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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896.

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Die Zeit ist kurz, kürzet sie einander nicht noch mehr
ab; rufet doch dem Tode nicht muthwillig. Wenn näm-
lich statt Geduld Zorn, statt Liebe Haß, statt Frieden
Streit unter euch herrscht; wenn ihr euern Leidenschaften
Alles gestattet, den Schultern mehr aufladet als sie zu
tragen vermögen; wenn die Genußsucht und die Sinnlich-
keit Alles beherrscht und verlangt, heißt das nicht, das
Leben einander muthwillig abkürzen? Wäre das möglich,
wenn ihr nur irgendwie an den Tod dächtet? "Die
Zeit ist kurz,"
ruft der Tod jeden Augenblick, "machet
diese kurze Zeit nicht noch selbst kürzer, verbittert sie
einander nicht, sondern liebet einander, wie Christus seine
Kirche, und die Kirche Christus liebt; seid Väter voll
Würde und Hoheit, wie der hl. Joseph; seid Mütter
voll Würde und Opferliebe, wie die Mutter Gottes.
Denn ich stelle euch im nächsten Augenblick vor den Richter-
stuhl des allwissenden und allgerechten Gottes."

So mahnt euch der Tod, christliche Eltern, und wendet
sich von euch weg an euere Söhne und Töchter, die nur
zu oft nicht bloß die Gebote Gottes vergessen, sondern
sogar die zartesten Gefühle und Regungen der Natur
schänden, um euch und sich selbst diese kurze Zeit recht
bitter und noch kürzer zu machen. O! wie lange noch
christliche Jugend, wollen so manche aus euch gedanken-
los durch die Welt gehen, um bald in die Hände des
lebendigen Gottes zu fallen? Wie lange noch soll dieser
Allerseelentag spurlos an so manchem vorübergehen? Wie
lange noch wollet ihr mitten im Modergeruch des Todes
den Tod vergessen? Die Verbindung von Vater und
Mutter verkündet euch den Tod; die grauen Haare des
Vaters und die Runzeln der Mutter zeigen euch den Tod;
das Grab des Vaters oder der Mutter oder auch der
Altersgenossen verkünden euch den Tod - den schnellen,
den unsichern, den plötzlichen Tod.

Die Zeit ist kurz, kürzet sie einander nicht noch mehr
ab; rufet doch dem Tode nicht muthwillig. Wenn näm-
lich statt Geduld Zorn, statt Liebe Haß, statt Frieden
Streit unter euch herrscht; wenn ihr euern Leidenschaften
Alles gestattet, den Schultern mehr aufladet als sie zu
tragen vermögen; wenn die Genußsucht und die Sinnlich-
keit Alles beherrscht und verlangt, heißt das nicht, das
Leben einander muthwillig abkürzen? Wäre das möglich,
wenn ihr nur irgendwie an den Tod dächtet? „Die
Zeit ist kurz,“
ruft der Tod jeden Augenblick, „machet
diese kurze Zeit nicht noch selbst kürzer, verbittert sie
einander nicht, sondern liebet einander, wie Christus seine
Kirche, und die Kirche Christus liebt; seid Väter voll
Würde und Hoheit, wie der hl. Joseph; seid Mütter
voll Würde und Opferliebe, wie die Mutter Gottes.
Denn ich stelle euch im nächsten Augenblick vor den Richter-
stuhl des allwissenden und allgerechten Gottes.“

So mahnt euch der Tod, christliche Eltern, und wendet
sich von euch weg an euere Söhne und Töchter, die nur
zu oft nicht bloß die Gebote Gottes vergessen, sondern
sogar die zartesten Gefühle und Regungen der Natur
schänden, um euch und sich selbst diese kurze Zeit recht
bitter und noch kürzer zu machen. O! wie lange noch
christliche Jugend, wollen so manche aus euch gedanken-
los durch die Welt gehen, um bald in die Hände des
lebendigen Gottes zu fallen? Wie lange noch soll dieser
Allerseelentag spurlos an so manchem vorübergehen? Wie
lange noch wollet ihr mitten im Modergeruch des Todes
den Tod vergessen? Die Verbindung von Vater und
Mutter verkündet euch den Tod; die grauen Haare des
Vaters und die Runzeln der Mutter zeigen euch den Tod;
das Grab des Vaters oder der Mutter oder auch der
Altersgenossen verkünden euch den Tod – den schnellen,
den unsichern, den plötzlichen Tod.

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[380/0392] Die Zeit ist kurz, kürzet sie einander nicht noch mehr ab; rufet doch dem Tode nicht muthwillig. Wenn näm- lich statt Geduld Zorn, statt Liebe Haß, statt Frieden Streit unter euch herrscht; wenn ihr euern Leidenschaften Alles gestattet, den Schultern mehr aufladet als sie zu tragen vermögen; wenn die Genußsucht und die Sinnlich- keit Alles beherrscht und verlangt, heißt das nicht, das Leben einander muthwillig abkürzen? Wäre das möglich, wenn ihr nur irgendwie an den Tod dächtet? „Die Zeit ist kurz,“ ruft der Tod jeden Augenblick, „machet diese kurze Zeit nicht noch selbst kürzer, verbittert sie einander nicht, sondern liebet einander, wie Christus seine Kirche, und die Kirche Christus liebt; seid Väter voll Würde und Hoheit, wie der hl. Joseph; seid Mütter voll Würde und Opferliebe, wie die Mutter Gottes. Denn ich stelle euch im nächsten Augenblick vor den Richter- stuhl des allwissenden und allgerechten Gottes.“ So mahnt euch der Tod, christliche Eltern, und wendet sich von euch weg an euere Söhne und Töchter, die nur zu oft nicht bloß die Gebote Gottes vergessen, sondern sogar die zartesten Gefühle und Regungen der Natur schänden, um euch und sich selbst diese kurze Zeit recht bitter und noch kürzer zu machen. O! wie lange noch christliche Jugend, wollen so manche aus euch gedanken- los durch die Welt gehen, um bald in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen? Wie lange noch soll dieser Allerseelentag spurlos an so manchem vorübergehen? Wie lange noch wollet ihr mitten im Modergeruch des Todes den Tod vergessen? Die Verbindung von Vater und Mutter verkündet euch den Tod; die grauen Haare des Vaters und die Runzeln der Mutter zeigen euch den Tod; das Grab des Vaters oder der Mutter oder auch der Altersgenossen verkünden euch den Tod – den schnellen, den unsichern, den plötzlichen Tod.

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Zitationshilfe: Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/392>, abgerufen am 22.11.2024.