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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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Das scheint eigenthümlich, aber schau einmal, ob unsere
Vorbilder das nicht verlangen. An allen Leiden des öffentlichen
Lebens ihres Sohnes nahm Maria den innigsten Antheil;
aber die Verklärung auf Tabor schaute sie nicht. Warum?
Die Mutter soll und muß entbehren, sonst ist sie keine
Mutter im Sinne und Geiste Jesu Christi. Unter dem
Kreuze steht Maria; aber mit dem Heilande darf sie nicht
gen Himmel fahren. Warum? Die Mutter soll nicht
bloß entbehren, sondern auch leiden, will sie eine Mutter
nach dem Evangelium Jesu Christi sein.

Wenn ihr nun etwa glaubet, daß ich übertreibe, so
betet den Psalter und betrachtet die einzelnen Geheimniße
und wendet sie auf eure Verhältniße an. Dann werdet
ihr aber auch begreifen, welch' ungeheuren Gefahren die
Familie jetzt ausgesetzt ist und warum ich rede, wie ich
rede oder besser, warum das Geheimniß der Menschwer-
dung Jesu Christi laut seine Stimme erhebt. Wisset ihr,
warum man in früher Zeit so viele, viele Mütter hatte,
voll Würde und Opfergeist? Väter und Mütter waren
nicht in Gesellschaft zu suchen, Söhne und Töchter kneipten
nicht herum, waren nicht in zahllosen Vereinen, gaben den
Eltern noch kein Kostgeld; sondern alle waren unter dem
Schutze des Familienengels bei einander, beteten Abends
gemeinsam den Rosenkranz, betrachteten die Geheimniße
und gingen dann unter dem Walten des hl. Engels zur
Ruhe. Aber heute? Ach, ich darf nicht daran denken!
Denn wenn Gott nicht durch das äußerste Elend gar viele
Menschen zur Besinnung bringt, wird es noch viel schlimmer
kommen. Ich rede jetzt nur von den Müttern. Welche
Aussichten für die Zukunft haben wir also bezüglich der
Mütter?

Ich gebe nun gerne zu, es gibt noch viele Jung-
frauen voll kerngesunder Frömmigkeit; aber gibt es nicht
auch Mädchen, welche, bevor sie der Schule entlassen,

Das scheint eigenthümlich, aber schau einmal, ob unsere
Vorbilder das nicht verlangen. An allen Leiden des öffentlichen
Lebens ihres Sohnes nahm Maria den innigsten Antheil;
aber die Verklärung auf Tabor schaute sie nicht. Warum?
Die Mutter soll und muß entbehren, sonst ist sie keine
Mutter im Sinne und Geiste Jesu Christi. Unter dem
Kreuze steht Maria; aber mit dem Heilande darf sie nicht
gen Himmel fahren. Warum? Die Mutter soll nicht
bloß entbehren, sondern auch leiden, will sie eine Mutter
nach dem Evangelium Jesu Christi sein.

Wenn ihr nun etwa glaubet, daß ich übertreibe, so
betet den Psalter und betrachtet die einzelnen Geheimniße
und wendet sie auf eure Verhältniße an. Dann werdet
ihr aber auch begreifen, welch' ungeheuren Gefahren die
Familie jetzt ausgesetzt ist und warum ich rede, wie ich
rede oder besser, warum das Geheimniß der Menschwer-
dung Jesu Christi laut seine Stimme erhebt. Wisset ihr,
warum man in früher Zeit so viele, viele Mütter hatte,
voll Würde und Opfergeist? Väter und Mütter waren
nicht in Gesellschaft zu suchen, Söhne und Töchter kneipten
nicht herum, waren nicht in zahllosen Vereinen, gaben den
Eltern noch kein Kostgeld; sondern alle waren unter dem
Schutze des Familienengels bei einander, beteten Abends
gemeinsam den Rosenkranz, betrachteten die Geheimniße
und gingen dann unter dem Walten des hl. Engels zur
Ruhe. Aber heute? Ach, ich darf nicht daran denken!
Denn wenn Gott nicht durch das äußerste Elend gar viele
Menschen zur Besinnung bringt, wird es noch viel schlimmer
kommen. Ich rede jetzt nur von den Müttern. Welche
Aussichten für die Zukunft haben wir also bezüglich der
Mütter?

Ich gebe nun gerne zu, es gibt noch viele Jung-
frauen voll kerngesunder Frömmigkeit; aber gibt es nicht
auch Mädchen, welche, bevor sie der Schule entlassen,

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[33/0045] Das scheint eigenthümlich, aber schau einmal, ob unsere Vorbilder das nicht verlangen. An allen Leiden des öffentlichen Lebens ihres Sohnes nahm Maria den innigsten Antheil; aber die Verklärung auf Tabor schaute sie nicht. Warum? Die Mutter soll und muß entbehren, sonst ist sie keine Mutter im Sinne und Geiste Jesu Christi. Unter dem Kreuze steht Maria; aber mit dem Heilande darf sie nicht gen Himmel fahren. Warum? Die Mutter soll nicht bloß entbehren, sondern auch leiden, will sie eine Mutter nach dem Evangelium Jesu Christi sein. Wenn ihr nun etwa glaubet, daß ich übertreibe, so betet den Psalter und betrachtet die einzelnen Geheimniße und wendet sie auf eure Verhältniße an. Dann werdet ihr aber auch begreifen, welch' ungeheuren Gefahren die Familie jetzt ausgesetzt ist und warum ich rede, wie ich rede oder besser, warum das Geheimniß der Menschwer- dung Jesu Christi laut seine Stimme erhebt. Wisset ihr, warum man in früher Zeit so viele, viele Mütter hatte, voll Würde und Opfergeist? Väter und Mütter waren nicht in Gesellschaft zu suchen, Söhne und Töchter kneipten nicht herum, waren nicht in zahllosen Vereinen, gaben den Eltern noch kein Kostgeld; sondern alle waren unter dem Schutze des Familienengels bei einander, beteten Abends gemeinsam den Rosenkranz, betrachteten die Geheimniße und gingen dann unter dem Walten des hl. Engels zur Ruhe. Aber heute? Ach, ich darf nicht daran denken! Denn wenn Gott nicht durch das äußerste Elend gar viele Menschen zur Besinnung bringt, wird es noch viel schlimmer kommen. Ich rede jetzt nur von den Müttern. Welche Aussichten für die Zukunft haben wir also bezüglich der Mütter? Ich gebe nun gerne zu, es gibt noch viele Jung- frauen voll kerngesunder Frömmigkeit; aber gibt es nicht auch Mädchen, welche, bevor sie der Schule entlassen,

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/45>, abgerufen am 23.11.2024.