daß die Verwandten überhaupt einander Ehrfurcht schuldig sind. Je näher die Verwandtschaft, desto größer soll die Ehrfurcht sein. Welch' heilige Scheu sollen daher Geschwister vor einander haben? Denn ihr seid Ebenbilder und Kinder Gottes und dazu noch sozusagen das gleiche Fleisch und Blut. Was verlangt diese Ehr- furcht? Meidet alles, was die hl. Scheu irgendwie ver- letzen könnte. Freilich haben in den Tagen der Schmerzen Geschwister einander zu verpflegen; aber in den Tagen der Gesundheit sollet ihr in hl. Scheu alles Unanständige vor einander meiden, daß euer Wort, euere Kleidung, euer Blick, euere Handlungen bescheiden und sittsam seien.
Damit aber die Kinder in dieser Ehrfurcht aufwachsen, sorget auch ihr dafür, christliche Eltern. - Wie sind die Kleineren gekleidet, wenn sie am Morgen in die Stube kommen? Wie werden sie am Abend zu Bette gebracht? Wer schläft in der gleichen Kammer oder im gleichen Bette? Vergesset ja nicht, die Sorglosigkeit der Eltern ist häufiger als man glaubt die Ursache des sittlichen Unglückes der Kinder.
Aber, denkst du, was liegt daran, wenn wir zu Hause in diesem Punkte nicht so ängstlich sind? Was daran liegt? Die gegenseitige Ehrfurcht wird verletzt. Was daran liegt? Bald wird aus dem Familienkreise die Scham verloren gehen. Wenn ihr aber in dieser Ehr- furcht vor einander aufwachset und mit einander lebet, wird das Schamgefühl so zart gebildet, daß ihr auch vor Anderen nie etwas Unanständiges zulasset und bei allen Versuchungen wieder rein in die Familie zurückkehrt, um in der gegenseitigen Ehrfurcht wieder neue Kraft für neue Kämpfe zu finden.
Aber, denket ihr vielleicht, in welcher Verbindung steht denn diese Ehrfurcht mit der gegenseitigen Sittsam- keit? Schon jener große Kirchenlehrer, der hl. Thomas
daß die Verwandten überhaupt einander Ehrfurcht schuldig sind. Je näher die Verwandtschaft, desto größer soll die Ehrfurcht sein. Welch' heilige Scheu sollen daher Geschwister vor einander haben? Denn ihr seid Ebenbilder und Kinder Gottes und dazu noch sozusagen das gleiche Fleisch und Blut. Was verlangt diese Ehr- furcht? Meidet alles, was die hl. Scheu irgendwie ver- letzen könnte. Freilich haben in den Tagen der Schmerzen Geschwister einander zu verpflegen; aber in den Tagen der Gesundheit sollet ihr in hl. Scheu alles Unanständige vor einander meiden, daß euer Wort, euere Kleidung, euer Blick, euere Handlungen bescheiden und sittsam seien.
Damit aber die Kinder in dieser Ehrfurcht aufwachsen, sorget auch ihr dafür, christliche Eltern. – Wie sind die Kleineren gekleidet, wenn sie am Morgen in die Stube kommen? Wie werden sie am Abend zu Bette gebracht? Wer schläft in der gleichen Kammer oder im gleichen Bette? Vergesset ja nicht, die Sorglosigkeit der Eltern ist häufiger als man glaubt die Ursache des sittlichen Unglückes der Kinder.
Aber, denkst du, was liegt daran, wenn wir zu Hause in diesem Punkte nicht so ängstlich sind? Was daran liegt? Die gegenseitige Ehrfurcht wird verletzt. Was daran liegt? Bald wird aus dem Familienkreise die Scham verloren gehen. Wenn ihr aber in dieser Ehr- furcht vor einander aufwachset und mit einander lebet, wird das Schamgefühl so zart gebildet, daß ihr auch vor Anderen nie etwas Unanständiges zulasset und bei allen Versuchungen wieder rein in die Familie zurückkehrt, um in der gegenseitigen Ehrfurcht wieder neue Kraft für neue Kämpfe zu finden.
Aber, denket ihr vielleicht, in welcher Verbindung steht denn diese Ehrfurcht mit der gegenseitigen Sittsam- keit? Schon jener große Kirchenlehrer, der hl. Thomas
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daß die Verwandten überhaupt einander Ehrfurcht
schuldig sind. Je näher die Verwandtschaft, desto größer
soll die Ehrfurcht sein. Welch' heilige Scheu sollen
daher Geschwister vor einander haben? Denn ihr seid
Ebenbilder und Kinder Gottes und dazu noch sozusagen
das gleiche Fleisch und Blut. Was verlangt diese Ehr-
furcht? Meidet alles, was die hl. Scheu irgendwie ver-
letzen könnte. Freilich haben in den Tagen der Schmerzen
Geschwister einander zu verpflegen; aber in den Tagen
der Gesundheit sollet ihr in hl. Scheu alles Unanständige
vor einander meiden, daß euer Wort, euere Kleidung,
euer Blick, euere Handlungen bescheiden und sittsam seien.
Damit aber die Kinder in dieser Ehrfurcht aufwachsen,
sorget auch ihr dafür, christliche Eltern. – Wie sind die
Kleineren gekleidet, wenn sie am Morgen in die Stube
kommen? Wie werden sie am Abend zu Bette gebracht?
Wer schläft in der gleichen Kammer oder im gleichen
Bette? Vergesset ja nicht, die Sorglosigkeit der Eltern
ist häufiger als man glaubt die Ursache des sittlichen
Unglückes der Kinder.
Aber, denkst du, was liegt daran, wenn wir zu Hause
in diesem Punkte nicht so ängstlich sind? Was daran
liegt? Die gegenseitige Ehrfurcht wird verletzt. Was
daran liegt? Bald wird aus dem Familienkreise die
Scham verloren gehen. Wenn ihr aber in dieser Ehr-
furcht vor einander aufwachset und mit einander lebet,
wird das Schamgefühl so zart gebildet, daß ihr auch vor
Anderen nie etwas Unanständiges zulasset und bei allen
Versuchungen wieder rein in die Familie zurückkehrt, um
in der gegenseitigen Ehrfurcht wieder neue Kraft für
neue Kämpfe zu finden.
Aber, denket ihr vielleicht, in welcher Verbindung
steht denn diese Ehrfurcht mit der gegenseitigen Sittsam-
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/325>, abgerufen am 25.11.2024.
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