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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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eben und bildet gleichsam kleine Plateaus, die wie Stufen
übereinander liegen. Bis zu 1365 m und sogar darüber ist
der Berg, wie alle in der Nachbarschaft, nur mit Gräsern
bewachsen. In Cumana schreibt man den Umstand, daß keine
Bäume mehr vorkommen, der großen Hitze zu; vergegen-
wärtigt man sich aber die Verteilung der Gewächse in den
Kordilleren der heißen Zone, so sieht man, daß die Berg-
gipfel in Neu-Andalusien lange nicht zu der oberen Baumgrenze
hinaufreichen, die in dieser Breite mindestens 3120 m hoch
liegt. Ja, der kurze Rasen zeigt sich auf dem Cocollar stellen-
weise sogar schon bei 680 m über dem Meer, und man kann
auf demselben bis zu 1950 m Höhe gehen; weiter hinauf,
über diesem mit Gräsern bedeckten Gürtel, befindet sich auf
dem Menschen fast unzugänglichen Gipfeln ein Wäldchen von
Cedrela, Javillo 1 und Mahagonibäumen. Nach diesen lokalen
Verhältnissen muß man annehmen, daß die Bergsavannen des
Cocollar und Turimiquiri ihre Entstehung nur der verderb-
lichen Sitte der Eingeborenen verdanken, die Wälder anzu-
zünden, die sie in Weideland verwandeln wollen. Jetzt, da
Gräser und Alppflanzen seit dreihundert Jahren den Boden
mit einem dicken Filz überzogen haben, können die Baum-
samen sich nicht mehr im Boden befestigen und keimen, ob-
gleich Wind und Vögel sie fortwährend von entlegenen Wäl-
dern in die Savannen herübertragen.

Das Klima auf diesen Bergen ist so mild, daß beim
Hofe auf dem Cocollar der Baumwollenbaum, der Kaffeebaum,
sogar das Zuckerrohr gut fortkommen. Trotz aller Behaup-
tungen der Einwohner an der Küste ist unter dem 10. Grad
der Breite auf Bergen, die kaum höher sind als der Mont
Dore und der Puy de Dome, niemals Reif gesehen worden.
Die Weiden auf dem Turimiquiri nehmen an Güte ab, je
höher sie liegen. Ueberall, wo zerstreute Felsmassen Schatten
bieten, kommen Flechten und verschiedene europäische Moose

1 Hura crepitans, aus der Familie der Euphorbien. Dieser
Baum wird ungeheuer dick; im Thal von Curiepe zwischen Kap
Codera und Caracas maß Bonpland Kufen aus Javilloholz, die
5 m lang und 2,5 m breit waren. Diese Kufen aus einem Stück
dienen zur Aufbewahrung des Guarapo oder Zuckerrohrsaftes und
der Melasse. Die Samen des Javillo sind ein starkes Gift, und
die Milch, die aus dem Blütenstengel quillt, wenn man ihn abbricht,
hat uns oft Augenschmerz verursacht, wenn zufällig auch nur ein
ganz klein wenig davon zwischen die Augenlider kam.

eben und bildet gleichſam kleine Plateaus, die wie Stufen
übereinander liegen. Bis zu 1365 m und ſogar darüber iſt
der Berg, wie alle in der Nachbarſchaft, nur mit Gräſern
bewachſen. In Cumana ſchreibt man den Umſtand, daß keine
Bäume mehr vorkommen, der großen Hitze zu; vergegen-
wärtigt man ſich aber die Verteilung der Gewächſe in den
Kordilleren der heißen Zone, ſo ſieht man, daß die Berg-
gipfel in Neu-Andaluſien lange nicht zu der oberen Baumgrenze
hinaufreichen, die in dieſer Breite mindeſtens 3120 m hoch
liegt. Ja, der kurze Raſen zeigt ſich auf dem Cocollar ſtellen-
weiſe ſogar ſchon bei 680 m über dem Meer, und man kann
auf demſelben bis zu 1950 m Höhe gehen; weiter hinauf,
über dieſem mit Gräſern bedeckten Gürtel, befindet ſich auf
dem Menſchen faſt unzugänglichen Gipfeln ein Wäldchen von
Cedrela, Javillo 1 und Mahagonibäumen. Nach dieſen lokalen
Verhältniſſen muß man annehmen, daß die Bergſavannen des
Cocollar und Turimiquiri ihre Entſtehung nur der verderb-
lichen Sitte der Eingeborenen verdanken, die Wälder anzu-
zünden, die ſie in Weideland verwandeln wollen. Jetzt, da
Gräſer und Alppflanzen ſeit dreihundert Jahren den Boden
mit einem dicken Filz überzogen haben, können die Baum-
ſamen ſich nicht mehr im Boden befeſtigen und keimen, ob-
gleich Wind und Vögel ſie fortwährend von entlegenen Wäl-
dern in die Savannen herübertragen.

