Hugo, Gustav: Lehrbuch der Rechtsgeschichte bis auf unsre Zeiten. Berlin, 1790.Theil II. seit Justinian, welchen endlich der Geist des Zeitalters auf-half, welchen besonders der Consociations- geist ihre Form und Haltbarkeit gab. Als zu Anfange des zwölften Jahrhunderts die westlichen Europäer ihren Verstand zu Spe- culationen zu gebrauchen lernten, war eine Sucht zu disputiren und zu subtilisiren bey ihnen characteristisch, weil dieses überhaupt eine nur der untersten Stufen von Geistesbil- dung ist. Sollte davon die Rechtsgelehrsam- keit ausgeschlossen bleiben, sie die recht eigent- lich aus entgegengesetzten Interessen und Mey- nungen entsteht? Aber wenn man über Rechts- fragen speculiren und streiten wollte, so muß- te man erst eine Entscheidungsquelle haben, die den Gelehrten leichter bekannt, und an sich mehr ausgebildet wäre, als das bloße GewohnheitsRecht das nur die Schöffen wußten, und die Schöffen doch nicht docirten. Aeußerst natürlich fiel man also, zumahl da die Universität, welche neben der Pariser sich am meisten hob, die zu Bologna in Ita- lien war, darauf, das alte, in Italien ent- standene, in Italien so wenig und noch weni- ger als in andern Ländern je ganz vertilgte und unbekannte, sondern von den Geistlichen von Zeit zu Zeit für sich benutzte, Römische Recht vorzutragen. Niemand dachte wohl daran, daß dieß mehr ein neues Recht sey, als
Theil II. ſeit Juſtinian, welchen endlich der Geiſt des Zeitalters auf-half, welchen beſonders der Conſociations- geiſt ihre Form und Haltbarkeit gab. Als zu Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts die weſtlichen Europaͤer ihren Verſtand zu Spe- culationen zu gebrauchen lernten, war eine Sucht zu diſputiren und zu ſubtiliſiren bey ihnen characteriſtiſch, weil dieſes uͤberhaupt eine nur der unterſten Stufen von Geiſtesbil- dung iſt. Sollte davon die Rechtsgelehrſam- keit ausgeſchloſſen bleiben, ſie die recht eigent- lich aus entgegengeſetzten Intereſſen und Mey- nungen entſteht? Aber wenn man uͤber Rechts- fragen ſpeculiren und ſtreiten wollte, ſo muß- te man erſt eine Entſcheidungsquelle haben, die den Gelehrten leichter bekannt, und an ſich mehr ausgebildet waͤre, als das bloße GewohnheitsRecht das nur die Schoͤffen wußten, und die Schoͤffen doch nicht docirten. Aeußerſt natuͤrlich fiel man alſo, zumahl da die Univerſitaͤt, welche neben der Pariſer ſich am meiſten hob, die zu Bologna in Ita- lien war, darauf, das alte, in Italien ent- ſtandene, in Italien ſo wenig und noch weni- ger als in andern Laͤndern je ganz vertilgte und unbekannte, ſondern von den Geiſtlichen von Zeit zu Zeit fuͤr ſich benutzte, Roͤmiſche Recht vorzutragen. Niemand dachte wohl daran, daß dieß mehr ein neues Recht ſey, als
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Theil II. ſeit Juſtinian,
welchen endlich der Geiſt des Zeitalters auf-
half, welchen beſonders der Conſociations-
geiſt ihre Form und Haltbarkeit gab. Als
zu Anfange des zwoͤlften Jahrhunderts die
weſtlichen Europaͤer ihren Verſtand zu Spe-
culationen zu gebrauchen lernten, war eine
Sucht zu diſputiren und zu ſubtiliſiren bey
ihnen characteriſtiſch, weil dieſes uͤberhaupt
eine nur der unterſten Stufen von Geiſtesbil-
dung iſt. Sollte davon die Rechtsgelehrſam-
keit ausgeſchloſſen bleiben, ſie die recht eigent-
lich aus entgegengeſetzten Intereſſen und Mey-
nungen entſteht? Aber wenn man uͤber Rechts-
fragen ſpeculiren und ſtreiten wollte, ſo muß-
te man erſt eine Entſcheidungsquelle haben,
die den Gelehrten leichter bekannt, und an
ſich mehr ausgebildet waͤre, als das bloße
GewohnheitsRecht das nur die Schoͤffen
wußten, und die Schoͤffen doch nicht docirten.
Aeußerſt natuͤrlich fiel man alſo, zumahl da
die Univerſitaͤt, welche neben der Pariſer
ſich am meiſten hob, die zu Bologna in Ita-
lien war, darauf, das alte, in Italien ent-
ſtandene, in Italien ſo wenig und noch weni-
ger als in andern Laͤndern je ganz vertilgte
und unbekannte, ſondern von den Geiſtlichen
von Zeit zu Zeit fuͤr ſich benutzte, Roͤmiſche
Recht vorzutragen. Niemand dachte wohl
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