um der Verfolgung ihrer Feinde zu entgehen, aus dem Wasser schnellen. Gleich den Schwalben schießen sie zu Tausenden fort, gerade aus und immer gegen die Richtung der Wellen. In unseren Himmelsstrichen sieht man häufig am Ufer eines klaren, von der Sonne beschienenen Flusses einzeln stehende Fische, die somit nichts zu fürchten haben können, sich über die Wasserfläche schnellen, als machte es ihnen Vergnügen, Luft zu atmen. Warum sollte dieses Spiel nicht noch häufiger und länger bei den Exocötus vorkommen, die vermöge der Form ihrer Brustflossen und ihres geringen spezifischen Ge- wichtes sich sehr leicht in der Luft halten? Ich fordere die Forscher auf, zu untersuchen, ob andere fliegende Fische, z. B. Exocoetus exiliens, Trigla vocitans und T. hirundo auch so große Schwimmblasen haben wie der tropische Exocötus. Dieser geht mit dem warmen Wasser des Golfstromes nach Norden. Die Schiffsjungen schneiden ihm zum Spaß ein Stück der Brustflossen ab und behaupten, diese wachsen wieder, was mir mit den bei anderen Fischfamilien gemachten Beob- achtungen nicht zu stimmen scheint.
Zur Zeit, da ich von Paris abreiste, hatten die Versuche, welche Dr. Brodbelt in Jamaika mit der Luft in der Schwimm- blase des Schwertfisches angestellt, einige Physiker zur An- nahme veranlaßt, daß unter den Tropen dieses Organ bei den Seefischen reines Sauerstoffgas enthalte. Auch ich hatte diese Vorstellung, und so war ich überrascht, als ich in der Luftblase des Exocötus nur 0,04 Sauerstoffgas auf 0,94 Stickstoff und 0,02 Kohlensäure fand. Der Anteil des letzteren Gases, der mittels der Absorption durch Kalkwasser in gra- duierten Röhren gemessen wurde, 1 schien konstanter als der des Sauerstoffs, von dem einige Exemplare fast noch einmal so viel zeigten. Nach Biots, Configliachis und Delaroches interessanten Beobachtungen muß man annehmen, daß der von Brodbelt sezierte Schwertfisch in großen Meerestiefen gelebt habe, wo manche Fische bis zu 94 % Sauerstoff in ihrer Schwimmblase zeigen.
Am 1. Juli, unter 17° 42' der Breite und 34° 21' der Länge stießen wir auf die Trümmer eines Wrackes. Wir konnten einen Mastbaum sehen, der mit schwimmendem Tang überzogen war. In einem Strich, wo die See beständig ruhig ist, konnte das Fahrzeug nicht Schiffbruch gelitten haben.
1 Anthrakometer, gekrümmte Röhren mit einer großen Kugel.
um der Verfolgung ihrer Feinde zu entgehen, aus dem Waſſer ſchnellen. Gleich den Schwalben ſchießen ſie zu Tauſenden fort, gerade aus und immer gegen die Richtung der Wellen. In unſeren Himmelsſtrichen ſieht man häufig am Ufer eines klaren, von der Sonne beſchienenen Fluſſes einzeln ſtehende Fiſche, die ſomit nichts zu fürchten haben können, ſich über die Waſſerfläche ſchnellen, als machte es ihnen Vergnügen, Luft zu atmen. Warum ſollte dieſes Spiel nicht noch häufiger und länger bei den Exocötus vorkommen, die vermöge der Form ihrer Bruſtfloſſen und ihres geringen ſpezifiſchen Ge- wichtes ſich ſehr leicht in der Luft halten? Ich fordere die Forſcher auf, zu unterſuchen, ob andere fliegende Fiſche, z. B. Exocoetus exiliens, Trigla vocitans und T. hirundo auch ſo große Schwimmblaſen haben wie der tropiſche Exocötus. Dieſer geht mit dem warmen Waſſer des Golfſtromes nach Norden. Die Schiffsjungen ſchneiden ihm zum Spaß ein Stück der Bruſtfloſſen ab und behaupten, dieſe wachſen wieder, was mir mit den bei anderen Fiſchfamilien gemachten Beob- achtungen nicht zu ſtimmen ſcheint.
