ihre Ehre vor den Menschen zu schützen, gib ihr einen Mann - einen Jüngling, so keusch und jungfräulich, daß er ihr zwar die eheliche Treue für immer gelobt als ihr wirklicher Mann, aber so rein und himmlisch mit ihr lebt, wie die Engel vor deinem Angesichte wandeln. Nicht bloß seine Seele sei jungfräulich, frei von allen nur irgend wie bösen Gedanken, sondern auch sein Leib sei mehr himm- lisch als irdisch, mehr Verklärung als Fleisch, frei von jeder Sinnlichkeit. Meine Braut sei im stillen Hause wie auf der belebten Gasse, in der volkreichen Stadt, wie in der einsamen Wüste, bei Tag und bei Nacht, so sicher, so getrost, so ruhig bei ihm, als wäre der reinste Seraph an ihrer Seite. Wo ist dieser Engel im Fleische? Ich will ihm alle Gnadenschätze mittheilen, ihn erleuchten, daß er das Geheimniß der Menschwerdung deines Sohnes begreift, so weit es einem Menschen möglich ist."
Nicht wahr, so mochten die drei göttlichen Personen, um nach unserer Anschauung zu reden, mit einander rath- schlagen. Dann endlich sprach der Sohn Gottes: "Wir kennen ihn ja von Ewigkeit her diesen Sohn David's, der nicht wie sein Ahnherr als König auf dem Throne sitzt, sondern als Zimmermann sein Brod in der Werkstatt verdient."
"Joseph ist sein Name, das heißt wachsender Sohn, gewachsen ist sein Leib zur vollen Kraft und Schönheit des Mannes, verklärt durch den Glanz vollendeter Jungfräu- lichkeit; gewachsen ist seine Seele im Glauben an meine Menschwerdung, in der Hoffnung auf die nahe Erlösung, verklärt ist sie im Strahlenglanze aller Tugenden. Er denkt zwar nicht bloß an keine Ehe, sondern hat das Ge- lübde ewiger Jungfräulichkeit gemacht, aber gerade des- wegen sei er der wahre Mann meiner jungfräulichen Mutter und mein Pflegevater; wie ich vor dem Schooß der Jungfrau nicht zurückschrecke, so schäme ich mich nicht,
ihre Ehre vor den Menschen zu schützen, gib ihr einen Mann – einen Jüngling, so keusch und jungfräulich, daß er ihr zwar die eheliche Treue für immer gelobt als ihr wirklicher Mann, aber so rein und himmlisch mit ihr lebt, wie die Engel vor deinem Angesichte wandeln. Nicht bloß seine Seele sei jungfräulich, frei von allen nur irgend wie bösen Gedanken, sondern auch sein Leib sei mehr himm- lisch als irdisch, mehr Verklärung als Fleisch, frei von jeder Sinnlichkeit. Meine Braut sei im stillen Hause wie auf der belebten Gasse, in der volkreichen Stadt, wie in der einsamen Wüste, bei Tag und bei Nacht, so sicher, so getrost, so ruhig bei ihm, als wäre der reinste Seraph an ihrer Seite. Wo ist dieser Engel im Fleische? Ich will ihm alle Gnadenschätze mittheilen, ihn erleuchten, daß er das Geheimniß der Menschwerdung deines Sohnes begreift, so weit es einem Menschen möglich ist.“
Nicht wahr, so mochten die drei göttlichen Personen, um nach unserer Anschauung zu reden, mit einander rath- schlagen. Dann endlich sprach der Sohn Gottes: „Wir kennen ihn ja von Ewigkeit her diesen Sohn David's, der nicht wie sein Ahnherr als König auf dem Throne sitzt, sondern als Zimmermann sein Brod in der Werkstatt verdient.“
„Joseph ist sein Name, das heißt wachsender Sohn, gewachsen ist sein Leib zur vollen Kraft und Schönheit des Mannes, verklärt durch den Glanz vollendeter Jungfräu- lichkeit; gewachsen ist seine Seele im Glauben an meine Menschwerdung, in der Hoffnung auf die nahe Erlösung, verklärt ist sie im Strahlenglanze aller Tugenden. Er denkt zwar nicht bloß an keine Ehe, sondern hat das Ge- lübde ewiger Jungfräulichkeit gemacht, aber gerade des- wegen sei er der wahre Mann meiner jungfräulichen Mutter und mein Pflegevater; wie ich vor dem Schooß der Jungfrau nicht zurückschrecke, so schäme ich mich nicht,
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ihre Ehre vor den Menschen zu schützen, gib ihr einen
Mann – einen Jüngling, so keusch und jungfräulich, daß
er ihr zwar die eheliche Treue für immer gelobt als ihr
wirklicher Mann, aber so rein und himmlisch mit ihr lebt,
wie die Engel vor deinem Angesichte wandeln. Nicht bloß
seine Seele sei jungfräulich, frei von allen nur irgend wie
bösen Gedanken, sondern auch sein Leib sei mehr himm-
lisch als irdisch, mehr Verklärung als Fleisch, frei von
jeder Sinnlichkeit. Meine Braut sei im stillen Hause wie
auf der belebten Gasse, in der volkreichen Stadt, wie in
der einsamen Wüste, bei Tag und bei Nacht, so sicher, so
getrost, so ruhig bei ihm, als wäre der reinste Seraph
an ihrer Seite. Wo ist dieser Engel im Fleische? Ich
will ihm alle Gnadenschätze mittheilen, ihn erleuchten, daß
er das Geheimniß der Menschwerdung deines Sohnes
begreift, so weit es einem Menschen möglich ist.“
Nicht wahr, so mochten die drei göttlichen Personen,
um nach unserer Anschauung zu reden, mit einander rath-
schlagen. Dann endlich sprach der Sohn Gottes: „Wir
kennen ihn ja von Ewigkeit her diesen Sohn David's,
der nicht wie sein Ahnherr als König auf dem Throne sitzt,
sondern als Zimmermann sein Brod in der Werkstatt
verdient.“
„Joseph ist sein Name, das heißt wachsender Sohn,
gewachsen ist sein Leib zur vollen Kraft und Schönheit des
Mannes, verklärt durch den Glanz vollendeter Jungfräu-
lichkeit; gewachsen ist seine Seele im Glauben an meine
Menschwerdung, in der Hoffnung auf die nahe Erlösung,
verklärt ist sie im Strahlenglanze aller Tugenden. Er
denkt zwar nicht bloß an keine Ehe, sondern hat das Ge-
lübde ewiger Jungfräulichkeit gemacht, aber gerade des-
wegen sei er der wahre Mann meiner jungfräulichen
Mutter und mein Pflegevater; wie ich vor dem Schooß
der Jungfrau nicht zurückschrecke, so schäme ich mich nicht,
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/61>, abgerufen am 29.11.2024.
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