Das Klima auf dieſen Bergen iſt ſo mild, daß beim
Hofe auf dem Cocollar der Baumwollenbaum, der Kaffeebaum,
ſogar das Zuckerrohr gut fortkommen. Trotz aller Behaup-
tungen der Einwohner an der Küſte iſt unter dem 10. Grad
der Breite auf Bergen, die kaum höher ſind als der Mont
Dore und der Puy de Dome, niemals Reif geſehen worden.
Die Weiden auf dem Turimiquiri nehmen an Güte ab, je
höher ſie liegen. Ueberall, wo zerſtreute Felsmaſſen Schatten
bieten, kommen Flechten und verſchiedene europäiſche Mooſe

1 Hura crepitans, aus der Familie der Euphorbien. Dieſer
Baum wird ungeheuer dick; im Thal von Curiepe zwiſchen Kap
Codera und Caracas maß Bonpland Kufen aus Javilloholz, die
5 m lang und 2,5 m breit waren. Dieſe Kufen aus einem Stück
dienen zur Aufbewahrung des Guarapo oder Zuckerrohrſaftes und
der Melaſſe. Die Samen des Javillo ſind ein ſtarkes Gift, und
die Milch, die aus dem Blütenſtengel quillt, wenn man ihn abbricht,
hat uns oft Augenſchmerz verurſacht, wenn zufällig auch nur ein
ganz klein wenig davon zwiſchen die Augenlider kam.
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[251/0267] eben und bildet gleichſam kleine Plateaus, die wie Stufen übereinander liegen. Bis zu 1365 m und ſogar darüber iſt der Berg, wie alle in der Nachbarſchaft, nur mit Gräſern bewachſen. In Cumana ſchreibt man den Umſtand, daß keine Bäume mehr vorkommen, der großen Hitze zu; vergegen- wärtigt man ſich aber die Verteilung der Gewächſe in den Kordilleren der heißen Zone, ſo ſieht man, daß die Berg- gipfel in Neu-Andaluſien lange nicht zu der oberen Baumgrenze hinaufreichen, die in dieſer Breite mindeſtens 3120 m hoch liegt. Ja, der kurze Raſen zeigt ſich auf dem Cocollar ſtellen- weiſe ſogar ſchon bei 680 m über dem Meer, und man kann auf demſelben bis zu 1950 m Höhe gehen; weiter hinauf, über dieſem mit Gräſern bedeckten Gürtel, befindet ſich auf dem Menſchen faſt unzugänglichen Gipfeln ein Wäldchen von Cedrela, Javillo 1 und Mahagonibäumen. Nach dieſen lokalen Verhältniſſen muß man annehmen, daß die Bergſavannen des Cocollar und Turimiquiri ihre Entſtehung nur der verderb- lichen Sitte der Eingeborenen verdanken, die Wälder anzu- zünden, die ſie in Weideland verwandeln wollen. Jetzt, da Gräſer und Alppflanzen ſeit dreihundert Jahren den Boden mit einem dicken Filz überzogen haben, können die Baum- ſamen ſich nicht mehr im Boden befeſtigen und keimen, ob- gleich Wind und Vögel ſie fortwährend von entlegenen Wäl- dern in die Savannen herübertragen. Das Klima auf dieſen Bergen iſt ſo mild, daß beim Hofe auf dem Cocollar der Baumwollenbaum, der Kaffeebaum, ſogar das Zuckerrohr gut fortkommen. Trotz aller Behaup- tungen der Einwohner an der Küſte iſt unter dem 10. Grad der Breite auf Bergen, die kaum höher ſind als der Mont Dore und der Puy de Dome, niemals Reif geſehen worden. Die Weiden auf dem Turimiquiri nehmen an Güte ab, je höher ſie liegen. Ueberall, wo zerſtreute Felsmaſſen Schatten bieten, kommen Flechten und verſchiedene europäiſche Mooſe 1 Hura crepitans, aus der Familie der Euphorbien. Dieſer Baum wird ungeheuer dick; im Thal von Curiepe zwiſchen Kap Codera und Caracas maß Bonpland Kufen aus Javilloholz, die 5 m lang und 2,5 m breit waren. Dieſe Kufen aus einem Stück dienen zur Aufbewahrung des Guarapo oder Zuckerrohrſaftes und der Melaſſe. Die Samen des Javillo ſind ein ſtarkes Gift, und die Milch, die aus dem Blütenſtengel quillt, wenn man ihn abbricht, hat uns oft Augenſchmerz verurſacht, wenn zufällig auch nur ein ganz klein wenig davon zwiſchen die Augenlider kam.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/267>, abgerufen am 28.11.2024.