habet, sondern mit dem hl. Paulus sagen könnet: "Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein."
Denn betrachtet nur tiefer das Wort des Völker- lehrers. "Die Zeit ist kurz, es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine, und die welche weinen, als weinten sie nicht, und die, welche sich freuen, als freuten sie sich nicht, und die, welche taufen, als besäßen sie nicht, und die, welche diese Welt gebrau- chen, als brauchten sie dieselbe nicht. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht." So der hl. Paulus. Daß er aber dies alles zunächst von der Ehe verstanden wissen will, ist schon daraus klar, daß er im ganzen Kapitel nur von der Jungfräulichkeit und der Ehe redet. Betrachtet also das Einzelne! An was mahnt also der Tod die Eheleute? Lebet so, als wäret ihr nicht verheiratet! Was will das sagen? Liebet doch nicht zu sehr diese Schönheit der ersten Jahre, sonst wird die eheliche Liebe unbeständig wie diese Schönheit. Noch viel weniger traget diese Schönheit irgendwie zur Schau. Denn der Tod ziert euern Leib unbemerkt für die letzte Stunde, bald lang- samer, bald schneller, bald wie in einem Augenblick. Er nimmt euch die Zähne des Mundes, den Schmuck des Hauptes, er bleicht euere Wangen, er wirft die Runzeln auf euer Gesicht, trübt die Augen, bückt die Gestalt. Wenn man diese jungen Eheleute nach zwei bis drei Jahren zum ersten Mal wiedersieht - welche Verände- rung! Wo ist diese Jugend? Wo diese Anmuth? Wo diese Lieblichkeit? Der blühende Baum steht bereits wie mit falben Blättern ganz ernst da. Deshalb mahnt und warnt euch der Tod: "Lasset euch durch diese Schönheit nicht bethören, nicht gefangen nehmen, hängt euer Herz nicht daran. Denn sonst geht die Treue und Liebe mit dieser Schönheit unbemerkt verloren. Liebet vielmehr die Schönheit der Seele, welche nicht altert, sondern immer jugendlicher wird."
habet, sondern mit dem hl. Paulus sagen könnet: „Ich wünsche aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein.“
Denn betrachtet nur tiefer das Wort des Völker- lehrers. „Die Zeit ist kurz, es erübriget nur, daß die, welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine, und die welche weinen, als weinten sie nicht, und die, welche sich freuen, als freuten sie sich nicht, und die, welche taufen, als besäßen sie nicht, und die, welche diese Welt gebrau- chen, als brauchten sie dieselbe nicht. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht.“ So der hl. Paulus. Daß er aber dies alles zunächst von der Ehe verstanden wissen will, ist schon daraus klar, daß er im ganzen Kapitel nur von der Jungfräulichkeit und der Ehe redet. Betrachtet also das Einzelne! An was mahnt also der Tod die Eheleute? Lebet so, als wäret ihr nicht verheiratet! Was will das sagen? Liebet doch nicht zu sehr diese Schönheit der ersten Jahre, sonst wird die eheliche Liebe unbeständig wie diese Schönheit. Noch viel weniger traget diese Schönheit irgendwie zur Schau. Denn der Tod ziert euern Leib unbemerkt für die letzte Stunde, bald lang- samer, bald schneller, bald wie in einem Augenblick. Er nimmt euch die Zähne des Mundes, den Schmuck des Hauptes, er bleicht euere Wangen, er wirft die Runzeln auf euer Gesicht, trübt die Augen, bückt die Gestalt. Wenn man diese jungen Eheleute nach zwei bis drei Jahren zum ersten Mal wiedersieht – welche Verände- rung! Wo ist diese Jugend? Wo diese Anmuth? Wo diese Lieblichkeit? Der blühende Baum steht bereits wie mit falben Blättern ganz ernst da. Deshalb mahnt und warnt euch der Tod: „Lasset euch durch diese Schönheit nicht bethören, nicht gefangen nehmen, hängt euer Herz nicht daran. Denn sonst geht die Treue und Liebe mit dieser Schönheit unbemerkt verloren. Liebet vielmehr die Schönheit der Seele, welche nicht altert, sondern immer jugendlicher wird.“
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habet, sondern mit dem hl. Paulus sagen könnet: „Ich
wünsche aufgelöst zu werden und bei Christo zu sein.“
Denn betrachtet nur tiefer das Wort des Völker-
lehrers. „Die Zeit ist kurz, es erübriget nur, daß die,
welche Weiber haben, seien, als hätten sie keine, und die
welche weinen, als weinten sie nicht, und die, welche sich
freuen, als freuten sie sich nicht, und die, welche taufen,
als besäßen sie nicht, und die, welche diese Welt gebrau-
chen, als brauchten sie dieselbe nicht. Denn die Gestalt
dieser Welt vergeht.“ So der hl. Paulus. Daß er aber
dies alles zunächst von der Ehe verstanden wissen will,
ist schon daraus klar, daß er im ganzen Kapitel nur von der
Jungfräulichkeit und der Ehe redet. Betrachtet also das
Einzelne! An was mahnt also der Tod die Eheleute?
Lebet so, als wäret ihr nicht verheiratet! Was will das
sagen? Liebet doch nicht zu sehr diese Schönheit der
ersten Jahre, sonst wird die eheliche Liebe unbeständig
wie diese Schönheit. Noch viel weniger traget diese
Schönheit irgendwie zur Schau. Denn der Tod ziert
euern Leib unbemerkt für die letzte Stunde, bald lang-
samer, bald schneller, bald wie in einem Augenblick. Er
nimmt euch die Zähne des Mundes, den Schmuck des
Hauptes, er bleicht euere Wangen, er wirft die Runzeln
auf euer Gesicht, trübt die Augen, bückt die Gestalt.
Wenn man diese jungen Eheleute nach zwei bis drei
Jahren zum ersten Mal wiedersieht – welche Verände-
rung! Wo ist diese Jugend? Wo diese Anmuth? Wo
diese Lieblichkeit? Der blühende Baum steht bereits wie
mit falben Blättern ganz ernst da. Deshalb mahnt und
warnt euch der Tod: „Lasset euch durch diese Schönheit
nicht bethören, nicht gefangen nehmen, hängt euer Herz
nicht daran. Denn sonst geht die Treue und Liebe mit
dieser Schönheit unbemerkt verloren. Liebet vielmehr die
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jugendlicher wird.“
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/394>, abgerufen am 22.11.2024.
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