man an, die Bevölkerung sei im Jahre 1800 26000 Seelen stark gewesen, so käme auf 43 Köpfe nur eine Geburt, wäh- rend sich die Geburten zur Gesamtbevölkerung in Frankreich wie 28 zu 100 und in den tropischen Strichen von Mexiko wie 17 zu 100 verhalten.
Vermutlich wird sich die indianische Vorstadt allmählich bis zum Landungsplatz ausdehnen, da die Fläche, auf der noch keine Häuser oder Hütten stehen, höchstens 700 m lang ist. Dem Strande zu ist die Hitze etwas weniger drückend als in der Altstadt, wo wegen des Zurückprallens der Sonnen- strahlen vom Kalkboden und der Nähe des Berges San Antonio die Temperatur der Luft ungemein hoch steigt. In der Vor- stadt der Guaykari haben die Seewinde freien Zutritt, der Boden ist Thon und damit, wie man glaubt, den heftigen Stößen der Erdbeben weniger ausgesetzt, als die Häuser, die sich an die Felsen und Hügel am rechten Ufer des Manza- nares lehnen.
Bei der Mündung des kleinen Flusses Santa Catalina ist der Saum des Ufers mit sogenannten Wurzelträgern 1 be- setzt; aber diese Manglares sind nicht groß genug, um der Salubrität der Luft in Cumana Eintrag zu thun. Im übrigen ist die Ebene teils kahl, teils bedeckt mit Büschen von Sesu- vium portulacastrum, Gomphrena flava, Gomphrena myrti- folia, Talinum cuspidatum, Talinum cumanense und Por- tulaca lanuginosa. Unter diesen krautartigen Gewächsen erheben sich da und dort die Avicennia tomentosa, die Scoparia dulcis, eine strauchartige Mimose mit sehr reizbaren Blättern, besonders aber Cassien, deren in Südamerika so viele vorkommen, daß wir auf unseren Reisen mehr als dreißig neue Arten zusammengebracht haben.
Geht man zur indischen Vorstadt hinaus und am Fluß gegen Süd hinauf, so kommt man zuerst an ein Kaktusgebüsch und dann an einen wunderschönen Platz, den Tamarindenbäume, Brasilienholzbäume, Bombax und andere durch ihr Laub und ihre Blüten ausgezeichnete Gewächse beschatten. Der Boden bietet hier gute Weide, und Melkereien, aus Rohr erbaut, liegen zerstreut zwischen den Baumgruppen. Die Milch bleibt frisch, wenn man sie nicht in der Frucht des Flaschenkürbis- baumes, die ein Gewebe aus sehr dichten Holzfasern ist, sondern in porösen Thongefäßen von Maniquarez aufbewahrt. Infolge
1Rhizophora Mangle.
man an, die Bevölkerung ſei im Jahre 1800 26000 Seelen ſtark geweſen, ſo käme auf 43 Köpfe nur eine Geburt, wäh- rend ſich die Geburten zur Geſamtbevölkerung in Frankreich wie 28 zu 100 und in den tropiſchen Strichen von Mexiko wie 17 zu 100 verhalten.
Vermutlich wird ſich die indianiſche Vorſtadt allmählich bis zum Landungsplatz ausdehnen, da die Fläche, auf der noch keine Häuſer oder Hütten ſtehen, höchſtens 700 m lang iſt. Dem Strande zu iſt die Hitze etwas weniger drückend als in der Altſtadt, wo wegen des Zurückprallens der Sonnen- ſtrahlen vom Kalkboden und der Nähe des Berges San Antonio die Temperatur der Luft ungemein hoch ſteigt. In der Vor- ſtadt der Guaykari haben die Seewinde freien Zutritt, der Boden iſt Thon und damit, wie man glaubt, den heftigen Stößen der Erdbeben weniger ausgeſetzt, als die Häuſer, die ſich an die Felſen und Hügel am rechten Ufer des Manza- nares lehnen.
