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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859.

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Perlen, Goldkörner und Farbholz zu verschaffen. Durch
den Schein gewaltigen Religionseifers meinte man diese
unersättliche Habsucht in eine höhere Sphäre zu heben.
So hat jedes Jahrhundert seine eigene geistige und sitt-
liche Farbe.

Der Handel mit den kupferfarbigen Eingeborenen führte
zu denselben Unmenschlichkeiten wie der Negerhandel; er hatte
auch dieselben Folgen, Sieger und Unterworfene verwilderten
dadurch. Von Stunde an wurden die Kriege unter den Ein-
geborenen häufiger; die Gefangenen wurden aus dem inneren
Lande an die Küste geschleppt und an die Weißen verkauft,
die sie auf ihren Schiffen fesselten. Und doch waren die
Spanier damals und noch lange nachher eines der civilisier-
testen Völker Europas. Ein Abglanz der Herrlichkeit in der
in Italien Kunst und Litteratur blühten, hatte sich über alle
Völker verbreitet, deren Sprache dieselbe Quelle hat wie die
Sprache Dantes und Petrarcas. Man sollte glauben, in
dieser mächtigen geistigen Entwickelung, bei solch erhabenem
Schwung der Einbildungskraft hätten sich die Sitten sänftigen
müssen. Aber jenseits der Meere, überall, wo der Golddurst
zum Mißbrauch der Gewalt führt, haben die europäischen
Völker in allen Abschnitten der Geschichte denselben Charakter
entwickelt. Das herrliche Jahrhundert Leos X. trat in der
Neuen Welt mit einer Grausamkeit auf, wie man sie nur
den finstersten Jahrhunderten zutrauen sollte. Man wundert
sich aber nicht so sehr über das entsetzliche Bild der Eroberung
von Amerika, wenn man daran denkt, was trotz der Seg-
nungen, einer menschlicheren Gesetzgebung noch jetzt auf den
Westküsten von Afrika vorgeht.

Der Sklavenhandel hatte dank den von Karl V. zur
Geltung gebrachten Grundsätzen auf Terra Firma längst auf-
gehört; aber die Konquistadoren setzten ihre Streifzüge ins
Land fort, und damit den kleinen Krieg, der die amerikanische
Bevölkerung herabbrachte, dem Nationalhaß immer frische
Nahrung gab, auf lange Zeit die Keime der Kultur erstickte.
Endlich ließen Missionäre unter dem Schutze des weltlichen
Armes Worte des Friedens hören. Es war Pflicht der Re-
ligion, daß sie der Menschheit einigen Trost brachte für die
Greuel, die in ihrem Namen verübt worden; sie führte für
die Eingeborenen das Wort vor dem Richterstuhle der Könige,
sie widersetzte sich den Gewaltthätigkeiten der Pfründenin-
haber, sie vereinigte umherziehende Stämme zu den kleinen

Perlen, Goldkörner und Farbholz zu verſchaffen. Durch
den Schein gewaltigen Religionseifers meinte man dieſe
unerſättliche Habſucht in eine höhere Sphäre zu heben.
So hat jedes Jahrhundert ſeine eigene geiſtige und ſitt-
liche Farbe.

Der Handel mit den kupferfarbigen Eingeborenen führte
zu denſelben Unmenſchlichkeiten wie der Negerhandel; er hatte
auch dieſelben Folgen, Sieger und Unterworfene verwilderten
dadurch. Von Stunde an wurden die Kriege unter den Ein-
geborenen häufiger; die Gefangenen wurden aus dem inneren
Lande an die Küſte geſchleppt und an die Weißen verkauft,
die ſie auf ihren Schiffen feſſelten. Und doch waren die
Spanier damals und noch lange nachher eines der civiliſier-
teſten Völker Europas. Ein Abglanz der Herrlichkeit in der
in Italien Kunſt und Litteratur blühten, hatte ſich über alle
Völker verbreitet, deren Sprache dieſelbe Quelle hat wie die
Sprache Dantes und Petrarcas. Man ſollte glauben, in
dieſer mächtigen geiſtigen Entwickelung, bei ſolch erhabenem
Schwung der Einbildungskraft hätten ſich die Sitten ſänftigen
müſſen. Aber jenſeits der Meere, überall, wo der Golddurſt
zum Mißbrauch der Gewalt führt, haben die europäiſchen
Völker in allen Abſchnitten der Geſchichte denſelben Charakter
entwickelt. Das herrliche Jahrhundert Leos X. trat in der
Neuen Welt mit einer Grauſamkeit auf, wie man ſie nur
den finſterſten Jahrhunderten zutrauen ſollte. Man wundert
ſich aber nicht ſo ſehr über das entſetzliche Bild der Eroberung
von Amerika, wenn man daran denkt, was trotz der Seg-
nungen, einer menſchlicheren Geſetzgebung noch jetzt auf den
Weſtküſten von Afrika vorgeht.

