Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.bis auf unsere Zeiten. die juristischen Dissertationen auf den meistenUniversitäten läse, die freylich meist von ei- ner traurigen Vernachläßigung selbst der Sprache, worin das Römische Recht geschrie- ben ist, zeugen. Die neuen Gesetzbücher sind vielleicht auch ein Beweis, daß die ge- lehrte Kenntniß des Rechts in eben dem Maaße abgenommen hat, in welchem das Raisonniren über Rechtssätze allgemeiner ward, denn sonst hätte man kein Bedürfniß nach ihnen gefühlt, und sonst würden sie auch anders ausgefallen seyn. Selbst dieß könn- te eine nachtheilige Vermuthung bewirken, daß gerade das Römische Recht von derjeni- gen Nation nicht bearbeitet wird, nach de- ren Beyspiele die deutsche Litteratur sich seit einem halben Jahrhundert am meisten ge- bildet hat. Auf der andern Seite ist es doch aber auch beynahe unmöglich, daß das Römi- sche Recht keinen Vortheil davon haben soll- te, wenn die alte Litteratur mit unendlich mehr Geschmack unter uns getrieben wird, als ehemahls; wenn die Philosophie frey von allem Sectengeiste und ganz auf Beob- achtungen gegründet ist; und wenn man in der Geschichte so viel pragmatischen Zusam- menhang, und so psychologische Entwicklung der Charactere findet, daß diejenigen geneigt seyn können, sie für einen Roman zu halten, die R
bis auf unſere Zeiten. die juriſtiſchen Diſſertationen auf den meiſtenUniverſitaͤten laͤſe, die freylich meiſt von ei- ner traurigen Vernachlaͤßigung ſelbſt der Sprache, worin das Roͤmiſche Recht geſchrie- ben iſt, zeugen. Die neuen Geſetzbuͤcher ſind vielleicht auch ein Beweis, daß die ge- lehrte Kenntniß des Rechts in eben dem Maaße abgenommen hat, in welchem das Raiſonniren uͤber Rechtsſaͤtze allgemeiner ward, denn ſonſt haͤtte man kein Beduͤrfniß nach ihnen gefuͤhlt, und ſonſt wuͤrden ſie auch anders ausgefallen ſeyn. Selbſt dieß koͤnn- te eine nachtheilige Vermuthung bewirken, daß gerade das Roͤmiſche Recht von derjeni- gen Nation nicht bearbeitet wird, nach de- ren Beyſpiele die deutſche Litteratur ſich ſeit einem halben Jahrhundert am meiſten ge- bildet hat. Auf der andern Seite iſt es doch aber auch beynahe unmoͤglich, daß das Roͤmi- ſche Recht keinen Vortheil davon haben ſoll- te, wenn die alte Litteratur mit unendlich mehr Geſchmack unter uns getrieben wird, als ehemahls; wenn die Philoſophie frey von allem Sectengeiſte und ganz auf Beob- achtungen gegruͤndet iſt; und wenn man in der Geſchichte ſo viel pragmatiſchen Zuſam- menhang, und ſo pſychologiſche Entwicklung der Charactere findet, daß diejenigen geneigt ſeyn koͤnnen, ſie fuͤr einen Roman zu halten, die R
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die juriſtiſchen Diſſertationen auf den meiſten
Univerſitaͤten laͤſe, die freylich meiſt von ei-
ner traurigen Vernachlaͤßigung ſelbſt der
Sprache, worin das Roͤmiſche Recht geſchrie-
ben iſt, zeugen. Die neuen Geſetzbuͤcher
ſind vielleicht auch ein Beweis, daß die ge-
lehrte Kenntniß des Rechts in eben dem
Maaße abgenommen hat, in welchem das
Raiſonniren uͤber Rechtsſaͤtze allgemeiner
ward, denn ſonſt haͤtte man kein Beduͤrfniß
nach ihnen gefuͤhlt, und ſonſt wuͤrden ſie auch
anders ausgefallen ſeyn. Selbſt dieß koͤnn-
te eine nachtheilige Vermuthung bewirken,
daß gerade das Roͤmiſche Recht von derjeni-
gen Nation nicht bearbeitet wird, nach de-
ren Beyſpiele die deutſche Litteratur ſich ſeit
einem halben Jahrhundert am meiſten ge-
bildet hat. Auf der andern Seite iſt es doch
aber auch beynahe unmoͤglich, daß das Roͤmi-
ſche Recht keinen Vortheil davon haben ſoll-
te, wenn die alte Litteratur mit unendlich
mehr Geſchmack unter uns getrieben wird,
als ehemahls; wenn die Philoſophie frey
von allem Sectengeiſte und ganz auf Beob-
achtungen gegruͤndet iſt; und wenn man in
der Geſchichte ſo viel pragmatiſchen Zuſam-
menhang, und ſo pſychologiſche Entwicklung
der Charactere findet, daß diejenigen geneigt
ſeyn koͤnnen, ſie fuͤr einen Roman zu halten,
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