einer Reise nach Oberägypten zu begleiten. Der Ausflug sollte nur acht Monate dauern; geschickte Zeichner und astronomische Werkzeuge sollten uns begleiten, und so wollten wir den Nil bis Assuan hinaufgehen und den zwischen Tentyris und den Katarakten gelegenen Teil des Said genau untersuchen. Ich hatte bis jetzt bei meinen Plänen nie ein außertropisches Land im Auge gehabt, dennoch konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, Länder zu besuchen, die in der Geschichte der Kultur eine so bedeutende Rolle spielen. Ich nahm den Vor- schlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich bei der Rückkehr nach Alexandrien allein durch Syrien und Palästina weiterreisen dürfte. Sofort richtete ich meine Studien nach dem neuen Plane ein, was mir später zu gute kam, als es sich davon handelte, die rohen Denkmale der Mexikaner mit denen der Völker der Alten Welt zu vergleichen. Ich hatte die nahe Aussicht, mich nach Aegypten einzuschiffen, da nötigten mich die eingetretenen politischen Verhältnisse, eine Reise aufzugeben, die mir so großen Genuß versprach. Im Orient standen die Dinge so, daß ein einzelner Reisender gar keine Aussicht hatte, dort Studien machen zu können, welche selbst in den ruhigsten Zeiten von den Regierungen mit mißtrauischem Auge angesehen werden.
Zur selben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreise in die Südsee unter dem Befehl des Kapitäns Baudin im Werk. Der ursprüngliche Plan war großartig, kühn, und hätte verdient, unter umsichtigerer Leitung ausgeführt zu werden. Man wollte die spanischen Besitzungen in Südamerika von der Mündung des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito und der Landenge von Panama besuchen. Die zwei Korvetten sollten sofort über die Inselwelt des Stillen Meeres nach Neu- holland gelangen, die Küsten desselben von Vandiemensland bis Nuytsland untersuchen, bei Madagaskar anlegen und über das Kap der guten Hoffnung zurückkehren. Ich war nach Paris gekommen, als man sich eben zu dieser Reise zu rüsten begann. Der Charakter des Kapitäns Baudin war eben nicht geeignet, mir Vertrauen einzuflößen; der Mann hatte meinen Freund, den jungen Botaniker van der Schott, nach Brasilien gebracht, und der Wiener Hof war dabei mit ihm schlecht zufrieden gewesen; da ich aber mit eigenen Mitteln nie eine so weite Reise unternehmen und ein so schönes Stück der Welt hätte kennen lernen können, so entschloß ich mich, auf gutes Glück die Expedition mitzumachen. Ich erhielt Erlaubnis,
einer Reiſe nach Oberägypten zu begleiten. Der Ausflug ſollte nur acht Monate dauern; geſchickte Zeichner und aſtronomiſche Werkzeuge ſollten uns begleiten, und ſo wollten wir den Nil bis Aſſuan hinaufgehen und den zwiſchen Tentyris und den Katarakten gelegenen Teil des Saïd genau unterſuchen. Ich hatte bis jetzt bei meinen Plänen nie ein außertropiſches Land im Auge gehabt, dennoch konnte ich der Verſuchung nicht widerſtehen, Länder zu beſuchen, die in der Geſchichte der Kultur eine ſo bedeutende Rolle ſpielen. Ich nahm den Vor- ſchlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich bei der Rückkehr nach Alexandrien allein durch Syrien und Paläſtina weiterreiſen dürfte. Sofort richtete ich meine Studien nach dem neuen Plane ein, was mir ſpäter zu gute kam, als es ſich davon handelte, die rohen Denkmale der Mexikaner mit denen der Völker der Alten Welt zu vergleichen. Ich hatte die nahe Ausſicht, mich nach Aegypten einzuſchiffen, da nötigten mich die eingetretenen politiſchen Verhältniſſe, eine Reiſe aufzugeben, die mir ſo großen Genuß verſprach. Im Orient ſtanden die Dinge ſo, daß ein einzelner Reiſender gar keine Ausſicht hatte, dort Studien machen zu können, welche ſelbſt in den ruhigſten Zeiten von den Regierungen mit mißtrauiſchem Auge angeſehen werden.
