Obwohl wir leichter fühlen als sagen, was Ehrfurcht ist, so hat doch jener tiefe und scharfe Denker der heilige Thomas (II. II. art. 3) dieselbe genau bestimmt und erklärt. Er spricht zunächst von der Aeußerung der Ehr- furcht, nämlich von der Ehre, welche man einem erweist. Diese Ehre ist eine Art Zeugniß der Tugend dessen, welchen man ehrt. Und deswegen ist die Tugend allein der würdige Gegenstand der Ehre. Man muß jedoch wissen, daß einer nicht bloß der persönlichen Tugend halber geehrt werden kann, sondern auch wegen der Auszeich- nung eines andern. So werden Fürsten und Vorgesetzte geehrt, weil sie die Stelle Gottes vertreten, auch wenn sie böse sind. Auf gleiche Weise sind Eltern und Herr- schaften zu ehren, weil sie an der Würde Gottes Theil haben, welcher Vater und Herr Aller ist. So der hl. Thomas. Der Grund der Ehrenbezeugung ist also ent- weder die persönliche Tugend des Geehrten, oder dann die Würde, die er von Gott erhalten. Daß aber jemand zugleich wegen seiner Tugend und wegen der von Gott erhaltenen Auszeichnung geehrt werden kann, ist klar. Denn so viele Eltern und Vorgesetzte verbinden ja mit der Würde die Tugend.
Wenn wir aber jemanden äußerlich ehren, so muß auch im Herzen etwas sein - sonst ist alles nur Heuchelei und angelernte Complimentmacherei, wie sie in jeder Art Hofluft und im Sumpfe der Selbstsucht und des Eigen- nutzes zu gedeihen pflegt. Was muß dan in unserm Herzen sein? Die Ehrfurcht. Also ist auch der Grund der Ehrfurcht der gleiche wie der Ehrenbezeugung. Ihr könnet also nur Ehrfurcht haben vor einem Menschen, der durch seine Tugend oder seine Würde oder durch beides Gott ähnlich ist; ihr könnt also nur Ehrfurcht haben vor der Tugend, vor der Heiligkeit, vor Würde und Hoheit - wie sie von Gott ausstrahlen. Diese Ehrfurcht ist
Obwohl wir leichter fühlen als sagen, was Ehrfurcht ist, so hat doch jener tiefe und scharfe Denker der heilige Thomas (II. II. art. 3) dieselbe genau bestimmt und erklärt. Er spricht zunächst von der Aeußerung der Ehr- furcht, nämlich von der Ehre, welche man einem erweist. Diese Ehre ist eine Art Zeugniß der Tugend dessen, welchen man ehrt. Und deswegen ist die Tugend allein der würdige Gegenstand der Ehre. Man muß jedoch wissen, daß einer nicht bloß der persönlichen Tugend halber geehrt werden kann, sondern auch wegen der Auszeich- nung eines andern. So werden Fürsten und Vorgesetzte geehrt, weil sie die Stelle Gottes vertreten, auch wenn sie böse sind. Auf gleiche Weise sind Eltern und Herr- schaften zu ehren, weil sie an der Würde Gottes Theil haben, welcher Vater und Herr Aller ist. So der hl. Thomas. Der Grund der Ehrenbezeugung ist also ent- weder die persönliche Tugend des Geehrten, oder dann die Würde, die er von Gott erhalten. Daß aber jemand zugleich wegen seiner Tugend und wegen der von Gott erhaltenen Auszeichnung geehrt werden kann, ist klar. Denn so viele Eltern und Vorgesetzte verbinden ja mit der Würde die Tugend.
Wenn wir aber jemanden äußerlich ehren, so muß auch im Herzen etwas sein – sonst ist alles nur Heuchelei und angelernte Complimentmacherei, wie sie in jeder Art Hofluft und im Sumpfe der Selbstsucht und des Eigen- nutzes zu gedeihen pflegt. Was muß dan in unserm Herzen sein? Die Ehrfurcht. Also ist auch der Grund der Ehrfurcht der gleiche wie der Ehrenbezeugung. Ihr könnet also nur Ehrfurcht haben vor einem Menschen, der durch seine Tugend oder seine Würde oder durch beides Gott ähnlich ist; ihr könnt also nur Ehrfurcht haben vor der Tugend, vor der Heiligkeit, vor Würde und Hoheit – wie sie von Gott ausstrahlen. Diese Ehrfurcht ist
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Thomas (II. II. art. 3) dieselbe genau bestimmt und
erklärt. Er spricht zunächst von der Aeußerung der Ehr-
furcht, nämlich von der Ehre, welche man einem erweist.
Diese Ehre ist eine Art Zeugniß der Tugend dessen,
welchen man ehrt. Und deswegen ist die Tugend allein
der würdige Gegenstand der Ehre. Man muß jedoch
wissen, daß einer nicht bloß der persönlichen Tugend halber
geehrt werden kann, sondern auch wegen der Auszeich-
nung eines andern. So werden Fürsten und Vorgesetzte
geehrt, weil sie die Stelle Gottes vertreten, auch wenn
sie böse sind. Auf gleiche Weise sind Eltern und Herr-
schaften zu ehren, weil sie an der Würde Gottes Theil
haben, welcher Vater und Herr Aller ist. So der hl.
Thomas. Der Grund der Ehrenbezeugung ist also ent-
weder die persönliche Tugend des Geehrten, oder dann
die Würde, die er von Gott erhalten. Daß aber jemand
zugleich wegen seiner Tugend und wegen der von Gott
erhaltenen Auszeichnung geehrt werden kann, ist klar.
Denn so viele Eltern und Vorgesetzte verbinden ja mit
der Würde die Tugend.
Wenn wir aber jemanden äußerlich ehren, so muß
auch im Herzen etwas sein – sonst ist alles nur Heuchelei
und angelernte Complimentmacherei, wie sie in jeder Art
Hofluft und im Sumpfe der Selbstsucht und des Eigen-
nutzes zu gedeihen pflegt. Was muß dan in unserm
Herzen sein? Die Ehrfurcht. Also ist auch der
Grund der Ehrfurcht der gleiche wie der Ehrenbezeugung.
Ihr könnet also nur Ehrfurcht haben vor einem Menschen,
der durch seine Tugend oder seine Würde oder durch beides
Gott ähnlich ist; ihr könnt also nur Ehrfurcht haben vor
der Tugend, vor der Heiligkeit, vor Würde und Hoheit
– wie sie von Gott ausstrahlen. Diese Ehrfurcht ist
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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