Küste als das eben beschriebene. Der Name, den ihm der Eigentümer gegeben, bezeichnet den Eindruck, den dieser Landsitz macht. Das Haus La Paz hatte zudem noch besonderes In- teresse für uns. Borda, dessen Tod wir bedauerten, hatte hier bei seiner letzten Reise nach den Kanarien gewohnt. Auf einer kleinen Ebene in der Nähe hat er die Standlinie zur Messung der Höhe des Piks abgesteckt. Bei dieser trigono- metrischen Messung diente der große Drachenbaum von Oro- tava als Signal. Wollte einmal ein unterrichteter Reisender eine neue genauere Messung des Vulkanes mittels astrono- mischer Repetitionskreise vornehmen, so müßte er die Stand- linie nicht bei Orotava, sondern bei Los Silos, an einem Orte, Bante genannt, messen; nach Broussonet ist keine Ebene in der Nähe des Piks so groß wie diese. Wir botanisierten bei La Paz und fanden in Menge das Lichen roccella auf basaltischem, von der See bespülten Gestein. Die Orseille der Kanarien ist ein sehr alter Handelsartikel; man bezieht aber das Moos weniger von Tenerifa als von den unbe- wohnten Inseln Salvage, Graciosa, Alegranza, sogar von Canaria und Hierro.
Am 24. Juni morgens verließen wir den Hafen von Orotava; in Laguna speisten wir beim französischen Konsul. Er hatte die Gefälligkeit, die Besorgung der geologischen Sammlungen zu übernehmen, die wir dem Naturalienkabinett des Königs von Spanien übermachten. Als wir vor der Stadt auf die Reede hinausblickten, sahen wir zu unserem Schreck den Pizarro, unsere Korvette, unter Segel. Im Hafen angelangt, erfuhren wir, er laviere mit wenigen Segeln, uns erwartend. Die englischen bei Tenerifa stationierten Schiffe waren verschwunden, und wir hatten keinen Augenblick zu verlieren, um aus diesen Strichen wegzukommen. Wir schifften uns allein ein; unsere Reisegefährten waren Kanarier gewesen, die nicht mit nach Amerika gingen.
Ehe wir den Archipel der Kanarien verlassen, werfen wir einen Blick auf die Geschichte des Landes.
Vergeblich sehen wir uns im Periplus des Hanno und dem des Scylax nach den ersten schriftlichen Urkunden über die Ausbrüche des Piks von Tenerifa um. Diese Seefahrer hielten sich ängstlich an die Küsten, sie liefen jeden Abend in eine Bai und ankerten, und so konnten sie nichts von einem Vulkan wissen, der 252 km vom Festland von Afrika liegt. Hanno berichtet indessen von leuchtenden Strömen, die sich in
Küſte als das eben beſchriebene. Der Name, den ihm der Eigentümer gegeben, bezeichnet den Eindruck, den dieſer Landſitz macht. Das Haus La Paz hatte zudem noch beſonderes In- tereſſe für uns. Borda, deſſen Tod wir bedauerten, hatte hier bei ſeiner letzten Reiſe nach den Kanarien gewohnt. Auf einer kleinen Ebene in der Nähe hat er die Standlinie zur Meſſung der Höhe des Piks abgeſteckt. Bei dieſer trigono- metriſchen Meſſung diente der große Drachenbaum von Oro- tava als Signal. Wollte einmal ein unterrichteter Reiſender eine neue genauere Meſſung des Vulkanes mittels aſtrono- miſcher Repetitionskreiſe vornehmen, ſo müßte er die Stand- linie nicht bei Orotava, ſondern bei Los Silos, an einem Orte, Bante genannt, meſſen; nach Brouſſonet iſt keine Ebene in der Nähe des Piks ſo groß wie dieſe. Wir botaniſierten bei La Paz und fanden in Menge das Lichen roccella auf baſaltiſchem, von der See beſpülten Geſtein. Die Orſeille der Kanarien iſt ein ſehr alter Handelsartikel; man bezieht aber das Moos weniger von Tenerifa als von den unbe- wohnten Inſeln Salvage, Gracioſa, Alegranza, ſogar von Canaria und Hierro.