Bei der Mündung des kleinen Fluſſes Santa Catalina iſt der Saum des Ufers mit ſogenannten Wurzelträgern 1 be- ſetzt; aber dieſe Manglares ſind nicht groß genug, um der Salubrität der Luft in Cumana Eintrag zu thun. Im übrigen iſt die Ebene teils kahl, teils bedeckt mit Büſchen von Sesu- vium portulacastrum, Gomphrena flava, Gomphrena myrti- folia, Talinum cuspidatum, Talinum cumanense und Por- tulaca lanuginosa. Unter dieſen krautartigen Gewächſen erheben ſich da und dort die Avicennia tomentosa, die Scoparia dulcis, eine ſtrauchartige Mimoſe mit ſehr reizbaren Blättern, beſonders aber Caſſien, deren in Südamerika ſo viele vorkommen, daß wir auf unſeren Reiſen mehr als dreißig neue Arten zuſammengebracht haben.
Geht man zur indiſchen Vorſtadt hinaus und am Fluß gegen Süd hinauf, ſo kommt man zuerſt an ein Kaktusgebüſch und dann an einen wunderſchönen Platz, den Tamarindenbäume, Braſilienholzbäume, Bombax und andere durch ihr Laub und ihre Blüten ausgezeichnete Gewächſe beſchatten. Der Boden bietet hier gute Weide, und Melkereien, aus Rohr erbaut, liegen zerſtreut zwiſchen den Baumgruppen. Die Milch bleibt friſch, wenn man ſie nicht in der Frucht des Flaſchenkürbis- baumes, die ein Gewebe aus ſehr dichten Holzfaſern iſt, ſondern in poröſen Thongefäßen von Maniquarez aufbewahrt. Infolge
1Rhizophora Mangle.
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man an, die Bevölkerung ſei im Jahre 1800 26000 Seelen
ſtark geweſen, ſo käme auf 43 Köpfe nur eine Geburt, wäh-
rend ſich die Geburten zur Geſamtbevölkerung in Frankreich
wie 28 zu 100 und in den tropiſchen Strichen von Mexiko
wie 17 zu 100 verhalten.
Vermutlich wird ſich die indianiſche Vorſtadt allmählich
bis zum Landungsplatz ausdehnen, da die Fläche, auf der
noch keine Häuſer oder Hütten ſtehen, höchſtens 700 m lang
iſt. Dem Strande zu iſt die Hitze etwas weniger drückend
als in der Altſtadt, wo wegen des Zurückprallens der Sonnen-
ſtrahlen vom Kalkboden und der Nähe des Berges San Antonio
die Temperatur der Luft ungemein hoch ſteigt. In der Vor-
ſtadt der Guaykari haben die Seewinde freien Zutritt, der
Boden iſt Thon und damit, wie man glaubt, den heftigen
Stößen der Erdbeben weniger ausgeſetzt, als die Häuſer, die
ſich an die Felſen und Hügel am rechten Ufer des Manza-
nares lehnen.
Bei der Mündung des kleinen Fluſſes Santa Catalina
iſt der Saum des Ufers mit ſogenannten Wurzelträgern 1 be-
ſetzt; aber dieſe Manglares ſind nicht groß genug, um der
Salubrität der Luft in Cumana Eintrag zu thun. Im übrigen
iſt die Ebene teils kahl, teils bedeckt mit Büſchen von Sesu-
vium portulacastrum, Gomphrena flava, Gomphrena myrti-
folia, Talinum cuspidatum, Talinum cumanense und Por-
tulaca lanuginosa. Unter dieſen krautartigen Gewächſen
erheben ſich da und dort die Avicennia tomentosa, die
Scoparia dulcis, eine ſtrauchartige Mimoſe mit ſehr reizbaren
Blättern, beſonders aber Caſſien, deren in Südamerika ſo viele
vorkommen, daß wir auf unſeren Reiſen mehr als dreißig neue
Arten zuſammengebracht haben.
Geht man zur indiſchen Vorſtadt hinaus und am Fluß
gegen Süd hinauf, ſo kommt man zuerſt an ein Kaktusgebüſch
und dann an einen wunderſchönen Platz, den Tamarindenbäume,
Braſilienholzbäume, Bombax und andere durch ihr Laub und
ihre Blüten ausgezeichnete Gewächſe beſchatten. Der Boden
bietet hier gute Weide, und Melkereien, aus Rohr erbaut,
liegen zerſtreut zwiſchen den Baumgruppen. Die Milch bleibt
friſch, wenn man ſie nicht in der Frucht des Flaſchenkürbis-
baumes, die ein Gewebe aus ſehr dichten Holzfaſern iſt, ſondern
in poröſen Thongefäßen von Maniquarez aufbewahrt. Infolge
1 Rhizophora Mangle.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/180>, abgerufen am 16.02.2025.
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