ist diese von Gott selbst im Heiligthum der Familie an- gezündete Liebesflamme.
Aber was folgt hieraus für euch, christliche Eltern? Vor allem, daß ihr einander aufrichtig liebet. Denn sonst verkümmert euer Kind vor der Geburt und stirbt nach- her ganz ab in euerm Zank und Streit, in euerer gegen- seitigen Abneigung. Was folgt noch mehr? Ihr wisset, daß viele trübe Stunden auch über junge Eheleute kommen, wo sie mißmuthig, traurig, niedergeschlagen, zornig, unwillig werden. Lasset das euere kleinen Kinder niemals fühlen, sie können ja noch nicht unterscheiden und deßhalb glauben sie leicht, sie seien euch nicht mehr lieb. Endlich übergebt doch in den ersten Jahren euere Kinder, so wenig als möglich, fremden Händen. Denn je mehr ihr selbst euch mit ihnen abgebet, je mehr ihr selbst bei Tag und Nacht für sie sorget, je mehr ihr selbst sie heranziehet und ihnen Freude machet - desto mehr wächst die gegenseitige Liebe, in deren Wärme euch das Kind aufgeht wie die Rosenknospe im Sonnenstrahl.
So wird dies Kind immer größer. Es ist nicht für die Familie allem, sondern auch für große Gesellschaft be- rufen. Daher muß sein Sinn und seine Befähigung für das gesellschaftliche Leben ausgebildet werden.
Worauf beruht dies gesellschaftliche Leben? Auf der Befolgung der Mahnung des hl. Johannes: "Geliebteste lasset uns einander lieben" oder wie der hl. Paulus mahnt (Gal. V. 6.) "Dienet einander durch die Liebe des Geistes." Es gibt gewisse Manieren und Anstands- regeln, mit deren Kenntniß und Uebung ihr euch in jeder Gesellschaft anständig bewegen könnet; aber das ist eitel Schein und Flitter. Denn das gesellschaftliche Leben beruht nicht auf einigen Komplimenten und Schmeicheleien, das mag genügen für einen Besuch, für einen Ausflug, für eine Abendunterhaltung, für einen Tanz, für Neu-
ist diese von Gott selbst im Heiligthum der Familie an- gezündete Liebesflamme.
Aber was folgt hieraus für euch, christliche Eltern? Vor allem, daß ihr einander aufrichtig liebet. Denn sonst verkümmert euer Kind vor der Geburt und stirbt nach- her ganz ab in euerm Zank und Streit, in euerer gegen- seitigen Abneigung. Was folgt noch mehr? Ihr wisset, daß viele trübe Stunden auch über junge Eheleute kommen, wo sie mißmuthig, traurig, niedergeschlagen, zornig, unwillig werden. Lasset das euere kleinen Kinder niemals fühlen, sie können ja noch nicht unterscheiden und deßhalb glauben sie leicht, sie seien euch nicht mehr lieb. Endlich übergebt doch in den ersten Jahren euere Kinder, so wenig als möglich, fremden Händen. Denn je mehr ihr selbst euch mit ihnen abgebet, je mehr ihr selbst bei Tag und Nacht für sie sorget, je mehr ihr selbst sie heranziehet und ihnen Freude machet – desto mehr wächst die gegenseitige Liebe, in deren Wärme euch das Kind aufgeht wie die Rosenknospe im Sonnenstrahl.
So wird dies Kind immer größer. Es ist nicht für die Familie allem, sondern auch für große Gesellschaft be- rufen. Daher muß sein Sinn und seine Befähigung für das gesellschaftliche Leben ausgebildet werden.
Worauf beruht dies gesellschaftliche Leben? Auf der Befolgung der Mahnung des hl. Johannes: „Geliebteste lasset uns einander lieben“ oder wie der hl. Paulus mahnt (Gal. V. 6.) „Dienet einander durch die Liebe des Geistes.“ Es gibt gewisse Manieren und Anstands- regeln, mit deren Kenntniß und Uebung ihr euch in jeder Gesellschaft anständig bewegen könnet; aber das ist eitel Schein und Flitter. Denn das gesellschaftliche Leben beruht nicht auf einigen Komplimenten und Schmeicheleien, das mag genügen für einen Besuch, für einen Ausflug, für eine Abendunterhaltung, für einen Tanz, für Neu-
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ist diese von Gott selbst im Heiligthum der Familie an-
gezündete Liebesflamme.
Aber was folgt hieraus für euch, christliche Eltern?
Vor allem, daß ihr einander aufrichtig liebet. Denn sonst
verkümmert euer Kind vor der Geburt und stirbt nach-
her ganz ab in euerm Zank und Streit, in euerer gegen-
seitigen Abneigung. Was folgt noch mehr? Ihr wisset,
daß viele trübe Stunden auch über junge Eheleute
kommen, wo sie mißmuthig, traurig, niedergeschlagen,
zornig, unwillig werden. Lasset das euere kleinen Kinder
niemals fühlen, sie können ja noch nicht unterscheiden
und deßhalb glauben sie leicht, sie seien euch nicht mehr
lieb. Endlich übergebt doch in den ersten Jahren euere
Kinder, so wenig als möglich, fremden Händen. Denn
je mehr ihr selbst euch mit ihnen abgebet, je mehr ihr
selbst bei Tag und Nacht für sie sorget, je mehr ihr
selbst sie heranziehet und ihnen Freude machet – desto
mehr wächst die gegenseitige Liebe, in deren Wärme euch
das Kind aufgeht wie die Rosenknospe im Sonnenstrahl.
So wird dies Kind immer größer. Es ist nicht für
die Familie allem, sondern auch für große Gesellschaft be-
rufen. Daher muß sein Sinn und seine Befähigung
für das gesellschaftliche Leben ausgebildet werden.
Worauf beruht dies gesellschaftliche Leben? Auf
der Befolgung der Mahnung des hl. Johannes: „Geliebteste
lasset uns einander lieben“ oder wie der hl. Paulus mahnt
(Gal. V. 6.) „Dienet einander durch die Liebe des
Geistes.“ Es gibt gewisse Manieren und Anstands-
regeln, mit deren Kenntniß und Uebung ihr euch in jeder
Gesellschaft anständig bewegen könnet; aber das ist eitel
Schein und Flitter. Denn das gesellschaftliche Leben
beruht nicht auf einigen Komplimenten und Schmeicheleien,
das mag genügen für einen Besuch, für einen Ausflug,
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Hug, Gallus Joseph: Die christliche Familie im Kampfe gegen feindliche Mächte. Vorträge über christliche Ehe und Erziehung. Freiburg (Schweiz), 1896, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hug_familie_1896/202>, abgerufen am 22.11.2024.
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