Am 24. Juni morgens verließen wir den Hafen von Orotava; in Laguna ſpeiſten wir beim franzöſiſchen Konſul. Er hatte die Gefälligkeit, die Beſorgung der geologiſchen Sammlungen zu übernehmen, die wir dem Naturalienkabinett des Königs von Spanien übermachten. Als wir vor der Stadt auf die Reede hinausblickten, ſahen wir zu unſerem Schreck den Pizarro, unſere Korvette, unter Segel. Im Hafen angelangt, erfuhren wir, er laviere mit wenigen Segeln, uns erwartend. Die engliſchen bei Tenerifa ſtationierten Schiffe waren verſchwunden, und wir hatten keinen Augenblick zu verlieren, um aus dieſen Strichen wegzukommen. Wir ſchifften uns allein ein; unſere Reiſegefährten waren Kanarier geweſen, die nicht mit nach Amerika gingen.
Ehe wir den Archipel der Kanarien verlaſſen, werfen wir einen Blick auf die Geſchichte des Landes.
Vergeblich ſehen wir uns im Periplus des Hanno und dem des Scylax nach den erſten ſchriftlichen Urkunden über die Ausbrüche des Piks von Tenerifa um. Dieſe Seefahrer hielten ſich ängſtlich an die Küſten, ſie liefen jeden Abend in eine Bai und ankerten, und ſo konnten ſie nichts von einem Vulkan wiſſen, der 252 km vom Feſtland von Afrika liegt. Hanno berichtet indeſſen von leuchtenden Strömen, die ſich in
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Küſte als das eben beſchriebene. Der Name, den ihm der
Eigentümer gegeben, bezeichnet den Eindruck, den dieſer Landſitz
macht. Das Haus La Paz hatte zudem noch beſonderes In-
tereſſe für uns. Borda, deſſen Tod wir bedauerten, hatte
hier bei ſeiner letzten Reiſe nach den Kanarien gewohnt. Auf
einer kleinen Ebene in der Nähe hat er die Standlinie zur
Meſſung der Höhe des Piks abgeſteckt. Bei dieſer trigono-
metriſchen Meſſung diente der große Drachenbaum von Oro-
tava als Signal. Wollte einmal ein unterrichteter Reiſender
eine neue genauere Meſſung des Vulkanes mittels aſtrono-
miſcher Repetitionskreiſe vornehmen, ſo müßte er die Stand-
linie nicht bei Orotava, ſondern bei Los Silos, an einem
Orte, Bante genannt, meſſen; nach Brouſſonet iſt keine Ebene
in der Nähe des Piks ſo groß wie dieſe. Wir botaniſierten
bei La Paz und fanden in Menge das Lichen roccella auf
baſaltiſchem, von der See beſpülten Geſtein. Die Orſeille
der Kanarien iſt ein ſehr alter Handelsartikel; man bezieht
aber das Moos weniger von Tenerifa als von den unbe-
wohnten Inſeln Salvage, Gracioſa, Alegranza, ſogar von
Canaria und Hierro.
Am 24. Juni morgens verließen wir den Hafen von
Orotava; in Laguna ſpeiſten wir beim franzöſiſchen Konſul.
Er hatte die Gefälligkeit, die Beſorgung der geologiſchen
Sammlungen zu übernehmen, die wir dem Naturalienkabinett
des Königs von Spanien übermachten. Als wir vor der
Stadt auf die Reede hinausblickten, ſahen wir zu unſerem
Schreck den Pizarro, unſere Korvette, unter Segel. Im Hafen
angelangt, erfuhren wir, er laviere mit wenigen Segeln, uns
erwartend. Die engliſchen bei Tenerifa ſtationierten Schiffe
waren verſchwunden, und wir hatten keinen Augenblick zu
verlieren, um aus dieſen Strichen wegzukommen. Wir ſchifften
uns allein ein; unſere Reiſegefährten waren Kanarier geweſen,
die nicht mit nach Amerika gingen.
Ehe wir den Archipel der Kanarien verlaſſen, werfen wir
einen Blick auf die Geſchichte des Landes.
Vergeblich ſehen wir uns im Periplus des Hanno und
dem des Scylax nach den erſten ſchriftlichen Urkunden über
die Ausbrüche des Piks von Tenerifa um. Dieſe Seefahrer
hielten ſich ängſtlich an die Küſten, ſie liefen jeden Abend in
eine Bai und ankerten, und ſo konnten ſie nichts von einem
Vulkan wiſſen, der 252 km vom Feſtland von Afrika liegt.
Hanno berichtet indeſſen von leuchtenden Strömen, die ſich in
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Humboldt, Alexander von: Reise in die Aequinoktial-Gegenden des neuen Kontinents. Übers. v. Hermann Hauff. Bd. 1. Stuttgart, 1859, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_aequinoktial01_1859/116>, abgerufen am 16.02.2025.
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