Die scholastischen Civilisten, die sogenann- ten Glossatoren, haben dasselbe Schicksahl gehabt, wie die scholastischen Philosophen nnd Theologen; sie sind oft von Leuten am meisten verachtet worden, die nichts von ih- nen gelesen hatten, und um gar weniges bes- ser waren, als sie. Jetzt ist man darin ei- nig, daß es ihnen nicht an Scharfsinn und nicht an Fleiß fehlte, sondern nur an Kennt- niß der übrigen alten Litteratur und an Ge- schmack, ein nur, dessen Wichtigkeit nicht überall für gleich groß gehalten wird. -- In ihrem Corpus juris waren keine Griechische Novellen, sondern eine lateinische elende, aber von Cujas gelobte Uebersetzung ward um diese Zeit gemacht, und Auszüge daraus setzte zum Theil Irnerius selbst unter die abgeänderten Stellen im Codex, sie hießen Authenticae, weil man die Novellen selbst so nannte, und mit ihnen trug man auch ei- nige Verordnungen der Hohenstaufischen Kai- ser ein. -- Wenn übrigens die Exemplare von den Sammlungen Justinians, deren sich die Glossatoren bedienten, nicht gleichför- mig abgetheilt waren, so hatten sie einen Grund mehr, nicht nach Zahlen sondern nach Ueberschriften und Anfangsworten zu citiren, eine Gewohnheit die dadurch verbessert wor-
den
bis auf unſere Zeiten.
§. 183.
Die ſcholaſtiſchen Civiliſten, die ſogenann- ten Gloſſatoren, haben daſſelbe Schickſahl gehabt, wie die ſcholaſtiſchen Philoſophen nnd Theologen; ſie ſind oft von Leuten am meiſten verachtet worden, die nichts von ih- nen geleſen hatten, und um gar weniges beſ- ſer waren, als ſie. Jetzt iſt man darin ei- nig, daß es ihnen nicht an Scharfſinn und nicht an Fleiß fehlte, ſondern nur an Kennt- niß der uͤbrigen alten Litteratur und an Ge- ſchmack, ein nur, deſſen Wichtigkeit nicht uͤberall fuͤr gleich groß gehalten wird. — In ihrem Corpus juris waren keine Griechiſche Novellen, ſondern eine lateiniſche elende, aber von Cujas gelobte Ueberſetzung ward um dieſe Zeit gemacht, und Auszuͤge daraus ſetzte zum Theil Irnerius ſelbſt unter die abgeaͤnderten Stellen im Codex, ſie hießen Authenticae, weil man die Novellen ſelbſt ſo nannte, und mit ihnen trug man auch ei- nige Verordnungen der Hohenſtaufiſchen Kai- ſer ein. — Wenn uͤbrigens die Exemplare von den Sammlungen Juſtinians, deren ſich die Gloſſatoren bedienten, nicht gleichfoͤr- mig abgetheilt waren, ſo hatten ſie einen Grund mehr, nicht nach Zahlen ſondern nach Ueberſchriften und Anfangsworten zu citiren, eine Gewohnheit die dadurch verbeſſert wor-
den
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bis auf unſere Zeiten.
§. 183.
Die ſcholaſtiſchen Civiliſten, die ſogenann-
ten Gloſſatoren, haben daſſelbe Schickſahl
gehabt, wie die ſcholaſtiſchen Philoſophen
nnd Theologen; ſie ſind oft von Leuten am
meiſten verachtet worden, die nichts von ih-
nen geleſen hatten, und um gar weniges beſ-
ſer waren, als ſie. Jetzt iſt man darin ei-
nig, daß es ihnen nicht an Scharfſinn und
nicht an Fleiß fehlte, ſondern nur an Kennt-
niß der uͤbrigen alten Litteratur und an Ge-
ſchmack, ein nur, deſſen Wichtigkeit nicht
uͤberall fuͤr gleich groß gehalten wird. — In
ihrem Corpus juris waren keine Griechiſche
Novellen, ſondern eine lateiniſche elende,
aber von Cujas gelobte Ueberſetzung ward
um dieſe Zeit gemacht, und Auszuͤge daraus
ſetzte zum Theil Irnerius ſelbſt unter die
abgeaͤnderten Stellen im Codex, ſie hießen
Authenticae, weil man die Novellen ſelbſt
ſo nannte, und mit ihnen trug man auch ei-
nige Verordnungen der Hohenſtaufiſchen Kai-
ſer ein. — Wenn uͤbrigens die Exemplare
von den Sammlungen Juſtinians, deren
ſich die Gloſſatoren bedienten, nicht gleichfoͤr-
mig abgetheilt waren, ſo hatten ſie einen
Grund mehr, nicht nach Zahlen ſondern nach
Ueberſchriften und Anfangsworten zu citiren,
eine Gewohnheit die dadurch verbeſſert wor-
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Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hugo_rechtsgeschichte_1790/233>, abgerufen am 16.02.2025.
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