augenblicklich 2700 km weit, von Chile bis zum Meerbusen von Guayaquil, fort, und zwar scheinen, was sehr merkwürdig ist, die Erdstöße desto stärker zu sein, je weiter ein Ort von den thätigen Vulkanen abliegt. Die mit Flözen von sehr neuer Bildung bedeckten Granitberge Kalabriens, die aus Kalk bestehende Kette des Apennins, die Grafschaft Perigord, die Küsten von Spanien und Portugal, die von Peru und Terra Firma liefern deutliche Belege für diese Behauptung. Es ist als würde die Erde desto stärker erschüttert, je weniger die Bodenfläche Oeffnungen hat, die mit den Höhlungen im Inneren in Verbindung stehen. In Neapel und Messina, am Fuß des Cotopaxi und des Tunguragua fürchtet man die Erdbeben nur, solange nicht Rauch und Feuer aus der Mün- dung der Vulkane bricht. Ja, im Königreich Quito brachte die große Katastrophe von Riobamba, von der oben die Rede war, mehrere unterrichtete Männer auf den Gedanken, daß das unglückliche Land wohl nicht so oft verwüstet würde, wenn das unterirdische Feuer den Porphyrdom des Chimbo- razo durchbrechen könnte und dieser kolossale Berg sich wieder in einen thätigen Vulkan verwandelte. Zu allen Zeiten haben analoge Thatsachen zu denselben Hypothesen geführt. Die Griechen, die, wie wir, die Schwingungen des Bodens der Spannung elastischer Flüssigkeiten zuschrieben, führten zur Bekräftigung ihrer Ansicht an, daß die Erdbeben auf der Insel Euböa gänzlich aufgehört haben, seit sich auf der Ebene von Lelante eine Erdspalte gebildet.
Wir haben versucht, am Schluß dieses Kapitels die all- gemeinen Erscheinungen zusammenzustellen, welche die Erd- beben unter verschiedenen Himmelsstrichen begleiten. Wir haben gezeigt, daß die unterirdischen Meteore so festen Ge- setzen unterliegen, wie die Mischung der Gase, die unseren Luftkreis bilden. Wir haben uns aller Betrachtungen über das Wesen der chemischen Agenzien enthalten, die als Ursachen der großen Umwälzungen erscheinen, welche die Erdoberfläche von Zeit zu Zeit erleidet. Es sei hier nur daran erinnert, daß diese Ursachen in ungeheuren Tiefen liegen, und daß man sie in den Erdbildungen zu suchen hat, die wir Urgebirge nennen, wohl gar unter der erdigen, oxydierten Kruste, in Tiefen, wo die halbmetallischen Grundlagen der Kieselerde, der Kalkerde, der Soda und der Pottasche gelagert sind.
Man hat in neuester Zeit den Versuch gemacht, die Er- scheinungen der Vulkane und Erdbeben als Wirkungen des
augenblicklich 2700 km weit, von Chile bis zum Meerbuſen von Guayaquil, fort, und zwar ſcheinen, was ſehr merkwürdig iſt, die Erdſtöße deſto ſtärker zu ſein, je weiter ein Ort von den thätigen Vulkanen abliegt. Die mit Flözen von ſehr neuer Bildung bedeckten Granitberge Kalabriens, die aus Kalk beſtehende Kette des Apennins, die Grafſchaft Perigord, die Küſten von Spanien und Portugal, die von Peru und Terra Firma liefern deutliche Belege für dieſe Behauptung. Es iſt als würde die Erde deſto ſtärker erſchüttert, je weniger die Bodenfläche Oeffnungen hat, die mit den Höhlungen im Inneren in Verbindung ſtehen. In Neapel und Meſſina, am Fuß des Cotopaxi und des Tunguragua fürchtet man die Erdbeben nur, ſolange nicht Rauch und Feuer aus der Mün- dung der Vulkane bricht. Ja, im Königreich Quito brachte die große Kataſtrophe von Riobamba, von der oben die Rede war, mehrere unterrichtete Männer auf den Gedanken, daß das unglückliche Land wohl nicht ſo oft verwüſtet würde, wenn das unterirdiſche Feuer den Porphyrdom des Chimbo- razo durchbrechen könnte und dieſer koloſſale Berg ſich wieder in einen thätigen Vulkan verwandelte. Zu allen Zeiten haben analoge Thatſachen zu denſelben Hypotheſen geführt. Die Griechen, die, wie wir, die Schwingungen des Bodens der Spannung elaſtiſcher Flüſſigkeiten zuſchrieben, führten zur Bekräftigung ihrer Anſicht an, daß die Erdbeben auf der Inſel Euböa gänzlich aufgehört haben, ſeit ſich auf der Ebene von Lelante eine Erdſpalte gebildet.