Zur Zeit, da ich von Paris abreiſte, hatten die Verſuche, welche Dr. Brodbelt in Jamaika mit der Luft in der Schwimm- blaſe des Schwertfiſches angeſtellt, einige Phyſiker zur An- nahme veranlaßt, daß unter den Tropen dieſes Organ bei den Seefiſchen reines Sauerſtoffgas enthalte. Auch ich hatte dieſe Vorſtellung, und ſo war ich überraſcht, als ich in der Luftblaſe des Exocötus nur 0,04 Sauerſtoffgas auf 0,94 Stickſtoff und 0,02 Kohlenſäure fand. Der Anteil des letzteren Gaſes, der mittels der Abſorption durch Kalkwaſſer in gra- duierten Röhren gemeſſen wurde, 1 ſchien konſtanter als der des Sauerſtoffs, von dem einige Exemplare faſt noch einmal ſo viel zeigten. Nach Biots, Configliachis und Delaroches intereſſanten Beobachtungen muß man annehmen, daß der von Brodbelt ſezierte Schwertfiſch in großen Meerestiefen gelebt habe, wo manche Fiſche bis zu 94 % Sauerſtoff in ihrer Schwimmblaſe zeigen.
Am 1. Juli, unter 17° 42′ der Breite und 34° 21′ der Länge ſtießen wir auf die Trümmer eines Wrackes. Wir konnten einen Maſtbaum ſehen, der mit ſchwimmendem Tang überzogen war. In einem Strich, wo die See beſtändig ruhig iſt, konnte das Fahrzeug nicht Schiffbruch gelitten haben.
1 Anthrakometer, gekrümmte Röhren mit einer großen Kugel.
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[134/0150]
um der Verfolgung ihrer Feinde zu entgehen, aus dem Waſſer
ſchnellen. Gleich den Schwalben ſchießen ſie zu Tauſenden
fort, gerade aus und immer gegen die Richtung der Wellen.
In unſeren Himmelsſtrichen ſieht man häufig am Ufer eines
klaren, von der Sonne beſchienenen Fluſſes einzeln ſtehende
Fiſche, die ſomit nichts zu fürchten haben können, ſich über
die Waſſerfläche ſchnellen, als machte es ihnen Vergnügen,
Luft zu atmen. Warum ſollte dieſes Spiel nicht noch häufiger
und länger bei den Exocötus vorkommen, die vermöge der
Form ihrer Bruſtfloſſen und ihres geringen ſpezifiſchen Ge-
wichtes ſich ſehr leicht in der Luft halten? Ich fordere die
Forſcher auf, zu unterſuchen, ob andere fliegende Fiſche, z. B.
Exocoetus exiliens, Trigla vocitans und T. hirundo auch
ſo große Schwimmblaſen haben wie der tropiſche Exocötus.
Dieſer geht mit dem warmen Waſſer des Golfſtromes nach
Norden. Die Schiffsjungen ſchneiden ihm zum Spaß ein
Stück der Bruſtfloſſen ab und behaupten, dieſe wachſen wieder,
was mir mit den bei anderen Fiſchfamilien gemachten Beob-
achtungen nicht zu ſtimmen ſcheint.
Zur Zeit, da ich von Paris abreiſte, hatten die Verſuche,
welche Dr. Brodbelt in Jamaika mit der Luft in der Schwimm-
blaſe des Schwertfiſches angeſtellt, einige Phyſiker zur An-
nahme veranlaßt, daß unter den Tropen dieſes Organ bei
den Seefiſchen reines Sauerſtoffgas enthalte. Auch ich hatte
dieſe Vorſtellung, und ſo war ich überraſcht, als ich in der
Luftblaſe des Exocötus nur 0,04 Sauerſtoffgas auf 0,94
Stickſtoff und 0,02 Kohlenſäure fand. Der Anteil des letzteren
Gaſes, der mittels der Abſorption durch Kalkwaſſer in gra-
duierten Röhren gemeſſen wurde, 1 ſchien konſtanter als der
des Sauerſtoffs, von dem einige Exemplare faſt noch einmal
ſo viel zeigten. Nach Biots, Configliachis und Delaroches
intereſſanten Beobachtungen muß man annehmen, daß der von
Brodbelt ſezierte Schwertfiſch in großen Meerestiefen gelebt
habe, wo manche Fiſche bis zu 94 % Sauerſtoff in ihrer
Schwimmblaſe zeigen.
Am 1. Juli, unter 17° 42′ der Breite und 34° 21′ der
Länge ſtießen wir auf die Trümmer eines Wrackes. Wir
konnten einen Maſtbaum ſehen, der mit ſchwimmendem Tang
überzogen war. In einem Strich, wo die See beſtändig ruhig
iſt, konnte das Fahrzeug nicht Schiffbruch gelitten haben.
1 Anthrakometer, gekrümmte Röhren mit einer großen Kugel.
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/150>, abgerufen am 16.02.2025.
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