Zur ſelben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreiſe in die Südſee unter dem Befehl des Kapitäns Baudin im Werk. Der urſprüngliche Plan war großartig, kühn, und hätte verdient, unter umſichtigerer Leitung ausgeführt zu werden. Man wollte die ſpaniſchen Beſitzungen in Südamerika von der Mündung des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito und der Landenge von Panama beſuchen. Die zwei Korvetten ſollten ſofort über die Inſelwelt des Stillen Meeres nach Neu- holland gelangen, die Küſten desſelben von Vandiemensland bis Nuytsland unterſuchen, bei Madagaskar anlegen und über das Kap der guten Hoffnung zurückkehren. Ich war nach Paris gekommen, als man ſich eben zu dieſer Reiſe zu rüſten begann. Der Charakter des Kapitäns Baudin war eben nicht geeignet, mir Vertrauen einzuflößen; der Mann hatte meinen Freund, den jungen Botaniker van der Schott, nach Braſilien gebracht, und der Wiener Hof war dabei mit ihm ſchlecht zufrieden geweſen; da ich aber mit eigenen Mitteln nie eine ſo weite Reiſe unternehmen und ein ſo ſchönes Stück der Welt hätte kennen lernen können, ſo entſchloß ich mich, auf gutes Glück die Expedition mitzumachen. Ich erhielt Erlaubnis,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0022"n="6"/>
einer Reiſe nach Oberägypten zu begleiten. Der Ausflug ſollte<lb/>
nur acht Monate dauern; geſchickte Zeichner und aſtronomiſche<lb/>
Werkzeuge ſollten uns begleiten, und ſo wollten wir den Nil<lb/>
bis Aſſuan hinaufgehen und den zwiſchen Tentyris und den<lb/>
Katarakten gelegenen Teil des Sa<hirendition="#aq">ï</hi>d genau unterſuchen. Ich<lb/>
hatte bis jetzt bei meinen Plänen nie ein außertropiſches Land<lb/>
im Auge gehabt, dennoch konnte ich der Verſuchung nicht<lb/>
widerſtehen, Länder zu beſuchen, die in der Geſchichte der<lb/>
Kultur eine ſo bedeutende Rolle ſpielen. Ich nahm den Vor-<lb/>ſchlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich<lb/>
bei der Rückkehr nach Alexandrien allein durch Syrien und<lb/>
Paläſtina weiterreiſen dürfte. Sofort richtete ich meine<lb/>
Studien nach dem neuen Plane ein, was mir ſpäter zu gute<lb/>
kam, als es ſich davon handelte, die rohen Denkmale der<lb/>
Mexikaner mit denen der Völker der Alten Welt zu vergleichen.<lb/>
Ich hatte die nahe Ausſicht, mich nach Aegypten einzuſchiffen,<lb/>
da nötigten mich die eingetretenen politiſchen Verhältniſſe,<lb/>
eine Reiſe aufzugeben, die mir ſo großen Genuß verſprach.<lb/>
Im Orient ſtanden die Dinge ſo, daß ein einzelner Reiſender<lb/>
gar keine Ausſicht hatte, dort Studien machen zu können,<lb/>
welche ſelbſt in den ruhigſten Zeiten von den Regierungen<lb/>
mit mißtrauiſchem Auge angeſehen werden.</p><lb/><p>Zur ſelben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreiſe<lb/>
in die Südſee unter dem Befehl des Kapitäns Baudin im<lb/>
Werk. Der urſprüngliche Plan war großartig, kühn, und hätte<lb/>
verdient, unter umſichtigerer Leitung ausgeführt zu werden.<lb/>
Man wollte die ſpaniſchen Beſitzungen in Südamerika von<lb/>
der Mündung des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito<lb/>
und der Landenge von Panama beſuchen. Die zwei Korvetten<lb/>ſollten ſofort über die Inſelwelt des Stillen Meeres nach Neu-<lb/>
holland gelangen, die Küſten desſelben von Vandiemensland<lb/>