Wir haben verſucht, am Schluß dieſes Kapitels die all- gemeinen Erſcheinungen zuſammenzuſtellen, welche die Erd- beben unter verſchiedenen Himmelsſtrichen begleiten. Wir haben gezeigt, daß die unterirdiſchen Meteore ſo feſten Ge- ſetzen unterliegen, wie die Miſchung der Gaſe, die unſeren Luftkreis bilden. Wir haben uns aller Betrachtungen über das Weſen der chemiſchen Agenzien enthalten, die als Urſachen der großen Umwälzungen erſcheinen, welche die Erdoberfläche von Zeit zu Zeit erleidet. Es ſei hier nur daran erinnert, daß dieſe Urſachen in ungeheuren Tiefen liegen, und daß man ſie in den Erdbildungen zu ſuchen hat, die wir Urgebirge nennen, wohl gar unter der erdigen, oxydierten Kruſte, in Tiefen, wo die halbmetalliſchen Grundlagen der Kieſelerde, der Kalkerde, der Soda und der Pottaſche gelagert ſind.
Man hat in neueſter Zeit den Verſuch gemacht, die Er- ſcheinungen der Vulkane und Erdbeben als Wirkungen des
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augenblicklich 2700 km weit, von Chile bis zum Meerbuſen
von Guayaquil, fort, und zwar ſcheinen, was ſehr merkwürdig
iſt, die Erdſtöße deſto ſtärker zu ſein, je weiter ein Ort von
den thätigen Vulkanen abliegt. Die mit Flözen von ſehr
neuer Bildung bedeckten Granitberge Kalabriens, die aus Kalk
beſtehende Kette des Apennins, die Grafſchaft Perigord, die
Küſten von Spanien und Portugal, die von Peru und Terra
Firma liefern deutliche Belege für dieſe Behauptung. Es iſt
als würde die Erde deſto ſtärker erſchüttert, je weniger die
Bodenfläche Oeffnungen hat, die mit den Höhlungen im
Inneren in Verbindung ſtehen. In Neapel und Meſſina,
am Fuß des Cotopaxi und des Tunguragua fürchtet man die
Erdbeben nur, ſolange nicht Rauch und Feuer aus der Mün-
dung der Vulkane bricht. Ja, im Königreich Quito brachte
die große Kataſtrophe von Riobamba, von der oben die Rede
war, mehrere unterrichtete Männer auf den Gedanken, daß
das unglückliche Land wohl nicht ſo oft verwüſtet würde,
wenn das unterirdiſche Feuer den Porphyrdom des Chimbo-
razo durchbrechen könnte und dieſer koloſſale Berg ſich wieder
in einen thätigen Vulkan verwandelte. Zu allen Zeiten
haben analoge Thatſachen zu denſelben Hypotheſen geführt.
Die Griechen, die, wie wir, die Schwingungen des Bodens
der Spannung elaſtiſcher Flüſſigkeiten zuſchrieben, führten zur
Bekräftigung ihrer Anſicht an, daß die Erdbeben auf der
Inſel Euböa gänzlich aufgehört haben, ſeit ſich auf der Ebene
von Lelante eine Erdſpalte gebildet.
Wir haben verſucht, am Schluß dieſes Kapitels die all-
gemeinen Erſcheinungen zuſammenzuſtellen, welche die Erd-
beben unter verſchiedenen Himmelsſtrichen begleiten. Wir
haben gezeigt, daß die unterirdiſchen Meteore ſo feſten Ge-
ſetzen unterliegen, wie die Miſchung der Gaſe, die unſeren
Luftkreis bilden. Wir haben uns aller Betrachtungen über
das Weſen der chemiſchen Agenzien enthalten, die als Urſachen
der großen Umwälzungen erſcheinen, welche die Erdoberfläche
von Zeit zu Zeit erleidet. Es ſei hier nur daran erinnert,
daß dieſe Urſachen in ungeheuren Tiefen liegen, und daß man
ſie in den Erdbildungen zu ſuchen hat, die wir Urgebirge
nennen, wohl gar unter der erdigen, oxydierten Kruſte, in
Tiefen, wo die halbmetalliſchen Grundlagen der Kieſelerde,
der Kalkerde, der Soda und der Pottaſche gelagert ſind.
Man hat in neueſter Zeit den Verſuch gemacht, die Er-
ſcheinungen der Vulkane und Erdbeben als Wirkungen des
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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