Der Sklavenhandel hatte dank den von Karl V. zur
Geltung gebrachten Grundſätzen auf Terra Firma längſt auf-
gehört; aber die Konquiſtadoren ſetzten ihre Streifzüge ins
Land fort, und damit den kleinen Krieg, der die amerikaniſche
Bevölkerung herabbrachte, dem Nationalhaß immer friſche
Nahrung gab, auf lange Zeit die Keime der Kultur erſtickte.
Endlich ließen Miſſionäre unter dem Schutze des weltlichen
Armes Worte des Friedens hören. Es war Pflicht der Re-
ligion, daß ſie der Menſchheit einigen Troſt brachte für die
Greuel, die in ihrem Namen verübt worden; ſie führte für
die Eingeborenen das Wort vor dem Richterſtuhle der Könige,
ſie widerſetzte ſich den Gewaltthätigkeiten der Pfründenin-
haber, ſie vereinigte umherziehende Stämme zu den kleinen

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[213/0229] Perlen, Goldkörner und Farbholz zu verſchaffen. Durch den Schein gewaltigen Religionseifers meinte man dieſe unerſättliche Habſucht in eine höhere Sphäre zu heben. So hat jedes Jahrhundert ſeine eigene geiſtige und ſitt- liche Farbe. Der Handel mit den kupferfarbigen Eingeborenen führte zu denſelben Unmenſchlichkeiten wie der Negerhandel; er hatte auch dieſelben Folgen, Sieger und Unterworfene verwilderten dadurch. Von Stunde an wurden die Kriege unter den Ein- geborenen häufiger; die Gefangenen wurden aus dem inneren Lande an die Küſte geſchleppt und an die Weißen verkauft, die ſie auf ihren Schiffen feſſelten. Und doch waren die Spanier damals und noch lange nachher eines der civiliſier- teſten Völker Europas. Ein Abglanz der Herrlichkeit in der in Italien Kunſt und Litteratur blühten, hatte ſich über alle Völker verbreitet, deren Sprache dieſelbe Quelle hat wie die Sprache Dantes und Petrarcas. Man ſollte glauben, in dieſer mächtigen geiſtigen Entwickelung, bei ſolch erhabenem Schwung der Einbildungskraft hätten ſich die Sitten ſänftigen müſſen. Aber jenſeits der Meere, überall, wo der Golddurſt zum Mißbrauch der Gewalt führt, haben die europäiſchen Völker in allen Abſchnitten der Geſchichte denſelben Charakter entwickelt. Das herrliche Jahrhundert Leos X. trat in der Neuen Welt mit einer Grauſamkeit auf, wie man ſie nur den finſterſten Jahrhunderten zutrauen ſollte. Man wundert ſich aber nicht ſo ſehr über das entſetzliche Bild der Eroberung von Amerika, wenn man daran denkt, was trotz der Seg- nungen, einer menſchlicheren Geſetzgebung noch jetzt auf den Weſtküſten von Afrika vorgeht. Der Sklavenhandel hatte dank den von Karl V. zur Geltung gebrachten Grundſätzen auf Terra Firma längſt auf- gehört; aber die Konquiſtadoren ſetzten ihre Streifzüge ins Land fort, und damit den kleinen Krieg, der die amerikaniſche Bevölkerung herabbrachte, dem Nationalhaß immer friſche Nahrung gab, auf lange Zeit die Keime der Kultur erſtickte. Endlich ließen Miſſionäre unter dem Schutze des weltlichen Armes Worte des Friedens hören. Es war Pflicht der Re- ligion, daß ſie der Menſchheit einigen Troſt brachte für die Greuel, die in ihrem Namen verübt worden; ſie führte für die Eingeborenen das Wort vor dem Richterſtuhle der Könige, ſie widerſetzte ſich den Gewaltthätigkeiten der Pfründenin- haber, ſie vereinigte umherziehende Stämme zu den kleinen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/229>, abgerufen am 24.11.2024.