bis Nuytsland unterſuchen, bei Madagaskar anlegen und über<lb/>
das Kap der guten Hoffnung zurückkehren. Ich war nach<lb/>
Paris gekommen, als man ſich eben zu dieſer Reiſe zu rüſten<lb/>
begann. Der Charakter des Kapitäns Baudin war eben nicht<lb/>
geeignet, mir Vertrauen einzuflößen; der Mann hatte meinen<lb/>
Freund, den jungen Botaniker van der Schott, nach Braſilien<lb/>
gebracht, und der Wiener Hof war dabei mit ihm ſchlecht<lb/>
zufrieden geweſen; da ich aber mit eigenen Mitteln nie eine<lb/>ſo weite Reiſe unternehmen und ein ſo ſchönes Stück der Welt<lb/>
hätte kennen lernen können, ſo entſchloß ich mich, auf gutes<lb/>
Glück die Expedition mitzumachen. Ich erhielt Erlaubnis,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[6/0022]
einer Reiſe nach Oberägypten zu begleiten. Der Ausflug ſollte
nur acht Monate dauern; geſchickte Zeichner und aſtronomiſche
Werkzeuge ſollten uns begleiten, und ſo wollten wir den Nil
bis Aſſuan hinaufgehen und den zwiſchen Tentyris und den
Katarakten gelegenen Teil des Saïd genau unterſuchen. Ich
hatte bis jetzt bei meinen Plänen nie ein außertropiſches Land
im Auge gehabt, dennoch konnte ich der Verſuchung nicht
widerſtehen, Länder zu beſuchen, die in der Geſchichte der
Kultur eine ſo bedeutende Rolle ſpielen. Ich nahm den Vor-
ſchlag an, aber unter der ausdrücklichen Bedingung, daß ich
bei der Rückkehr nach Alexandrien allein durch Syrien und
Paläſtina weiterreiſen dürfte. Sofort richtete ich meine
Studien nach dem neuen Plane ein, was mir ſpäter zu gute
kam, als es ſich davon handelte, die rohen Denkmale der
Mexikaner mit denen der Völker der Alten Welt zu vergleichen.
Ich hatte die nahe Ausſicht, mich nach Aegypten einzuſchiffen,
da nötigten mich die eingetretenen politiſchen Verhältniſſe,
eine Reiſe aufzugeben, die mir ſo großen Genuß verſprach.
Im Orient ſtanden die Dinge ſo, daß ein einzelner Reiſender
gar keine Ausſicht hatte, dort Studien machen zu können,
welche ſelbſt in den ruhigſten Zeiten von den Regierungen
mit mißtrauiſchem Auge angeſehen werden.
Zur ſelben Zeit war in Frankreich eine Entdeckungsreiſe
in die Südſee unter dem Befehl des Kapitäns Baudin im
Werk. Der urſprüngliche Plan war großartig, kühn, und hätte
verdient, unter umſichtigerer Leitung ausgeführt zu werden.
Man wollte die ſpaniſchen Beſitzungen in Südamerika von
der Mündung des Rio de la Plata bis zum Königreich Quito
und der Landenge von Panama beſuchen. Die zwei Korvetten
ſollten ſofort über die Inſelwelt des Stillen Meeres nach Neu-
holland gelangen, die Küſten desſelben von Vandiemensland
bis Nuytsland unterſuchen, bei Madagaskar anlegen und über
das Kap der guten Hoffnung zurückkehren. Ich war nach
Paris gekommen, als man ſich eben zu dieſer Reiſe zu rüſten
begann. Der Charakter des Kapitäns Baudin war eben nicht
geeignet, mir Vertrauen einzuflößen; der Mann hatte meinen
Freund, den jungen Botaniker van der Schott, nach Braſilien
gebracht, und der Wiener Hof war dabei mit ihm ſchlecht
zufrieden geweſen; da ich aber mit eigenen Mitteln nie eine
ſo weite Reiſe unternehmen und ein ſo ſchönes Stück der Welt
hätte kennen lernen können, ſo entſchloß ich mich, auf gutes
Glück die Expedition mitzumachen. Ich erhielt Erlaubnis,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/22>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.