Jahren in den Wäldern Amerikas lebte,<lb/> äußerte gegen uns, die Gemeindegelder, d. h. der Ertrag der<lb/> Arbeit der Indianer, müßten zuerſt zum Bau des Miſſions-<lb/> hauſes, dann zum Kirchenbau und endlich für die Kleidung<lb/> der Indianer verwendet werden. Er verſicherte in wichtigem<lb/> Ton, von dieſer Ordnung dürfe unter keinem Vorwand ab-<lb/> gegangen werden. Nun, die Indianer, die lieber ganz nackt<lb/> gehen als die leichteſten Kleider tragen, können gut warten,<lb/> bis die Reihe an ſie kommt. Die geräumige Wohnung des<lb/><hi rendition="#g">Padre</hi> war eben fertig geworden, und wir bemerkten zu<lb/> unſerer Ueberraſchung, daß das Haus, das ein plattes Dach<lb/> hatte, mit einer Menge Kaminen wie mit Türmchen geziert<lb/> war. Sie ſollten, belehrte uns unſer Wirt, ihn an ſein ge-<lb/> liebtes Heimatland, und in der tropiſchen Hitze an die ara-<lb/> goneſiſchen Winter erinnern. Die Indianer in Guanaguana<lb/> bauen Baumwolle für ſich, für die Kirche und für den Miſſionär.<lb/> Der Ertrag gilt als Gemeindeeigentum, und mit den Gemeinde-<lb/> geldern werden die Bedürfniſſe des Geiſtlichen und die Koſten<lb/> des Gottesdienſtes beſtritten. Die Eingeborenen haben höchſt<lb/> einfache Vorrichtungen, um den Samen von der Baumwolle<lb/> zu trennen. Es ſind hölzerne Cylinder von ſehr kleinem<lb/> Durchmeſſer, zwiſchen denen die Baumwolle durchläuft, und<lb/> die man wie Spinnräder mit dem Fuße umtreibt. Dieſe höchſt<lb/> mangelhaften Maſchinen leiſten indeſſen gute Dienſte, und<lb/> man fängt in den anderen Miſſionen an, ſie nachzuahmen.<lb/> Ich habe anderswo, in meinem Werke über Mexiko, ausein-<lb/> andergeſetzt, wie ſehr die Sitte, die Baumwolle mit dem<lb/> Samen zu verkaufen, den Transport in den ſpaniſchen Ko-<lb/> lonien erſchwert, wo alle Waren auf Maultieren in die See-<lb/> häfen kommen. Der Boden iſt in Guanaguana ebenſo frucht-<lb/> bar wie im benachbarten Dorfe Aricagua, das gleichfalls ſeinen<lb/> indianiſchen Namen behalten hat. Eine <hi rendition="#g">Almuda</hi> (7030 <hi rendition="#aq">qm</hi>)<lb/> trägt in guten Jahren 25—30 Fanegas Mais, die Fanega<lb/> zu 50 <hi rendition="#aq">kg.</hi> Aber hier wie überall, wo der Segen der Natur<lb/> die Entwickelung der Induſtrie hemmt, macht man nur ganz<lb/> wenige Morgen Landes urbar, und kein Menſch denkt daran,<lb/> mit dem Anbau der Nahrungspflanzen zu wechſeln. Die In-<lb/> dianer in Guanaguana erzählten mir als etwas Ungewöhn-<lb/> liches, im verfloſſenen Jahre ſeien ſie, ihre Weiber und Kinder<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [255/0271]
wurden, bloß weil der Mönch die Ausſicht aus ſeinem Hauſe
nicht ſchön oder weit genug fand.
Guanaguana hat noch keine Kirche. Der alte Geiſtliche,
der ſchon ſeit dreißig Jahren in den Wäldern Amerikas lebte,
äußerte gegen uns, die Gemeindegelder, d. h. der Ertrag der
Arbeit der Indianer, müßten zuerſt zum Bau des Miſſions-
hauſes, dann zum Kirchenbau und endlich für die Kleidung
der Indianer verwendet werden. Er verſicherte in wichtigem
Ton, von dieſer Ordnung dürfe unter keinem Vorwand ab-
gegangen werden. Nun, die Indianer, die lieber ganz nackt
gehen als die leichteſten Kleider tragen, können gut warten,
bis die Reihe an ſie kommt. Die geräumige Wohnung des
Padre war eben fertig geworden, und wir bemerkten zu
unſerer Ueberraſchung, daß das Haus, das ein plattes Dach
hatte, mit einer Menge Kaminen wie mit Türmchen geziert
war. Sie ſollten, belehrte uns unſer Wirt, ihn an ſein ge-
liebtes Heimatland, und in der tropiſchen Hitze an die ara-
goneſiſchen Winter erinnern. Die Indianer in Guanaguana
bauen Baumwolle für ſich, für die Kirche und für den Miſſionär.
Der Ertrag gilt als Gemeindeeigentum, und mit den Gemeinde-
geldern werden die Bedürfniſſe des Geiſtlichen und die Koſten
des Gottesdienſtes beſtritten. Die Eingeborenen haben höchſt
einfache Vorrichtungen, um den Samen von der Baumwolle
zu trennen. Es ſind hölzerne Cylinder von ſehr kleinem
Durchmeſſer, zwiſchen denen die Baumwolle durchläuft, und
die man wie Spinnräder mit dem Fuße umtreibt. Dieſe höchſt
mangelhaften Maſchinen leiſten indeſſen gute Dienſte, und
man fängt in den anderen Miſſionen an, ſie nachzuahmen.
Ich habe anderswo, in meinem Werke über Mexiko, ausein-
andergeſetzt, wie ſehr die Sitte, die Baumwolle mit dem
Samen zu verkaufen, den Transport in den ſpaniſchen Ko-
lonien erſchwert, wo alle Waren auf Maultieren in die See-
häfen kommen. Der Boden iſt in Guanaguana ebenſo frucht-
bar wie im benachbarten Dorfe Aricagua, das gleichfalls ſeinen
indianiſchen Namen behalten hat. Eine Almuda (7030 qm)
trägt in guten Jahren 25—30 Fanegas Mais, die Fanega
zu 50 kg. Aber hier wie überall, wo der Segen der Natur
die Entwickelung der Induſtrie hemmt, macht man nur ganz
wenige Morgen Landes urbar, und kein Menſch denkt daran,
mit dem Anbau der Nahrungspflanzen zu wechſeln. Die In-
dianer in Guanaguana erzählten mir als etwas Ungewöhn-
liches, im verfloſſenen Jahre ſeien ſie, ihre Weiber und Kinder
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